Kürzlich im Treppenhaus: mir begegnet die freundliche Mieterin mit Kind (oder waren es zwei?), die in einem Stockwerk unter meinem wohnt. Erster oder zweiter Stock? Hab‘ ich jetzt nicht präsent, aber ich „kenne“ sie, denn ich nehme öfter mal Pakete für sie an.
„Frau Klinger: es tut mir wirklich leid! Ich möchte mich entschuldigen…“,
sagt sie und schaut, als hätte sie 'was Schlimmes verbrochen. Viele Fragezeichen malen sich in mein Gesicht und sie fährt fort:
„Neulich, als wir uns auf der Modersohnbrücke begegnet sind, hab' ich sie gar nicht bemerkt. Und NICHT gegrüßt! Erst als Sie vorbei waren, hab' ich sie erkannt, aber da war es schon zu spät. Tut mir echt leid…“.
„Verblüfft“ reicht eigentlich nicht, um zu beschreiben, wie ihr „Geständnis“ auf mich wirkt. Ich muss an gefühlte zehntausend Artikel denken, die den um sich greifenden Hass anprangern, die Ignoranz gegenüber den Mitmenschen, mangelnde Achtung, kein Benehmen, fehlender Anstand, und und und – und da steht nun eine zerknirschte 30plus vor mir und entschuldigt sich, weil sie mich übersehen hat!
Ich kann sie aber sogleich beruhigen:
„Kein Problem! Ich kenne das – und ich hab‘ Sie meinerseits auch nicht bemerkt, nicht mal nachträglich! Bin oft so in Gedanken versunken, wenn ich irgendwo hinlaufe, dass ich kaum registriere, was um mich herum vorgeht.“
Sie ist sichtlich erleichtert. Wir versichern uns noch gegenseitig, dass das heute „bei all dem Stress“ nichts Ungewöhnliches ist – unschön, aber was will man machen? – und verabschieden uns dann in bestem Einvernehmen. Man sieht sich, spätestens beim nächsten Paket.
Mittlerweile frag‘ ich mich: Warum war SIE eigentlich nicht sauer, dass ICH sie nicht gegrüßt habe?
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4 Kommentare zu „Sie hat mich NICHT gegrüßt!“.