Mittelmeer, Atlantik, Golf von Thailand und nach der Wende die Ostsee: diverse Meere hatte ich schon gesehen, doch noch nie die Nordsee. Viel zu spießig war mir das in jungen Jahren, also kannte ich Ebbe und Flut nur aus Medien. Zumindest bis Dienstag, denn diese Woche war ich drei Tage in Husum. Um endlich mal zu sehen, wie es ist, wenn das Meer einfach verschwindet.
Ich hatte mir Husum ausgesucht, weil diese Kleinstadt für eine Kurzreise von drei Tagen mehr bietet als nur Watt und Landschaft. Hier der erste Blick auf die idyllische Hafenpromenade, die bei Ebbe so aussieht:
Faszinierend! Bilder gibt es nicht viele, die DigiCam ist zuhause geblieben. Lieber erleben als dokumentieren, teilen, kommentieren, dachte ich mir. Ein paar schlechte Handy-Fotos mussten reichen. Hier ein alter Segler am Ende des Binnenhafens, nicht weit vom sehenswerten Schiffahrtsmuseum:
Im Museum haben wir – mein Liebster und ich – kurz vor der Rückreise ein paar Stunden zugebracht. Dort liegt das in Zucker konservierte Ülvesbüller Wrack, ein 400 Jahre alter Frachtensegler, der 1994 bei Bauarbeiten entdeckt wurde. Schon beeindruckend, was für ein Aufwand getrieben wird, um so ein altes Schiff auszustellen!
Wattwandern? Rumstolpern im Schlickwatt!
Die Hauptattraktion war allerdings die Wattwanderung, die wir uns vorgenommen hatten. 1,5 Stunden sollte sie dauern, das schien überschaubar, so von der Strecke her.
Strecke? Was für ein Irrtum! Unsere Gruppe wurde von einer engagierten FÖJ-Aktivistin ca. 150 Meter weit ins Watt geführt – mehr war auch kaum schaffbar!
Warum? Weil es sich hier um ein „Schlickwatt“ handelte, nicht etwa ein leicht begehbares „Sandwatt“. Das heißt: Man sinkt bei jedem Schritt bis eine Hand breit unterm Knie in zähen Schlick ein, es ist sehr anstrengend, auch nur ein paar Meter vorwärts zu kommen. Kleine Kinder waren auch in der Gruppe, die hatten richtig Angst und mussten getragen werden – kein Spass für den Träger! Mir war anfänglich auch etwas mulmig, da man ja beim Reintreten nicht weiß, wann der feste Boden kommt. Und bäuchlings im Schlick zu landen wollte ich ja auch tunlichst vermeiden!
Von dieser Plattform aus starteten wir ins Watt:
Wenn ich mir jetzt nochmal die Beschreibung dieser Veranstaltung anschaue, fällt mir auf, das der Schlick nicht etwa verschwiegen wurde: Schlicktour, Schlickwatt – aber als Ahnungslose dachte ich mir nichts dabei, erinnerte mich nur an Dokus, in denen Leute locker über relativ festen Sandboden wanderten… tja, umso größer war immerhin der Abenteuerfaktor! :-)
Wir kämpften uns also mühsam Meter um Meter durch den Schlick, der jeden Fuß gerne festhalten wollte. Auf Geheis der Leiterin sammelten wir fünf Sorten Muscheln, lernten Wattschnecken, Wattwürmer und Krabben kennen und waren froh über die Pausen, während der wir nur herum stehen und zuhören mussten: Küstenschutz, Wattgetier, Weltkulturerbe – dann ging es zurück zur Plattform, wo immerhin eine Dusche bereit stand, um uns den Schlick von den Füßen zu waschen.
Dass die einheimische Auster von der pazifischen Auster verdrängt wurde und auch die Miesmuscheln wegen ihr weniger werden, zählt nun zu meinem neuen Watt-Wissen. Seit 1994 ist es für die aus Zuchtanlagen ausgebüchste Auster warm genug, um sich im Watt fortzupflanzen. Seltsam, dass der Immigrant es bisher nicht in die nordfriesische Küche geschafft hat. Wir fanden jedenfalls auf keiner Speisekarte Austern, dafür die gefährdete Miesmuscheln und die allgegenwärtigen Husumer Krabben, die heute großteils in Marokko gepult werden, bevor sie in den Handel gelangen.
Sooo ein schönes Hotel!
Mehr als zufrieden waren wir übrigens mit der Unterkunft, die ich über Booking.com gebucht hatte. Das „Hotel & SPA Rosenburg“ hat einen Wellnessbereich, der sich sehen lassen kann. Bio-Sauna und Finnische, superbequeme Liegen – genau das Richtige zum Entspannen nach den Tageserlebnissen im Ort bzw. in der Umgebung. Wir mieteten Fahrräder direkt im Hotel, speisten auch mal im Hotel-eigenen Restaurant, wo es u.a. einen Labskaus gibt, der sämtliche Vorurteile gegenüber diesem Gericht zerbröseln lässt. Das tägliche Frühstücksbuffet beeindruckte mit phänomenaler Vielfalt – das Ergebnis der Schlemmerei sehe ich jetzt auf der Waage! Sogar der Service war sehr zuvorkommend, die Mitarbeiter ganz offensichtlich mit Freunde bei der Arbeit, viele kleine Details zeigten, dass man hier mit dem Herzen bei der Sache ist. Ich hatte nach dieser Bleibe länger recherchiert, das Hotel ist mit einem verdienten „hervorragend“ bewertet und dennoch erschwinglich. Da ich hier höchst selten Lobeshymnen auf Produkte oder Dienstleistungen schreibe, lässt sich ermessen, wie begeistert wir waren!
Husum: keine „graue Stadt“
In einem Gedicht beschrieb Theodor Storm Husum als „graue Stadt am Meer“, doch ist Husum heute gar nicht mehr grau! Die Stadt wirkt reich, es gibt viele schöne Häuser im Stil der Bäderarchitektur, aber auch kleine Katen, die an eine ärmere Vergangenheit erinnern.
In nur drei Tagen haben wir bei weitem nicht alles gesehen und erlebt, was Husum bietet. Wer allerdings Nachtleben sucht, ist hier wohl eher falsch. Schon um 21.30 Uhr wirkt die Hafenpromenade mit den vielen Lokalen als sei es schon Mitternacht! Aber dafür waren wir ja nicht gekommen.
Hier noch ein Blick über den Marktplatz von Husum mit Tine-Brunnen – die „Tine“ gilt als das heimliche Wahrzeichen von Husum:
Und richtig gute Luft!
Was in den Tourismus-Infos gar nicht erwähnt wird, ist die beeindruckend gute Luft. Der Kontrast zu Berlin ist gewaltig, wobei Berlin noch eine Großstadt mit vergleichsweise guter Luft sein soll. Als ich aus dem Zug stieg, merkte ich, was ich hier dauernd atme! Zum Glück verschwindet diese Wahrnehmung schnell wieder aus dem Bewusstsein, doch wird der Aspekt „Luftqualität“ in Zukunft ein Faktor sein, wenn ich mir einen Urlaubsort aussuche.
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13 Kommentare zu „Ebbe erleben in Husum“.