Claudia am 16. März 2016 —

Deutschland – meine 2% zum Thema

Immer öfter stoße ich im weiten Web auf Verlautbarungen von Menschen, die sich um „Deutschland“ sorgen machen, große Sorgen. Sie sehen alle, die zu uns flüchten, als feindliche „Invasoren“, die uns durch ihre schiere Masse an Kindern demnächst einfach auslöschen würden. Nicht wenige glauben sogar an eine von bösen Kräften GESTEUERTE sogenannte „Umvolkung“, wobei leicht erkennbar ist, dass sie zum „Volk“ nur jene rechnen, die zu Zeiten des 1000-jährigen Reichs als „Arier“ gegolten hätten.

deutschMit Argumenten erreicht man diese Menschen offensichtlich nicht mehr, denn sonst hätten sie längst aufgehört, so zu denken. Nicht nur, dass es nie ein „rassisch reines“ deutsches Volk gegeben hat, sie ignorieren auch sämtliche Fakten, die zeigen, dass sich Immigranten insbesondere in Sachen Nachwuchs sehr schnell dem hiesigen Level anpassen.

Sie ignorieren auch die Tatsache, dass wir längst „multikulturell“ leben: ein Vergleich der Jetztzeit mit den 50gern zeigt das ganz klar, und selbst damals fand ein massiver Kulturtransfer aus den USA statt: Musik, Mode, Lebensstil… Dann kamen Italiener, Jugoslawen und Türken, die nicht nur abhängig malochten, sondern Restaurants eröffneten und unsere einseitige, langweilige, ungesunde „deutsche“ Ess-Kultur bereicherten (Braten, braune Soße, matschige Gemüsebeilagen). Heute sind es Japaner, Vietnamesen, Thais, Inder und Araber, die nicht nur die Lieferdienste dominieren – offenbar hat kaum jemand Lust auf „deutsches“ Essen, so pur.

Mich gruselts, wenn ich mir ein Deutschland auszumalen versuche, das diesen Rechtsdenkenden und Rassisten vorschwebt! Dass diese Denke überhaupt nochmal ein Bein auf den Boden der Debatten bekommen würde, hätte ich nie gedacht! Nun ist es aber so und mit Parolen wie „Deutschland verrecke“ oder „Deutschland muss sterben, damit wir leben können“ wird man das nicht wegbekommen.

Stolz auf mein Deutschland

Für so ein Blog ist dieses Mega-Thema eigentlich zu riesig, aber ganz auslassen will ich es deshalb auch nicht. Deshalb sag ich jetzt mal, warum ich z.B. „stolz auf Deutschland“ bin:

  • Vergangenheitsbewältigung: Kein Land hat sich je so umfangreich seiner schrecklichen Vergangenheit gestellt! Viele andere fälschen noch immer Geschichte oder kehren ihre früheren Schandtaten unter den Teppich, die Schulbücher bleiben frei von derlei Irritationen. Dass in der ehemaligen DDR alles Böse der Nazizeit mal eben auf den Westen / den Kapitalismus geschoben und alle eigene Beteiligung ignoriert wurde, sehe ich als kulturellen Grund, warum Rechtsradikalismus dort weit erfolgreicher ist als im Westen. Gut, dass Richtung Westen vereinigt wurde und nicht umgekehrt!
  • Ordnung: Dass in Deutschland „die Systeme funktionieren“ wird vor allem von Menschen geschätzt, die zu uns kommen und es aus ihrer Heimat anders kennen. Überhaupt lernt man sich selbst als „deutsch“ erst wirklich kennen, wenn man mal länger im Ausland weilt. Das hat mit „Bio-deutsch“ nichts zu tun, aber alles mit Kultur (und Klima!), wobei wir hier eben meist nur das thematisieren, was fehlerhaft, nicht gut genug ist – und nicht das sehen, was recht gut funktioniert. So schwanken wir zwischen Forderungen nach verbesserten Regeln und dem Leiden an „deutscher Regelungswut“ – alles in allem möcht‘ ich unsere „Regelungskultur“ jedoch nicht missen.
  • Sozialstaat: Besonders erfreulich an Deutschland finde ich auch, dass es sich per Sozialstaat aus den Zwängen von Familie und Clan ein großes Stück weit befreit hat. Und ich zweifle daran, dass all die Wähler/innen der AFD wirklich zurück wollen in eine Welt, in der man wieder existenziell auf die Hilfe der Familie angewiesen ist – so, wie es in deren Programm steht, das den Sozialstaat zu Gunsten der Familie weitgehend abschaffen will.
  • Europa: Dass Deutschland ungemein viel getan und gezahlt hat, um ein vereinigtes Europa zustande zu bringen, finde ich ebenfalls großartig. Aus der Geschichte kann es keine andere Lehre als die geben: mit allen Nachbarn in Frieden leben und IHRE PROBLEME nicht ignorieren, sondern lösen helfen. Ignoranz, Mauern und Abschottungen führen letztlich zum Krieg – wer das angesichts der europäischen Geschichte nicht sieht, denn nenne ich hier mal einen „Dumm-Deutschen“, obwohl ich mich sonst eher harmonisch äußere.

Genug für jetzt, das Thema ist eh schier unendlich…

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Diskussion

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7 Kommentare zu „Deutschland – meine 2% zum Thema“.

  1. Hallo Claudia,
    Danke, du sprichst mir aus dem Herzen!
    Liebe Grüße
    Angelika

  2. Danke dir! Ich weiß, dass viele das Thema ungern anfassen, gerade wegen der Vereinnahmung von rechts. Deshalb freu ich mich auch sehr über Kurzmeldungen!!

  3. Hab mich mal mit einem Taxifahrer unterhalten, der aus dem Nahen Osten kam (Syrien, Libanon, Jordanien? – ist schon ein paar Jahre her.) Der schätzte am meisten die Berechenbarkeit der deutschen Behörden. Du willst etwas? Du kriegst gesagt, was für Papiere Du brauchst, was Du tun musst usw. Und wenn Du alles zusammen hast, gehst Du wieder zum Amt. Für ihn war es immer noch etwas ganz Besonderes, es zum eigenen Taxi geschafft zu haben ganz OHNE Schmiergeld. Wäre in seiner Heimat unmöglich gewesen.

  4. Bei aller Harmonie, Claudia, der ich so sehr zugeneigt bin, – die uns aber letztlich in der jetzigen Phase nicht vorwärtsbringt -, mal anders:

    Deinen o.g. 4 Punkten stimme ich inhaltlich weitestgehend zu und betrachte sie als SEHR gute Basis im interessanten Austausch, den jeweils eigenen Horizont zu erweitern. (Dahinter geht es weiter.) Einen Diskurs dazu würde ich als echten Gewinn betrachten. Definitiv.

    Was ich in meine in deinem blog zu diesen Schwerpunktthemen zu erkennen, wie auch in anderen blogs, die sich den aktuellen divergierenden Themen stellen, ist, dass dort in den Kommentaren, wenn überhaupt, sehr schnell „schweigen“ eintritt.

    Gibt es jetzt keine Meinung zu diesen Themen, oder ist es nur zu mühselig, reflektierend der eigenen Meinung und Gedanken, dazu Stellung zu nehmen? Ist es dann die einfache „Alternative“, einfach an einem bestimmten Tag an einer bestimmten Stelle sein „Wählerkreuz“ hinzusetzen? Ist damit dem demokratisch gesellschaftlichen Auftrag genüge getan?

    Ich verstehe, dass die heutigen Anforderungen nicht immer genügend Platz lassen, sich mit diesen Dingen zu beschäftigen. Ich habe es auch nie getan. Und so weiß ich im Moment selber nicht, ist es mein fortgeschrittenes Alter, dass ich mir viele Gedanken dazu mache, oder liegt es doch an der nicht mehr einschätzbaren Situation, wo alles hingehen wird?

    Insofern begrüße ich erstmals so richtig, dass es keinen „Like“-Button in deinem blog gibt. Es damit so einfach zu machen, ist doch irgendwie zu einfach.

  5. Lieber Menachem,

    es ist wohl einerseits so, dass das Thema AFD/Rechtsruck derzeit „in aller Munde“ ist, also von den Mainstreammedien heftig verhandelt wird. Das reicht vermutlich vielen, zudem riskiert man beim bloßen Lesen nicht, sich in irgendwelche Nesseln zu setzen.

    Zweitens ist das „nationale Thema“ etwas, das alle im weiten Sinne eher „links/Mitte links“ angesiedelten Menschen nur mit der Kneifzange, aber lieber gar nicht anfassen. Der extremen Vereinnahmung von rechts wird mit einer extremen Ablehnung von links geantwortet – gipfelnd in den von mir zitierten Sprüchen.

    Ich bin sehr dafür, ruhig alle Themen aufzugreifen und zu diskutieren, mit denen Rechts/Rechtsaussen auf ihre Weise umgehen. Es gibt ja auch da durchaus Unterschiede bis hin zum unsäglichen „völkischen Denken“, für das etwa ein Höcke steht.

    Aber es ist halt schwierig und unbeliebt…

  6. Es sind bestimmt mehr als die „2%“ zum Thema, u.a. eine Blogparade: http://annaschmidt-berlin.com/2016/02/27/schreiben-gegen-rechts-blogparade/

    Ich habe mich mit „meiner Sicht“ beteiligt: https://p-adler.de/schreiben-gegen-rechts-blogparade/

    und Deine Artikel bei mir verlinkt…

  7. […] Wie z.B. „Sarah Maria“ mit ihrem Beitrag „Wohnungen für Geflüchtete in Bremen”, oder „weltansichteinersechzehnjährigen“ mit ihrem Beitrag „Von Flüchtlingen und Wortsalat (1)”, um nur einige exemplarisch zu nennen. Bisher nicht an dieser Blogparade hat „digital diary” teilgenommen, aber auch hier exemplarisch einer der vielen Beiträge zum Thema: „Deutschland – meine 2% zum Thema” […]