Gestern hab‘ ich im „wilden Gartenblog“ grade noch rechtzeitig einen Artikel zur Feier des Zehnjährigen raus gehauen. Da die Geschichte dieses Blogs unauflöslich mit meiner eigenen Gartengeschichte verbunden ist, gab‘ es auch davon eine Kurzfassung mitsamt dem Rückblick auf meinen ersten „wilden Garten“. An dessen ehemaliger Stelle wird gerade ein Häuserblock errichtet, nachdem das Grundstück mehrere Jahre als Parkplatz gedient hat, für den man 2008 die grüne Idylle mitten in der Stadt zugeschüttet hat.
Zur Bebilderung des Artikels stöberte ich durch tausende alte Fotos aus den knapp zwei Jahren mit diesem wirklich „wilden“ Garten. Wir hatten ihn quasi geschenkt bekommen vom „Gartenpeter“, wie wir (= mein Liebster / Gartenpartner und ich) diesen freundlichen Menschen nannten.
Peter hatte das brach liegende Grundstück mitten in Friedrichshain zusammen mit anderen in den 90gern besetzt, war dann alleine übrig geblieben und hatte einen Duldungsvertrag bekommen. Nach insgesamt 13 Jahren wollte er weg. Es gab auch wirklich nichts mehr zu tun, der Garten war als „wilder Garten“ perfekt: eine sanft gestaltete Wildnis mit allem, was faule Gartenfreunde lieben. Zu jeder Jahreszeit blühende Pflanzen ohne aufdringliche „Ordnung“, Schatten spendendes Gebüsch, eine blickdichte Hecke zur Straße hin, Obstbäume, Wildkräuter, ein wundervoller Aprikosenbaum nahe dem malerischen Schuppen an der Wand zum nächsten Grundstück, das ebenfalls lange brach lag.
Der Garten lag in einer Senke und hatte fruchtbare humose Erde, ganz ohne unser Zutun. Dabei ein so warmes Klima, wie es inmitten der Stadt nur sein kann. Noch im Dezember blühten Rosen und man konnte draußen vor dem Schuppen sitzen. Ich lernte Pflanzen kennen, von deren Existenz ich nicht mal gewusst hatte – zum Beispiel die im zeitigen Frühjahr blühenden Kaiserkronen:
Gärtnerisch hatte ich keinerlei Erfahrung, mal von den Erbsen und Gänseblümchen abgesehen, die ich als Siebenjährige im Hof angepflanzt hatte. Großartige Kenntnisse waren aber auch nicht wirklich nötig, der Garten war ja wunderschön, genau so, wie wir ihn übernommen hatten. Trotzdem wollten wir gelegentlich „was machen“, natürlich möglichst ökologisch, naturnah, bio, mindestens!
Der Natur helfen? Ja mach nur einen Plan!
Wir machten uns also daran, was für die Artenvielfalt zu tun, wie es überall empfohlen wird. Ein selbst gebautes Insektenhotel zum Beispiel, schließlich lagen im Schuppen Materialien und Werkzeuge herum und Hummeln flogen tatsächlich irgendwie „suchend“ durch den Garten.
Gedacht, getan: Ein ganzer Schwung nicht gebrauchter Fackeln musste dran glauben – jede Einzelne haben wir mühsam demontiert, um am Ende die so gewonnenen hohlen Bambusstäbe zu einem Hummel-Hotel zusammen zu binden.
Als wir endlich fertig waren, platzierten wir zwei dieser Rohrbündel an geeigneter Stelle, wo sie allerdings von allem, was da fleucht und kreucht, schnöde ignoriert wurden. Frustrierend!
Wenig später fiel mir auf, dass uns außergewöhnlich viele Hummeln umschwärmten, wenn wir vor dem offenen Schuppen saßen und plauderten. Ich hatte immer schon eine leicht phobische Angst vor allem, was laut brummt und fliegt, war mir aber bewusst, dass Hummeln die Harmlosesten unter den potenziell stechenden Brummern sind. Dennoch: Warum auf einmal so viele?
Und: SIE KAMEN VON INNEN!!!
Genaues Nachschauen ergab: Während wir uns mit dem aufwändigen Bau der am Ende nutzlosen Insektenhotels beschäftigt hatten, hatten sich die Hummeln einen Nistort eigener Wahl gesucht – und zwar in unserem „Wohnzimmer“, da irgendwo oben unter den Dachbalken.
Wir haben sie natürlich in Ruhe gelassen, schließlich wollten wir doch der Artenvielfalt dienen! :-) Unsere – weitgehend insektenfreien – Wohnungen lagen sowieso nur fünf Fußminuten entfernt. Es gab nicht wirklich einen Grund, uns in dem skurril eingerichteten Schuppen aufzuhalten, der im Wesentlichen als Stauraum diente.
So überwand ich meine Angst vor den Brummern, später sogar den größten Teil der weit heftigeren Angst vor Hornissen, die ebenfalls den wilden Garten besuchten, um Totholz für ihr Nest zu besorgen. Das Erlebnis mit den eigenwilligen Hummeln hat mich jedenfalls erfolgreich belehrt: Erstmal beobachten, anstatt in Aktionismuss „nach Vorschrift“ zu verfallen – es könnte gänzlich sinnlos sein!
Keine Vorschriften, niemand redet rein
Zur Idylle des „wilden Gartens“ trug nicht unwesentlich bei, dass uns niemand etwas zu sagen hatte. Rundum von dichten Hecken geschützt, wurden wir nicht einmal bemerkt! Wir konnten sogar Feuer machen und niemand scherte sich darum. Allenfalls mussten wir immer mal wieder Flaschen entsorgen, die nachts irgendwelche Besoffenen über die Hecke in den Garten warfen. Ungefährlich, selbst wenn es am Tag passiert wäre, denn da standen genug Büsche und Bäume, die uns schützten.
Eine Pflicht zum Gemüseanbau – wie jetzt in der Kleingartenanlage – gab‘ es natürlich auch nicht. Wir pflanzten trotzdem allerlei an, zumeist in großen Bautuppen, die eine Art Hochbeet im hinteren Teil des Gartens bildeten. Es war insgesamt ein recht großes Gelände, mehrere Schuppen, eine ehemalige Werkstatt, in der noch alte Maschinen standen. Man konnte da auch aufs Dach steigen und die Sonne dort noch spät am Abend genießen. All das – heute undenkbar! – sehr zentral inmitten des zunehmend beliebter werdenden Friedrichshain, schräg gegenüber vom nächsten Supermarkt.
Das war dann aber auch der Grund, dass das Paradies nur noch knapp zwei Jahre bestand. Am Ende hätten wir den Garten sogar kaufen können, zumindest wurde er uns angeboten. Aber mal abgesehen davon, dass ich das Geld nicht hatte: wir wären dabei vielleicht reich, aber nicht glücklich geworden. Es hätte sich nur gelohnt, um das Grundstück alsbald zum vervielfachten Preis wieder zu verkaufen – an jene, die gerade den Häuserblock errichten. Der Verstädterung kann man nicht lange widerstehen, es wird ungemütlich, dreckiger, lauter – und wenn man erstmal zum Ziel von Verdrängungskampfmaßnahmen wird, ist es sowieso vorbei mit der Idylle.
Zwei Jahre in einem kleinen verborgenen Paradies – es war wunderschön! Sogar die Stockrosen im wilden Garten waren was Besonderes:
Aber es tat weh, zu sehen, wie der Garten dann platt gemacht wurde. In unseren Herzen lebt er immerhin weiter, solange es uns gibt.
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3 Kommentare zu „Wehmut zum Blog-Jubiläum: Erinnerungen an ein Paradies“.