Hier ein paar bemerkenswerte Artikel zur Lage:
- Was wird morgen sein?
…fragt Franz Schirrmacher im FAZ.net und führt aus, wie die Finanzkrise, die sich gerade zur allgemeinen Wirtschaftskrise auswächst, das Denken verändert. Seine Startfrage lautet: „Wie konnten die Manager der Bank noch so tun, als sei nichts, obwohl ihnen seit Monaten bekannt war, dass ihr Geschäftsmodell in die Luft fliegen würde? Die Antwort lautet: Lehman dachte, dass ein Zusammenbruch alle anderen auch treffen und sich auf sehr viele Leute verteilen werde; folglich werde der Staat einschreiten müssen.“
Schirrmachers weitere Ausführungen zur Ursache der Katastrophe münden in die Erkenntnis, dass es „isolierte Eliten“ sind, die nicht vor den zerstörerischen Auswirkungen ihrer unverantwortlichen Handlungen zurück schrecken, da sie von den Folgen nicht betroffen sind (sprich: ihre Schäfchen im Trockenen haben und in ihren „geschützten Wohnvierteln“ hübsch eingebunkert bestens leben können, auch wenn „da draußen“ das Elend herrscht). Sehr lesenswert sind auch die Kommentare zu diesem Artike! - Wie die Mittelschicht die Krise ausgelöst hat
liest man bei Welt online. Dort referiert Matthias Kamman die Thesen „der deutschen Soziologen“. Beispiel: „Einerseits sichern Mittelschichtfamilien ihren Lebensstandard, indem auch die Frauen arbeiten und so als Kinderbetreuerinnen ausfallen – weshalb dann der Staat die Kleinen beaufsichtigen muss. Andererseits wollten Teile der westlichen Mittelschicht ihren Lebensstandard behaupten, indem sie hohe Renditen auf den Finanzmärkten suchten, bis die kollabierten – worauf auch hier die Staaten die Folgekosten schultern müssen.“ Wie ärgerlich, dass die verunsicherten Mittelschichten etwas TUN, um ihren Wohlstand in neoliberal entsolidarisierten Zeiten zu sichern, anstatt einfach brav zu verarmen! Und natürlich gehören Frauen doch ins Haus… – ich habe selten solche Frechheiten gelesen! (Dazu gibts eine Resonanz im Querblog: Nicht der Mittelstand, sondern der Kapitalismus ist schuld. - Der Mensch ist kein Vermögensgegenstand meint der gute alte Norbert Blüm im Tagesspiegel, der offensichtlich erst jetzt bemerkt: „Mit einer Art von medialer Gehirnwäsche soll offenbar eine Gesellschaft installiert werden, in der es nur noch um Wirtschaft und Vorteilsuche geht.“ Der „homo oeconomicus“ ist also an allem schuld, der seine Zeit ausschließlich damit verbringt, irgendwo Schnäppchen zu machen. Fensterrede, nett fürs Gemüt und sicher wahr, aber doch seltsam vorgestrig in der mit vielen Beispielen unterlegten Klage über die Kompliziertheit der Welt, in der man fortwährend Preise und Angebote vergleichen müsse.
- Vertrauenskrise? Die 45-Billionen-Dollar-Lüge: Stefan Schulz führt auf seinem Blog „Sozialtheoristen“ aus, dass die Wurzel des Übels in der Idee lag, Vertrauen durch Versicherungen zu ersetzen: „Vertrauen bedeutet Risiko und Risiko musste minimiert werden. Irgendwann kam man auf die Idee, die Risiken einfach abzuschaffen. Anstatt dem Vertragspartner zu vertrauen, dass geliehenes Geld termingerecht zurückfließt, hat man sich gegen den Ausfall des Rückflusses versichert.“
- Teufelszeug oder doch ein Segen? Frank Stocker und Sebastian Jost untersuchen die einzelnen Anlage- und Zocker-Produkte der Finanzwirtschaft auf ihren jeweiligen Anteil am Desaster – sehr informativ und äußerst bildend!
Zum Schluss noch ein Artikel aus der Financial Times Deutschland (FTD): In „Wenn’s ums Geld geht„ gehts nicht um die Suche nach Schuldigen, sondern darum, wohin Investmentbanker ihr Geld transferieren, um es SICHER zu haben: Nämlich zu den Sparkassen, die sie gestern noch gerne abgeschafft gesehen hätten!
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2 Kommentare zu „Medienlese zur Finanzkrise: Wer ist schuld?“.