Immer öfter stoße ich im weiten Web auf Verlautbarungen von Menschen, die sich um „Deutschland“ sorgen machen, große Sorgen. Sie sehen alle, die zu uns flüchten, als feindliche „Invasoren“, die uns durch ihre schiere Masse an Kindern demnächst einfach auslöschen würden. Nicht wenige glauben sogar an eine von bösen Kräften GESTEUERTE sogenannte „Umvolkung“, wobei leicht erkennbar ist, dass sie zum „Volk“ nur jene rechnen, die zu Zeiten des 1000-jährigen Reichs als „Arier“ gegolten hätten.
Mit Argumenten erreicht man diese Menschen offensichtlich nicht mehr, denn sonst hätten sie längst aufgehört, so zu denken. Nicht nur, dass es nie ein „rassisch reines“ deutsches Volk gegeben hat, sie ignorieren auch sämtliche Fakten, die zeigen, dass sich Immigranten insbesondere in Sachen Nachwuchs sehr schnell dem hiesigen Level anpassen.
Sie ignorieren auch die Tatsache, dass wir längst „multikulturell“ leben: ein Vergleich der Jetztzeit mit den 50gern zeigt das ganz klar, und selbst damals fand ein massiver Kulturtransfer aus den USA statt: Musik, Mode, Lebensstil… Dann kamen Italiener, Jugoslawen und Türken, die nicht nur abhängig malochten, sondern Restaurants eröffneten und unsere einseitige, langweilige, ungesunde „deutsche“ Ess-Kultur bereicherten (Braten, braune Soße, matschige Gemüsebeilagen). Heute sind es Japaner, Vietnamesen, Thais, Inder und Araber, die nicht nur die Lieferdienste dominieren – offenbar hat kaum jemand Lust auf „deutsches“ Essen, so pur.
Mich gruselts, wenn ich mir ein Deutschland auszumalen versuche, das diesen Rechtsdenkenden und Rassisten vorschwebt! Dass diese Denke überhaupt nochmal ein Bein auf den Boden der Debatten bekommen würde, hätte ich nie gedacht! Nun ist es aber so und mit Parolen wie „Deutschland verrecke“ oder „Deutschland muss sterben, damit wir leben können“ wird man das nicht wegbekommen.
Stolz auf mein Deutschland
Für so ein Blog ist dieses Mega-Thema eigentlich zu riesig, aber ganz auslassen will ich es deshalb auch nicht. Deshalb sag ich jetzt mal, warum ich z.B. „stolz auf Deutschland“ bin:
- Vergangenheitsbewältigung: Kein Land hat sich je so umfangreich seiner schrecklichen Vergangenheit gestellt! Viele andere fälschen noch immer Geschichte oder kehren ihre früheren Schandtaten unter den Teppich, die Schulbücher bleiben frei von derlei Irritationen. Dass in der ehemaligen DDR alles Böse der Nazizeit mal eben auf den Westen / den Kapitalismus geschoben und alle eigene Beteiligung ignoriert wurde, sehe ich als kulturellen Grund, warum Rechtsradikalismus dort weit erfolgreicher ist als im Westen. Gut, dass Richtung Westen vereinigt wurde und nicht umgekehrt!
- Ordnung: Dass in Deutschland „die Systeme funktionieren“ wird vor allem von Menschen geschätzt, die zu uns kommen und es aus ihrer Heimat anders kennen. Überhaupt lernt man sich selbst als „deutsch“ erst wirklich kennen, wenn man mal länger im Ausland weilt. Das hat mit „Bio-deutsch“ nichts zu tun, aber alles mit Kultur (und Klima!), wobei wir hier eben meist nur das thematisieren, was fehlerhaft, nicht gut genug ist – und nicht das sehen, was recht gut funktioniert. So schwanken wir zwischen Forderungen nach verbesserten Regeln und dem Leiden an „deutscher Regelungswut“ – alles in allem möcht‘ ich unsere „Regelungskultur“ jedoch nicht missen.
- Sozialstaat: Besonders erfreulich an Deutschland finde ich auch, dass es sich per Sozialstaat aus den Zwängen von Familie und Clan ein großes Stück weit befreit hat. Und ich zweifle daran, dass all die Wähler/innen der AFD wirklich zurück wollen in eine Welt, in der man wieder existenziell auf die Hilfe der Familie angewiesen ist – so, wie es in deren Programm steht, das den Sozialstaat zu Gunsten der Familie weitgehend abschaffen will.
- Europa: Dass Deutschland ungemein viel getan und gezahlt hat, um ein vereinigtes Europa zustande zu bringen, finde ich ebenfalls großartig. Aus der Geschichte kann es keine andere Lehre als die geben: mit allen Nachbarn in Frieden leben und IHRE PROBLEME nicht ignorieren, sondern lösen helfen. Ignoranz, Mauern und Abschottungen führen letztlich zum Krieg – wer das angesichts der europäischen Geschichte nicht sieht, denn nenne ich hier mal einen „Dumm-Deutschen“, obwohl ich mich sonst eher harmonisch äußere.
Genug für jetzt, das Thema ist eh schier unendlich…
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7 Kommentare zu „Deutschland – meine 2% zum Thema“.