Claudia am 15. November 2016 —

Lesenwertes zur Lage und zur Frage: Was tun?

Nach dem Wahlsieg von Trump ist die Ratlosigkeit angesichts der politischen Entwicklungen (Trump, AFD, Erfolge der Rechten…) auch hierzulande groß und es herrscht Uneinigkeit, wie damit nun umzugehen sei. Deshalb versammle ich hier einige Artikel zum Thema, die verschiedene Aspekte des wachsenden Rechtsrucks analysieren.

Wir müssen reden – Lukas Heinser bricht eine Lanze für die Diskussion mit den „normalen Leuten“, womit der alle meint, die zu AFD-Standpunkten neigen, ohne selbst Chefpropagandist einer rechten Partei oder Gruppe zu sein.

„Wir müssen also jetzt mit den Leuten in der Kneipe reden, in der Straßenbahn, im Stadion, schlimmstenfalls sogar beim Familienkaffee. Wir dürfen nicht die Augen verdrehen und gleich „Nazi!“ denken, wenn jemand etwas sagt, was nicht unserer Meinung entspricht. Wir müssen klarstellen, dass universelle Menschenrechte nicht verhandelbar sind, und in Detailfragen den Austausch suchen.“

Interessant, wie er das an Beispielen erläutert, aber auch das Kommentargespräch dazu ist lesenswert, in dem sich einige der „Gemeinten“ zu Wort melden.
(Update: In diesselbe Kerbe schlägt Don Dahlmann: „Wer also verstehen will, was sich da zusammenbraut, der muss aus seiner Filterblase raus. Der muss aufhören jeden zu blocken, der die eigene Wohlfühlblase ansticht (Ich rede hier nicht von Trollen, die nur beleidigen). Auch sollte man sich mit den Medien beschäftigen, die die neuen Konservativen produzieren und lesen. Ob die Compact, die Junge Freiheit oder gemäßigt-konservative Magazine wie Cicero – es hilft zu verstehen, was gedacht wird.“)

How Half Of America Lost Its F**king Mind – der Artikel von David Wong zählt bereits „9,905,846 views“ und ist in leichtem US-Englisch verfasst. Er beschreibt detailliert, in welch komplett anderer Lebenswirklichkeit die Landbewohner in den USA leben und welchen Zumutungen sie von Seiten der Städter ausgesetzt sind. David weiß, wovon er spricht, denn:

„I was born and raised in Trump country. My family are Trump people. If I hadn’t moved away and gotten this ridiculous job, I’d be voting for him. I know I would.“

Perspektiven – eine ausführliche Analyse von Sven Scholz auf Sagichdoch, in der er die aktuelle Situation mit jener im Jahr 1930 vergleicht – lesenswert! Dabei bleibt es aber nicht, er arbeitet heraus, dass es nicht reicht, nur zum „wählen gegen rechts“ aufzurufen. Man (=die etablierten Parteien) müssten etwas anbieten, FÜR das man stimmen kann, wenn man sich Veränderungen wünscht. Sein „Narrativ“ ist die Entsolidarisierung seit den 90gern, die von Rot-Grün durchgesetzte Agenda 2010 – und dass man allenfalls noch für ein „weiter so“ stimmen könne, wenn man nicht rechts wählen will.

„Es werden eine Menge Ursachen genannt und Vorwürfe erhoben. Mangelnde Bildung. Abgehobene Eliten. Machtlosigkeit. Erniedrigung. Das Gefühl, verachtet zu werden. Armutsängste. Überhaupt: Ängste. Sehr existenzielle Ängste. Und zynischerweise bei vielen, denen es (noch) gut geht auch die Angst, irgendwann so behandelt zu werden, wie man selber die behandelt, denen es nicht (mehr) gut geht. Wenn ich diese Situation mit dem vergleiche, was mir meine Großelterngeneration erzählte, wird es gruselig.“

Nationalism Rising: When and Why Nationalism Beats Globalism – And how moral psychology can help explain and reduce tensions between the two. Der umfangreiche Artikel von Jonathan Haidt dreht ein großes Rad und fragt:

„What on earth is going on in the Western democracies? From the rise of Donald Trump in the United States and an assortment of right-wing parties across Europe through the June 23 Brexit vote, many on the Left have the sense that something dangerous and ugly is spreading: right-wing populism, seen as the Zika virus of politics.“

In vier Kapiteln beschreibt er dann, zu welcher Werte-Verschiebung der Aufstieg der „Globalisten“ geführt hat und zu welchen Reaktionen das führt:

„I’ll show how globalization and rising prosperity have changed the values and behavior of the urban elite, leading them to talk and act in ways that unwittingly activate authoritarian tendencies in a subset of the nationalists. I’ll show why immigration has been so central in nearly all right-wing populist movements. It’s not just the spark, it’s the explosive material, and those who dismiss anti-immigrant sentiment as mere racism have missed several important aspects of moral psychology related to the general human need to live in a stable and coherent moral order. Once moral psychology is brought into the story and added on to the economic and authoritarianism explanations, it becomes possible to offer some advice for reducing the intensity of the recent wave of conflicts.“

Ihr seid eingeladen, in den Kommentaren weitere Artikel mit Substanz zu posten!

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Diskussion

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5 Kommentare zu „Lesenwertes zur Lage und zur Frage: Was tun?“.

  1. und, boshafte anmerkung zu link 1: was zieht man denn so an, wenn man sich als wohlmeinender intellektueller mit „normalen Leuten“ so trifft? und wie finde ich heraus, wo die sich so zusammenrotten? und will ich da überhaupt wirklich hin?

    wenn der groschen nicht gleich fällt: es ist doch genau diese herablassung, die denen angeblich so auf den keks geht und sie überhaupt erst dazu bringt, sich wie vollidioten aufzuführen – und von der wir jetzt alle bitteschön abstand nehmen sollten …

    in meiner umgebung gibt es ja keine „normalen“ menschen mit xenophoben anwandlungen, niemand der AFD wählen oder flüchtlingsheime in brand strecken möchte.

    wäre da einer, wäre er nicht mehr lange in meiner umgebung.

  2. AFD wählen und „Flüchtlingsheime in Brand stecken“ sind nun mal bei Weitem nicht dasselbe. Und nicht jede Kritik und jedes Unbehagen an manchem Verhalten mancher Zuwanderer ist „xenophob“.

  3. Republikaner und Demokraten hätten beide weit bessere und bedeutendere Kandidaten verdient gehabt. Dumm gelaufen, aber nicht verwunderlich. Die Medien haben Trump erst wirklich gross gemacht, aus schierer Quotengier. Und die Politik, im übrigen in den meisten Ländern, hat ihre Staaten fest im Griff und längst gekidnappt. Es geht um Posten, Einfluss und Macht. Da hilft nur Bildung, Bildung, Bildung, damit eine bürgerliche Gegenbewegung einsetzt und eine Ethik, an der sich Politiker und Funktionsträger orientieren und messen lassen müssen. Beides, Bildung und Ethik, ist noch zu wenig ausgeprägt, was bei der charakterlichen Ausstattung unserer Spezies, die noch aus der Altsteinzeit stammt, nicht überrascht. Der Mensch hat in Technik und Wissenschaft vieles erreicht, ist ziemlich schlau, aber keinesfalls weise. In gewisser Hinsicht waren die Griechen vor 2.500 Jahren schon etwas weiter. Es gibt also durchaus Vorbilder, zumindest in den Geschichtsbüchern. Der Kampf dauert also noch an oder hat gerade erst begonnen.

  4. @Hermann: danke für deinen Kommentar! Immer wieder schön, wenn sich mal ein „Neuer“ zu Wort meldet! :-)
    Ja, die Wechselwirkung zwischen der Klick-Geilheit der Medien (auch mangels anderem Geschäftsmodell) und jemandem wie Trump ist ein Faktor, der dazu beiträgt, die schlechtesten Möglichkeiten zu verwirklichen. Ein Elend!
    Ob durch mehr Bildung mehr ethisches Verhalten zustande kommt, ist allerdings zweifelhaft. Da gibt es ja viele Gegenbeispiele, grade heute.