Menachem beklagt eine Verwandlung in den Publikationen des Web:
„Aus einem ehemals inspirierenden, interessanten, respektvoll sprühenden Netz kommt derzeit nur noch eine „digitale Klagemauer“ bei mir an. Alles ist furchtbar und schlimm, was zurzeit auf und in der Welt schief läuft und geschieht. ….
… Hypothetisches Gegackere über AfD, Trump, Erdogan, Brexit…. Mann, ich fühl mich matt, ausgelaugt, gelangweilt. Genug der sich immer wiederholenden leeren Thesen, die so viele meinen an das Portal des Internets nageln zu müssen. Um die Welt zu retten. Um alle schlafenden Lämmer zu wecken. Erwachtet! (Lämmer). Ich bin müde.“
Kann ich teilweise nachfühlen, andrerseits auch nicht. Dass viele sich derzeit öffentlich Gedanken machen, was dies alles bedeutet und wie man damit umgehen soll, finde ich sinnvoll. Das vermittelt ja auch ein Gefühl der Gemeinsamkeit: Schön, dass die Ereignisse den Leuten nicht am Arsch vorbei gehen, schließlich sind es wirklich bedrückende, auch gefährliche Pfänomene. Es ist auch nicht nur „Gejammer“, was geschrieben (und gezeichnet) wird, es finden sich gute Analysen, streitbare Ansagen und gut kuratierte Lesetipps, die auch Hoffnung machen, wie Frau Meike schreibt:
„Ich habe immer noch ein mulmiges Gefühl, aber die Fülle an differenzierten und weitsichtigen Analysen lässt mich hoffen, dass es noch nicht zu spät ist – zumindest nicht für unsere Gesellschaft.“
Nervt die Realität oder die Rede über sie?
Trump, AFD, Erdogan, Syrien, die ungelöste Schuldenkrise und das wackelnde Italien, ein drohender Ausverkauf des Datenschutzes, kriminelle Autokonzerne und Politiker, die mit ihnen paktieren, das widerliche Sanktionsregime der Jobcenter – es gibt wahrlich viele Gründe, den Zustand der Welt zu beklagen. Wäre es nicht schlimmer, wenn sich kaum jemand zu alledem äußern würde?
In Zeiten der Filter-Bubbles kann dennoch jeder, der es wünscht, den Verlautbarungen zu „nervigen“ Themen aus dem Wege gehen. Ja, es ist sogar ein Zeichen selektiver Wahrnehmung, wenn man entsprechende Artikel als Mehrheit empfindet. Schaue ich nämlich auf meine insgesamt vier Blogrolls, so beschäftigt sich nur eine Minderheit der ca. 80 verlinkten Quellen in ihren letzten drei Postings mit diesen „leidvollen“ Themen. Ich könnte locker einen Feedreader füllen mit Blogs, in denen derlei gar keinen Platz findet. „Ich brauche Input“, schreibt Menachem, doch es fehlt ja nicht an Artikeln, die die Übel unserer Zeit links liegen lassen und über Selbermach-Senf, Genügsamkeit, sich was gönnen oder das Wetter schreiben.
Es sind nicht die Publikationen zu bedrückenden Themen, sondern die besprochenen Zustände und Vorgänge selbst, die Angst machen. Auswegslos immer wieder damit konfrontiert zu werden, wird dann als „Müdigkeit“ kommuniziert, denn wer mag schon sagen: All das macht mir Angst? Was fehlt, sind positive Visionen, mitreissende Vorschläge, glaubwürdige Institutionen, neue unverbrauchte Initiativen – leider sehe ich da derzeit auch nichts, was so richtig weiter bringen könnte.
Da bleibt dann halt nur, die Bandbreite des Lebens wieder zu entdecken. Noch haben wir die Wahl, mit was wir uns beschäftigen. Dauernd nur Katastrophen-News lesen ist kein MUSS. Hierzulande jedenfalls nicht, so satt, friedlich und wohl versorgt wie der persönliche Alltag für die meisten noch abläuft.
Mir fällt jetzt einfach kein fetziger Schluss ein. Tja, das passt.
Diesem Blog per E-Mail folgen…
Diskussion
Kommentare abonnieren (RSS)
15 Kommentare zu „Digitale Klagemauer: Nur noch Gejammer?“.