Claudia am 19. Dezember 2016 —

Von der Sinnfrage: „Philosophie zwischen Heroin und Vitamingetränk“

Der spritzige Teil des Titels ist nicht von mir, sondern von Gilbert, der grade auf Geist und Gegenwart den großartigen Artikel „Im Zeitalter der vollendeten Sinnlosigkeit“ veröffentlicht hat. Hier das komplette Zitat:

Geist und Gegenwart„Wir alle haben heroische und eher pragmatische oder auch melancholische Seiten in uns und so ist es auch in der Philosophie. Es gibt eine heroische Tradition, die das Oberflächliche, den Alltag und das Durchschnittliche des Menschseins nicht erträgt. Ihre melancholischen Gegenspieler sagen aber, dass gerade in diesem Ertragen und trotzdem Weitermachen die eigentliche Leistung des Menschseins läge. Die pragmatischen Gegenspieler der heroischen Philosophie finden hingegen, dass die Oberfläche ohnehin der einzige Ort sei, an dem wir leben können. Das Wühlen in den metaphysischen Tiefen halte uns nur davon ab, ein wenn auch nicht immer erfülltes, so doch wenigstens erträgliches Leben zu führen. Das ist in etwa die Bandbreite der Philosophie zwischen Heroin und Vitamingetränk.“

Selten schafft es jemand, die philosophische Debatte über ein so großes Thema wie die Frage nach dem „Sinn des Lebens“ in einem nicht mal besonders langen Absatz so stimmig auf den Punkt zu bringen. Bin begeistert!

Philosophische Artikel geraten ja oft recht akademisch, geschrieben für Insider, denen man anmerkt, dass sie von den Fragen, die sie behandeln, selbst schon lange nicht mehr umgetrieben werden. Nicht so Gilbert, man spürt sein Engagement, wenn er die großen Linien der Antworten auf die Frage nach dem Sinn nachzeichnet: Vom Tod Gottes bei Nietzsche über Heideggers „großes Sein, das nach dem Dasein verlangt“ (was ja schon katastrophal endete!) hinein ins „Zeitalter der vollendeten Sinnlosigkeit“ und zu Sloterdijk, der beklagt, wie sich heutige Menschen von der Metaphysik und der Selbstbesinnung „mit aufklärerischen, touristischen und informatischen Mitteln“ entlasten.

Was Gilbert dieser Kellerralley der Sinnsucher entgegen stellt, lest Ihr in der zweiten Hälfte seines Artikels. Dort finde ich auch meine persönlichen Antworten wieder – hätte ich die nicht irgendwann gefunden, gäbe es dieses Blog nicht!

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Diskussion

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47 Kommentare zu „Von der Sinnfrage: „Philosophie zwischen Heroin und Vitamingetränk““.

  1. Praktische Philosophie mit Tiefgang und Einladung zum Mitmachen !

  2. Ich weiß zwar nicht wer jetzt genau den Artikel geschrieben hat, aber sehr genossen! Lg und werde weiterhin hier rumstöbern ;)

  3. Hi Lagrine: sowohl am Anfang und am Ende nenne ich Gilbert als Autor – zudem verlinke ich gleich im ersten Absatz auf sein Magazin und im letzten noch einmal. Mutet mich seltsam an, wie man das missverstehen kann..-?

    Freut mich aber, dass es dir hier gefällt!

  4. Sie erwähnen bürgerliche Philosophen (oder sind es gar Ideologen) wie Nietzsche oder Heidegger. Heidegger stammte aus reaktionären Kreisen, so verwundert seine Begeisterung für den Faschismus deutscher Prägung nicht. Jedenfalls beschäftigen sich viele deutsche sogenannten Philosophen letztendlich mit Fragen nach dem Sein und dem Sinn aus bürgerlicher und kleinbürgerlicher Sicht. Ich formuliere es mal ganz salopp: Leute, denen es gut geht und die ein Zuviel an unnützer Zeit haben denken über die Sinnlosigkeit nach. Dabei ist das Leben doch recht einfach. Ich finde die Philosophen vollkommen überflüssig, die komplette Welt ist erklärbar mit marxistischen Methoden. Sie ist historisch materialistisch ableitbar. Wozu brauchen wir dann frauenfeindliches krudes Nachdenken a la Nietzsche? Oder gar pseudolinke Vielsülzer wie den allgegenwärtigen Zizek?

  5. @Thilo,

    es ist jedem frei gestellt, sich für Philosophie zu interessieren oder auch nicht. Wie viele junge Menschen bin ich schon in Teeny-Jahren aufgrund diverser Unzufriedenheiten auf der „Suche nach dem Lebenssinn“ gewesen – und zwar als Individuum, nicht als „Klasse“.
    Meine erste längere Beziehung (mit 14, 1968!) war ein 18-Jähriger, der gerade Anschluss an K-Gruppen gefunden hatte und mir erzählte, „wir Arbeiter“ müssten Revolution machen und das sei es dann. Er wurde dann auch noch Maoist und meinte, es wäre besser, wir würden alle diesselben Kutten tragen.

    Das alles hat mir erstmal nicht gerade Lust auf Marxismus gemacht: weder wollte ich „Arbeiter werden“, noch hatte ich Bock auf blaue Anzüge… :-)) (In der Rückschau witzig, weil damals grade „schwarze Lewis“ angesagt waren, die wir alle trugen)

    Kurzum: Mit Begriffen wie „bürgerlich“ im Unterschied zu „proletarisch“ etc. kann ich nicht wirklich was anfangen. Mein Vater war ein kleiner Angestellter und zeitlebens hatte ich weniger Einkommen als ein Facharbeiter. Mehr „überflüssige Zeit“ zu haben, in der ich nicht ohne Sinnempfinden für XYZ malochen muss, empfand ich immer als Erfolg. Entschied mich immer wieder freiwillig gegen eine Angestelltenvita, obwohl es mehrfach Gelegenheit zum Einstieg gab. Nahm dafür Unsicherheit, prekäre Jobs, und Verzicht auf großartiges Hab & Gut gerne in Kauf. Wogegen die „Arbeiter“, die ich mitbekommen habe, in den 70gern und 80gern Häuser bauten und fette Autos kauften – aber ich bin offenbar „bürgerlich“ bzw. fast schon ein „Bonze“. Keine Ahnung, was das soll, tangiert mich im Grunde ja nicht.

    Der „historische Materialismus“ und die verschiedenen Formen des Marxismus haben m.E. bis heute nicht dazu beigetragen, dass die Welt in Ordnung kommt. Obwohl es doch etliche Regime gab, die sich darauf beriefen, allerdings mit ihren Taten nicht grade zum positiven Ruf dieser Ideologien beigetragen haben, vorsichtig gesagt.

    Wirtschaftsanalysen von Marx nehme ich ein Stück weit aus – aber den Finanzkapitalismus hat er auch nicht vorausgesehen und was aus alledem folgen soll, bleibt unklar. Bis heute. Nirgends ist eine Alternative in Sicht, nicht mal als Idee!

  6. @Claudia: danke für die Antwort. Sie hebt sich von den Dingen, die mir von denjenjgen, die sich mit dem existierenden Kapitalismus identifizieren und mit Halbwissen glänzen positiv ab. Deswegen lohnt es sich, darüber nachzudenken. Ich meine das weder sarkastisch noch ironisch. Ich habe eine ähnliche Vita, komme aus dem reaktionärsten Kreisen unseres Landes, dem kleinen Beamtentum. Mein Vater meinte, alles seines erbärmlichen Lebens verdanke er der herrschenden Klasse und der CDU.
    Ich würde gerne über Ihre Worte nachdenken und mich zu einem späteren Zeitpunkt äußern. Ich bin leider chronisch krank, deswegen kann ich nicht immer so funktionieren, wie ich gern möchte.

    Für meine Worte auf Duckhome, durch die Die sich persönlich beleidigt gefühlt haben, entschuldige ich mich. Es war nicht meine Absicht, Sie anzugehen.

  7. im grössten unsinn den eigentlichen sinn zu entdecken ist eine leidenschaft, die kostenlos und völlig unverbindliche jedwedem zweibeiner anheim gestellt ist. dabei ist der ganz grobe unfug „leben“ nur ein aspekt einer langen reihe von elementaren begrifflichen grundsubstanzen, die einem wie mir die vollkommene sinnlosigkeit allen seins gnadenlos täglich, stunde um stunde mit aller verfügbarer klar-und eindeutigkeit vor die füsse wirft. wer bin ich, dass ich solcherlei dadaanaergeschenke nicht zu würdigen wüsste?, ja, immer her damit, mehr davon und das bitteschoen in einer unaufhörlichen flut aus den üblichen kinkerlitzchen wenns geht gemischt mit gelegenlichen higlights
    aus dem ganz grossen ramschwarenladen gesellschaftlicher konsenstheoreme.

    existierendes ist sinn frei?

    ganz grosses nein von mir, einem der auszog, das fürchten lernte und gereift, gealtert, geschwächt aber ungebrochen freiwillig in die tretmuehle
    geregelter umstände zurückgekehrt ist. im grunde ist es doch so, dass wir alle zumeist aus unserem erkenntnishorizont heraus den rest der welt betrachten, beurteilen unsere meinung darueber zurechtfrickeln und gelegentlich mit anderen wesen dieser gemeinschaft von erwachsen gewordenen halbwilden in austausch treten. nichts was wir anfassen können, begreifen können verstehen können ist sinnfrei.
    es wäre schlicht und einfach eine zu grosse Verschwendung von ressourcen jeglicher art. als materialisten, als die wir fraglos alle zu gelten haben, kann unser tun und lassen nicht von den motivationen, die uns trieben hierher zu gelangen, gesehen beurteilt werden, sondern sollte tunlichst in den ergebnissen, im bestand, im IST unserer welt um uns herum klassifiziert werden. Nichts von all dem was ist kann sinnfrei sein.
    schon garnicht die lebenslängliche aufgabe mit dem eigenen dasein den rest der welt zumindest ein klein wenig erträglicher zu gestalten (dahingestellt, für wen oder was).

    hier der wahrheit zur ehr: mir persönlich gehen die ganz grossen zusammenhänge längst aav, was mir lieb und teuer ist, sind die direkt von mir erleb, erfahr-und veränderbaren verhältnisse, die ich begrifflich und dinglich nachvollziehen kann. also ein idiot mit überzogenen moralvorstellungen? nein:)
    ein narr in einem haus mit von aussen tapezierten wänden, eher.

    unsortierte gruesse aus dem remstal
    i.m.-

  8. @Thilo: danke! Es ist immer toll, wenn man wieder zu einer normalen Gesprächsbasis findet! Sie können jederzeit hier schreiben, es geht etwas entschleunigter zu als sonstwo. :-) Mein Vater war wenigstens SPD-Wähler, der ich auch zu verdanken habe, dass ich (per Bafög) studieren konnte.

  9. @Ingo: danke auch dir für deine fetzige Einlassung! :-) Das beklagte „Sinnfreie“ des Daseins bezieht sich wohl meist auf dessen Vergänglichkeit. Wenn nach X Jahren nichts mehr an mich erinnert – ja wie sinnlos ist das Leben und Streben dann insgesamt?
    Insgeheim, bewusst oder unbewusst, liegt uns der Drang nach Ewigkeit, nach Erlösung vom Tod etc. wohl in den Genen. Das bezieht sich nicht nur aufs Große & Ganze, sondern auch im Detail: am liebsten will man jegliche Problematik gerne endgültig lösen. In der Produktion hat das zu einst hohen Qualitätsstandards in der deutschen Industrie geführt – mittlerweile ist Langlebigkeit ein Hindernis auf dem Pfad des Wachstums, Gebäude werde in überschaubaren Zeiträumen zu Müll (und nicht mehr zu attraktiven Ruinen), und im Consumer-Bereich kann man froh sein, wenn ein Gerät oder gar eine Klamotte ein Jahr lang hält. Einziger Sinn des sinnlosen Ressourcenverbrauchs: weiter so!

    Und wie immer schafft es der Kapitalismus, aus jeder Kritik an den Verhältnissen ein neues Produktespektrum zu generieren: „Es gibt sie noch, die guten Dinge“ – für Besserverdiener, die für einen „Brotkasten Walnussholz“ mal eben 139 Euro ausgeben. Bekommen dafür Sinn satt: was für ein gutes Gefühl, sich mit ausschließlich „wertigen“ Dingen zu umgeben!

  10. hallo berlinerin:)
    für mich ist der sinn der dinge nicht das selbe wie der wert der dinge:)
    und so lange ich die wahl zwischen vitamingetränk, kaffee und/oder Heroin habe, werde ich gewohnheitsmaessig dieses dunkle heissgetränk arabischer oder südamerikanischer herkunft bei weitem allem anderen genussmitteln vorziehen.

    der sinn der dinge ist,- wie du, vermutlich vollkommen zurecht, andeutest,
    der kitt, der die gesellschaften zusammenhalten soll. unbesehen von der sichtweise, marxistisch oder kapitalistisch: gesellschaften unserer bauart
    (zweibeinig, selbstbeweglich mit freiem willen ausgestattet usw usw) brauchen diesen ganzen, im grunde nutzlosen firlefanz um jahr für jahr in der bilanz ein „positives wachstum“ und damit die ureigenste extistenzberechtigung in der jeweiligen gesellschaftsordnung zu beweisen.

    ob diese behauptung dem derzeitigen philosophischen Stand der dinge entspricht, weiss ich nicht, ist mir im grunde auch eher zweitrangig wichtig, da die akademischen zirkel sicherlich innerhalb ihrer speziellen argumentenwelt darüber ausführlichst beraten haben (:)) und die offizielle Stellung der „Philosophie heute“ unerschuetterlich auf den efenbeinernen fundamentresten ehemaliger riesiger lichtgestalten selbstgenuegsam zur ruhe gekommen ist.

    es ist einfach,“alles ist sinnlos“ zu schreien, „gott ist tot“, „du hast auch lebenslänglich, nur draussen“ und solcherlei ueberaltertes gewäsch auch noch länger als 5 minuten ernsthaft zu ueberdenken, vor diesem fragenkatalog standen die freigestellten denker schon zu sokrates zeiten.

    fuer mich zaehlt eher was heute ist, was ein pfund kaffee im gegenwert zu einer stunde arbeit bedeutet, was es wert ist, den buckel krumm zu machen für anderleuts wohlergehen. kann ich mir aus dem gegenwert meiner geleisteten arbeit die wertigen dinge beschaffen, die ich vermutlich tatsächlich brauchen könnte oder bleibe ich mit meinem einkommen weiterhin in der aldiliga der üblichen beschissenen?
    das ist ein wertekomplex der einer näheren untersuchung durchaus wert waere, keine ahnung ob sich die offiziellen philosophen mit solcherlei kleinkram herumärgern oder wichtigeren fragen, die weit weit über den alltag hinausragen hinterherhinken.

    durch meinen umzug bin ich aktuell um sehr viele dinge (werkzeuge, einrichtungen, wohnung etc ) „ärmer“ geworden, muss den ganzen tinneff der sich noch an meinem alten aufenthaltsort befindet irgendwie „loswerden“ und das zu einem für mich vertretbaren wirtschaftlichem gegenwert, ein vorhaben, das mich zur zeit nachts nicht ruhig schlafen lässt, d.h.: ich selbst bin nicht frei vom wert der angesammelten gegenstände und mein weiteres vorgehen ist nicht frei und selbstbestimmt sondern wird zu einem grossen teil vom wert der entfernten dinge bestimmt. gordische knoten waren mal mit einem einzigen schwerthieb zu lösen, aber das war zu einer zeit als legenden noch zu erzählungen taugten, heutzutage sind legenden nichts weiter als restbestände ehemaliger sinnvoller verhaltensweisen die gerade mal zu fernsehserien als vorlage taugen oder in animierten trickfilmen marktgerecht unter die leute gebracht werden.

    steckt wirklich ein sinn hinter all dem?
    ist da draussen jemand, der ausgerechnet mich auf dem kieker hat und durch beständig steigende ansprüche und vermehrtem druck und vermalmedeiten umständen auf trab hält, gespannt, wann ich aufgebe, „alles sinnlos“ schreie und mich nach sonstwohin, wo immer dieses unsinnsgebilde keinen einfluss hat verziehe?

    keine ahnung, sehe mir den sternenhimmel an, lächle über die idee, es wären nadelstiche und finde dann doch noch endlich die notwendige ruhe für angenehmere dinge.

    weitere gruesse aus dem remstal
    i.m.

  11. Liebe Claudia, wenn es auch eher in deinen anderen Beitrag gehört, wünsche ich dir an dieser Stelle hier „fröhliche und friedvolle Weihnachten“. Und mit Freude denke ich darüber nach, wie oft wir beide uns das schon wünschen durften und hoffe, das wir beiden blogger das noch viele, viele Jahre weiterhin aufrecht erhalten dürfen.

    Deinen Austausch mit @Thilo finde ich sehr interessant und möchte mich auch noch gerne mit einem Kommentar dazu beteiligen. Das gute an diesem Thema ist ja, dass es zeitlos ist und so keine wahnsinnige Eile geboten ist.

    Chag Sameach!

  12. Auch dir, Menachem, alles Gute und ein fruchtbares 2017!
    @ Claudia, du bist so untriebig wie eh und je, bloggst über dies und jenes, es ist schon jetzt spannend, was als nächstes kommt :-)

  13. @ingo, manchmal verstehe ih nichts davon, was dich umtreibt. Die „unsortierten“ Gedanken würde ich selbst sortieren, damit andere leichter daran teilhaben können. Sonst wirkt das wie ein Adernlass….sorry…und gute Zeit im neuen heim!

  14. Hey, freue mich sehr über Eure Kommentare – so inspirierend! Und danke für die Blumen! :-)

    @Ingo: oh verdammt, du musstest umziehen? Gerne kannst du mich mal anrufen, um über die philosophischen,juristischen/behördenfront-technischen und psychosozialen Folgen & Zwänge zu plaudern. Manchmal hilft ein menschlicher Spiegel zur eigenen Klärung.
    Und hey, die Probleme sind mir nicht unvertraut, wenn ich auch persönlich nicht zu jenen gehöre, die eine Werkstattlanschaft belebt haben. Dafür ist bei mir online ganz Ähnliches zu spüren, dieses Hängen an diesem und jenem – zum Glück ist online wenigsens der Platz nicht knapp und die Miete billig. :-)

    @Menachem; ja, den Austausch mit Thilo finde ich auch spannend. Es hat seinen guten Grund, dass ich dieses andernorts „aneinander geraten“ nicht verlinke. Ich hab’s nicht wirklich persönlich genommen, wollte aber auch nicht als undefinierte Projektionswand für allerlei Ressentiments dienen – jedenfalls nicht unwidersprochen. Dass meine Einlassung dazu geführt hat, dass Thilo hierher fand und die Gelegenheit wahrnimmt, „ganz normal zu diskutieren“ find ich großartig – und es sagt etwas über meine Wahrnehmung des Zeitgeistes, wenn ich so eine (früher gefühlter Standard gewesene) Reaktion schon toll finde.

    Ist sie aber! Wir benutzen uns dauernd gegenseitig als Projektionsflächen, denken in Schubladen, weil es angesichts der Masse an zu verarbeitenden Inputs gar nicht ander geht. Und nicht erst seit IT oder Internet: wer mal wie ich in der leichtsinnigen Jugend LSD getestet hat, weiß, dass da schon „vorab“ ungemein viele Filter ihren Dienst tun, die uns geistig auf das konzentrieren, was „für uns wichtig“ ist. Und was das ist, entscheidet nur im geringsten Fall die Ratio….

    @Gerhard: hmmmm… ich finds ja schon schade, dass zu dem recht aufwändigen Weihnachtslieder-Posting niemand was sagt. Ich vermute, dass liegt daran, dass meine Leser mehrheitlich männlich sind. Klischee: gibt weniger gern zu, wovon er im Herzen gerührt wird…
    Oder: ich hab es halt zu langweilig präsentiert!

  15. Danke dir, Gerhard, es steht schon wieder alles auf START! Also, auf ein Neues und ich wünsche dir ein gutes Händchen für das neue Jahr 2017!

  16. @Claudia, das Thema Weihnachtssongs interessiert mich einfach nicht. Nicht etwa weil ich nicht gefühlsarm wäre oder sie nicht ausdrücken mag. Mich interessiert auch zb. Pop nicht besonders und ich würde nie auf die Suche gehen, welche Songs eine besondere Qualität haben. Zweifelsohne gibt es auch da vortreffliche Songs, aber ich will da erst garnicht suchen.
    Das ist eigentlich alles dazu

    Stellt dich das zufrieden?

  17. @Gerhard: hey, das ist völlig ok! Hab heut früh glatt bedauert, sowas hingeschrieben zu haben! Der Blogpost hat auch ohne Kommentare seinen Sinn gehabt, denn er gab mir einen Grund, bei der Stange zu bleiben und mir Gedanken zum Thema zu machen. Und mittlerweile hatte ich auch einen schönen Nachmittag mit einem guten Freund, dem ich Text und Beispiele zu Gehör brachte – hat gefallen! :-)
    Und deutlich mehr Abrufe als sonst in diesen stillen Tagen gab es auch…

  18. https://www.youtube.com/watch?v=e3gTGTEWGWc&spfreload=10#t=859.951026

    als empfehlung um dann im anschluss nochmal über die sinnlosigkeit allen seins nachzudenken. wir leben in einem globalen kapitalismus, unentrinnbar sind wir alle ausnahmslos den unsichtbaren ketten, drähten, fäden ausgeliefert und wenn wir uns noch so unabhängig fühlen, wir sind längst zu opfern einer globalen struktur geworden.

    das ist die grosse klammer die alle anderen lebensverhältnisse als äeussersten tellerrand begrenzt.
    mir wird manchmal speiübel wenn ich im detail mal nachsehe, wo ich in dieser nahrungkette angesiedelt bin. um dieses unwohlsein nun nicht als persönliche angelegenheit zu betrachten und hier zur schau/zur diskussion zu stellen, versuche ich eben die nicht nur meine person betreffenden zustände näher zu betrachten, eben als „nicht personenbezogenen allgemeinen gesellschaftszustand“. ein unterfangen, das , wie gerhard durchaus treffend

    @ingo, manchmal verstehe ich nichts davon, was dich umtreibt. Die „unsortierten“ Gedanken würde ich selbst sortieren, damit andere leichter daran teilhaben können. Sonst wirkt das wie ein Adernlass….sorry…und gute Zeit im neuen heim!

    als unverständlich, nicht nachvollziehbar bezeichnet hat.es ist schwierig die eigene person so ins thema einzubinden, dass nicht spezielle umstände, die nur diese person betreffen, sondern mehr eine allgemein zutreffende wirklichkeitsbeschreibung als ergebnis dabei rüberkommt, sorry, muss ich wohl nochmal in die werkstatt damit:)

    gruss von der rems
    i.m.

  19. @ingo (und z.T. @Thilo Triehl)

    Was an euren Kommentaren zuerst auffällt, ist, dass ihr eure Meinung zum Gesagten kund tun möchtet, ohne euch die Mühe gemacht zu haben, das Besprochene überhaupt zu lesen (leider ist das in Zeiten von Facebook sehr verbreitet). Hauptsache eine möglichst prägnante Meinung, wissen muss man dazu nichts.

    Aber ganz sachlich: „Gott ist tot“ schreit ja heute niemand, dass ist nur eine Abkürzung für die große Frage, was es für uns und unsere Gesellschaften heißt, wenn der spirituelle Zusammenhalt, die Traditionen und Jahrhunderte alte als selbstverständlich geltende Werte verloren gehen. Das ist doch eine ganz legitime und aktuelle Frage, die sogar ganz direkt an deine Fragen rührt wie:

    -„was heute ist“
    -„was ein pfund kaffee im gegenwert zu einer stunde arbeit bedeutet“
    -„was es wert ist, den buckel krumm zu machen für anderleuts wohlergehen“
    -„kann ich mir aus dem gegenwert meiner geleisteten arbeit die wertigen dinge beschaffen, die ich vermutlich tatsächlich brauchen könnte“
    -„steckt wirklich ein sinn hinter all dem?“
    -„ist da draussen jemand, der ausgerechnet mich auf dem kieker hat und durch beständig steigende ansprüche und vermehrtem druck und vermalmedeiten umständen auf trab hält“

    Dies sind alles deine Fragen und alle hoch philosophisch. Die Zusammenhänge zwischen diesen Jahrtausende alten Fragen und der Gottes- oder Wertefrage sind immer da gewesen und eigentlich in jeder Zeit, auch heute, aktuell.

    Mir fällt auf, wie du (genauso wie Thilo Triehl) pauschal alle Philosophen aburteilst. Mit Verlaub: Das können nur Menschen tun, die keine Berührung mit der von ihnen verurteilten Philosophie und deren Philosophen haben und sie v.a. nicht aktiv suchen. Ihr könnt nicht wissen, was ihr nicht wisst. Um euch wirklich ein Urteil erlauben zu können, würde es euch gut anstehen, wenigstens mal die Nase rauszustecken und den einen oder anderen Philosophen zu lesen. Ich denke da an Alain de Botton, Svenja Flaßpöhler, Peter Sloterdijk, Rahel Jaeggi oder Thea Dorn – die und viele andere, auch akademische Philosophen sind nicht nur sehr verständlich, sondern auch höchst aktuell. Wer also hier auf einen vermeintlichen Elfenbeinturm schimpft, hat sich wohl eher selber unter die tägliche Erde seiner Ignoranz eingegraben. Kein Philosoph wird sich euch aufzwingen, ihr müsst sie schon selbst suchen. Und wenn ihr kein Interesse habt, dann ist das auch ok, aber die Verurteilungen sind dann nicht ok.

  20. @Ingo: hab mir den Film angeschaut, ja, es ist zum Kotzen! Ich kauf zwar keine Billig-Shirts, bin mir aber bewusst, dass dieser individuelle Protest nahezu nichts ausrichtet.

    @Gilbert: danke für dein Verteidigung der Philosophie. Eine Totalverdammung hab ich aus Ingos Statement allerdings nicht heraus gelesen – eher eine Enttäuschung, insbesondere über die akademische Philosophie, die – gefühlt! – lange Zeit um sich selbst kreiste und kaum mehr zu Aktuellem etwas beitrug. Das hat sich in meinem Empfinden seit einigen Jahren etwas verändert, doch leider komm auch ich nicht mehr dazu, dicke Bücher zu lesen. Umso wichtiger sind Projekte wie „Geist und Gegenwart“, die Philosophie in online rezipierbare Form bringen!

  21. Ich möchte mich wider meines obigen Kommentares nicht mehr an einem weiteren Gedankenaustausch hier beteiligen, um mich nicht in die Gefahr zu bringen, auch in einen Facebook Jargon zu verfallen. Sollte es allerdings eine Entschuldigung von Gilbert geben, so wie ich sie von Thilo hier gelesen habe, könnte ich wieder dabei sein.

    Bei mir ist es so, wie es ist, und deine sprachliche Gewandheit, liebe Claudia, wird nie in meine Reichweite gelangen. Und deshalb möchte ich deine Worte hier zitieren, in welchem ich jedes als das meine bekenne:

    „– eher eine Enttäuschung, insbesondere über die akademische Philosophie, die – gefühlt! – lange Zeit um sich selbst kreiste und kaum mehr zu Aktuellem etwas beitrug.“

    Ich glaube, auch wenn das jetzt keine wirklich philosophische Frage ist, könnten Philosophen vielleicht dennoch eine Antwort darauf finden:
    „Warum ist das so?“

  22. Gilbert von Geist und Gegenwart heute, 12:30 (Zitatlink)

    @ingo (und z.T. @Thilo Triehl)
    Was an euren Kommentaren zuerst auffällt, ist, dass ihr eure Meinung zum Gesagten kund tun möchtet, ohne euch die Mühe gemacht zu haben, das Besprochene überhaupt zu lesen (leider ist das in Zeiten von Facebook sehr verbreitet). Hauptsache eine möglichst prägnante Meinung, wissen muss man dazu nichts.

    mit einer mir nicht nachvollziehbaren gewissheit verkündest du hier mein todesurteil. peng klappe zu affe tot.
    ABER:
    1. ich habe deine website ziemlich lange gelesen,
    2. ich lese diese website hier schon sehr lange mit
    kommentiere gelegentlich wenn ich der meinung bin, dass dies irgend?eine art von sinn ergibt.
    3. wie kommst du darauf mich mit facbook in verbindung zu bringen?
    4. wenn mein versuch meine meinung so klar und unpersonalisiert wie möglich zur schau zu stellen
    gerade mal dazu ausreicht ein „ich bin auch da“ wenn auch vollkommen ahnungslos, von lebenserfahrung ganz zu schweigen;– bildchen in deinem geistigen wahrnehmungsschema hinterlässt, tja, dann ist für mich
    zunächst mal hopfen und malz verloren.

    immerhin ich danke für deine sehr detaillierte meinungsäeusserung zu meiner meinung die deiner ansicht und auffassungsgabe gemäss nicht weiter bedeutet als ein weiterer furz an einer chinesischen gardinenstange.

    auf deiner website klingst du etwas anders, deine wortwahl, argumentation und themenzusammenstellung ist durchaus lesens und beachtenswert. wie kommt es nur dass du hier
    in anderen gefilden nicht mit deinen eigenen hausschuhen antrittst? .. und dann auch noch gleich mit gummistiefeln..
    `
    ich habe nicht sehr viel gelernt, abgesehen von ca 2-3tausend
    gelesener philosohischen texten (die alten aus dem offiziellen kanon), ein paar neue, aber in letzter zeit nichts mehr von all dem wegen augenproblemen.
    jetzt habe ich endlich begriffen, dass ich nicht auf den schultern von riesen reise sondern schlichtweg ein riesenrindvieh auf reisen bin.
    -seufz-
    man kann eben nicht wirklich immer alles haben,
    sei gegrüsst und mögest du weiterhin in interessanten zeiten leben.

    gruss aus dem remstal
    i.m.

    ps:
    sorry claudia, wenn das obige zu unpassend für deinen salon hier ist, lösch das einfach:)
    musste meiner meinung nach nur mal eben von mir gesagt werden und hat selbstredend keinerlei anspruch auf schöepfungshöhe:)
    werde mich lieber etwas mehr zurückhalten
    da ich ebenso bin wie ich bin und nicht anders kann, selbst wenn ich wollte:)

  23. @Ingo, nein, das lösche ich nicht! Noch folge ich der Idee, das die Dinge geklärt werden können.
    @Menachem: hey, wenn DU dich nicht mehr hier äußerst, triffst du mich weit mehr als Gilbert. Also bitte.. nicht gleich das Großgeschütz!

    Ingo fragt Gilbert ganz zu Recht:

    „…auf deiner website klingst du etwas anders, deine wortwahl, argumentation und themenzusammenstellung ist durchaus lesens und beachtenswert. wie kommt es nur dass du hier in anderen gefilden nicht mit deinen eigenen hausschuhen antrittst? „

    Das kam so: ich hatte grade Ingos langen Kommentar gelesen, in dem stand:

    der sinn der dinge ist,- wie du, vermutlich vollkommen zurecht, andeutest, der kitt, der die gesellschaften zusammenhalten soll. unbesehen von der sichtweise, marxistisch oder kapitalistisch: gesellschaften unserer bauart (zweibeinig, selbstbeweglich mit freiem willen ausgestattet usw usw) brauchen diesen ganzen, im grunde nutzlosen firlefanz um jahr für jahr in der bilanz ein „positives wachstum“ und damit die ureigenste extistenzberechtigung in der jeweiligen gesellschaftsordnung zu beweisen.
    ob diese behauptung dem derzeitigen philosophischen Stand der dinge entspricht, weiss ich nicht...

    …und dachte mir: da könnte doch vielleicht Gilbert was dazu sagen…- und hab ihn auf Twitter eingeladen:

    „hier wird gerade „der Stand der Philosophie“ nachgefragt. Vielleicht weißt du was dazu?“

    mit Link zu Ingos Zitat.

    Nun ist Gilbert kein Stammleser hier, guckt nur gelegentlich mal, wenn es einen direkten inhaltlichen Zusammenhang zwischen unseren Blogthemen und Kommentargesprächen gibt – hat als frischer Vater gar nicht die Muße, bei allem, was er sonst noch so weiter macht.

    Ich vermute also: er kam her, las nur Ingos Kommentar und darüber noch die kurze Totalvernichtung der Philosophie von Thilo – und „stürzte sich in den Kampf“… in der (falschen) Meinung, ich hätte ihn gerufen, um mir beizuspringen!

    Das ist ja auch keine ganz entlegene Vermutung, wenn man den Blogartikel (Empfehlung SEINES Blogs, Lanze gebrochen für Philosophie) isoliert wahrnimmt und darunter diese Philosophie-verdammenden Kommentare – und ansonsten keine Ahnung hat, wer hier mit welchen Backgrounds wie lange schon über welche Themen in welcher Weise miteinander diskutiert!

    Das wäre vor 15 Jahren „per E-Mail“ vermutlich nicht passiert. Damals hätte ich ein paar mehr Worte verloren über das laufende Gespräch und seine Teilnehmenden – und dabei sicher auch deutlich gemacht, WAS ich mir eigentlich wünsche, indem ich ihn zu einem Statement einlade.

    Es ging mir ja nicht um „mehr Kommentare“ und schon gar nicht fühlte ich mich als streitende Partei. Ich hatte einfach die Vorstellung, Gilbert könne besser als ich ein paar Brücken schlagen von Ingos Frage zu heutigen Philosophierenden. (Die sich ja durchaus engagiert mit aktuellen Problematiken befassen und z.B. ihre Erkenntnisse in recht einfache – um nicht zu sagen volksnahe – Worte kleiden wie „Du musst dein Leben ändern!“). In der auf Twitter gebotenen Kürze, zudem in aller „Öffentlichkeit“ (nämlich jener Menschen, die sowohl ihm als auch mir folgen) geriet meine Einladung so unspezifisch, dass man sie nach kurzer Sichtung der Sachlage durchaus als „Einladung zum Beispringen“ missverstehen konnte.

    Dass so gemütliche Gespräche, wie sie hier ab und an stattfinden, inmitten der weitgehend verkommenen Kommentarkultur gar nicht mehr erwartet werden, trägt auch dazu bei, dass jemand nicht „die heimischen Hausschuhe“ anzieht, sondern eher die festen Boots…

    Wir können jetzt einmal mehr anprangern oder bedauern, dass die „virtuelle Kommunikation“ eben viel defizitärer ist als das „reale Leben“. Wenn wir alle um einen Tisch säßen, könnten wir sicher blendend und inspiriert diskutieren – und sogar immer mal wieder anderer Meinung sein, hart an der Sache diskutieren, dazwischen rumwitzelen.. alles in bester Stimmung.

    Aber: Euch hab ich nun mal nicht um mich in meinem physischen Leben – wäre es denn besser, wenn wir – wie früher – gar nicht die Gelegenheit hätten, miteinander ins Gespräch zu kommen? Gar über Jahre immer mal wieder… Für mich ganz klar: nein!!!!!!!!!!

    Also bitte ich Euch: Lasst nicht nach im Versuch, zur Verständigung zu kommen – auch wenn seltenere Gäste mal nicht gleich den Ton treffen!

    Was uns hier in diesem Thread – natürlich nur in meinem Empfinden – neben dem „Stand der Philosophie“, wie ihn Geist&Gegenwart an Beispielen bespricht, auch interessiert hat, war und ist Thilo. Wie kann jemand heute noch den „historischen Materialismus“ als ausreichend ansehen, um die Welt/das Dasein zu erklären?

  24. @ingo

    Tut mir Leid, ich wollte dich nicht persönlich angehen und der Hinweis auf Hausschuhe dort und Gummistiefel hier ist auf jeden Fall berechtigt (obwohl ich nun andererseits auch niemanden hier beleidige). Ich weiß nicht, wer im einzelnen Facebook benutzt und das ist mir auch nicht wichtig (ich tu es ja selbst), mein Hinweis ist lediglich allgemeiner Natur, dass in „Zeiten von Facebook“ immer weniger Menschen den eigentlichen Text lesen, sondern in Kommentaren immer nur Bezug auf Kommentare nehmen.

    Auch nach nochmaligem Lesen deines Kommentars und ganz besonders nach Lesen deines letzten Kommentars (wo du doch so viele Texte gelesen hast), kommt mir dein Kommentar vor dem Hintergrund des von Claudia besprochenen Textes dürftig vor. Denn der Text macht ja eben diese mögliche Breite der Philosophie auf: von metaphysisch dunkel bis gefährlich über stoisch bis hin zu pragmatisch und lebensnah (was – wer meinen Blog kennt, weiß es – meine größte Sympathie findet).

    Auf diese Bandbreite zu reagieren mit „Leute, denen es gut geht und die ein Zuviel an unnützer Zeit haben denken über die Sinnlosigkeit nach“ (Thilo Triehl) oder anzubieten „solcherlei ueberaltertes gewäsch auch noch länger als 5 minuten ernsthaft zu ueberdenken“ sei unnütz (ingo) wird dem Text und der Philosophie einfach nicht gerecht. Meine gedankliche Reaktion war also „die können das gar nicht gelesen haben, wenn sie so reagieren“.

    Nimm es als meine persönliche Reaktion auf die Kommentare, die keinesfalls ein Urteil über dich oder sonst irgend jemanden persönliches sein kann.

    Und noch einmal an alle in der Runde, insbesondere Claudia: Ich finde den Ton hier bei allen Differenzen äußerst respektvoll und schätze das sehr. Ich will das keinesfalls stören und finde auch meinen Ton im ersten Kommentar nicht beleidigend. Ich anerkenne aber, dass wir uns alle immer zuerst persönlich getroffen fühlen, wenn jemand auf uns reagiert. Das ist bei dieser Art der Kommunikation nicht leicht zu balancieren.

    PS @Menachem: Wieso Sie von mir eine Entschuldigung verlangen kann ich überhaupt nicht nachvollziehen, ich meine, dass ich mich kein bisschen auf Sie oder irgendetwas bezogen hätte, dass Sie gesagt haben.

  25. Deine Hintergrundschilderung ist sehr hilfreich, Claudia. Wobei ich mich nur aus diesem Thema hier zurückziehen möchte. Bei weitem doch nicht aus deinem blog, dafür ist dieses Unikat hier viel zu gut.

    Aber mich wühlen diese Streitigkeiten auf und ich verliere mich dann in der Art und den Unstimmigkeiten der Kommentare. Und dann denk ich mir, nee…., lass los, dass frisst nur unnötige Zeit.

    Dialoge wie sie hier in der Regel geführt werden, ja, da mach ich gerne mit. Die machen Spaß und da kommt auch zumeist was Nachhaltiges für mich raus.

    Nun wünsche ich dir noch schöne Endspurttage.

  26. Vielleicht stellen wir uns einmal in kalmierender Absicht eine klar umrissene und allein deswegen schon mit dem Anschein der Endlichkeit des Bemühens um eine Antwort ausgestattete Frage: Worin sehen wir als hier mehr oder weniger (regel-)mäßig lesende und kommentierende Besucher[…*@!%/®ʥɸ©§۞₡₯☻♀♂innen..] den Sinn dieses unseres (virtuellen) Tuns?

    Ich zum Beispiel bin eine Quasseltante, ich rede, lese und schreibe schrecklich gerne nicht enden wollenden Quark. Das ist wie das Quieken und Jauchzen und Schreien und Lachen von Kindern, die glücklich und zufrieden herum spielen – eine animalische Äußerung, da zu sein, so zu sein, wie ich bin, es zu genießen und dieses Gefühl mitzuteilen. Der erzeugte Sinn biegt sich hier ganz auf sich, das heißt mich als Erzeugerin zurück, aber wenn ich teuren Wein getrunken habe, lalle ich dann manchmal etwas vom homo ludens, das macht einfach mehr her.

    Ich bin rechthaberisch, ich finde gern Fehler und Brüche in den Reden anderer heraus und trompete meine weltbewegenden Entdeckungen dann lauthals (virtuell: gut lesbar) hinaus. Der erzeugte Sinn versteckt sich hier gern vor dem Licht der (Selbst-)Erkenntnis, weil ich mich im Nachhinein sehr oft dieses charakterlichen Mangels schäme. Zum Glück teile ich ihn mit vielen Menschen (nur tun die alle so, als hätten sie ihn überwunden, diese Heuchler), und ich habe schon als ganz junges Ding den Kniff herausgefunden, durch offensiven Umgang mit meinen Mängeln diese in Reichtümer zu verwandeln. Zwar nur scheinbare, aber ist nicht sogar Schönheit nur ein Gespinst aus Täuschung und Schein, ja mehr noch eine besser niemals endende Abfolge von immer neuen, stets nur Hülle seienden Projektionen, auf daß die Schatten des Idealen uns vor dem grellen Licht ihrer Quellen zu schützen vermögen? Ist doch so, oder etwa nicht?

    Ich gebe gern mit dem an, was ich irgendwo aufgeschnappt habe. Und fast alles, was ich über die Welt und das Nachdenken über sie und das Nachdenken über das Nachdenken über die Welt usw. usf. ad infinitum gelernt habe, habe ich irgendwo aufgeschnappt. Selten in dicken Bücher oder in sterilen Labors oder meilenlangen Teilchenbeschleunigern. Zumeist las ich es den Lippen anderer Menschen ab, solcher, die ich bewunderte, liebte, haßte oder verachtete. Der hiermit erzeugte Sinn scheint mir darin zu bestehen, daß ich mich diesen Menschen zugehörig fühlen kann und nicht mutterseelenallein auf der Welt herum geistern muß, wo ich aus dem einfachen Unmittelbaren meine grammatisch anspruchslosen Protokollsätze zu destillieren habe, die letztlich nur beweisen, daß ich über alles, über das ich nichts weiß, besser schweigen sollte, weil das Reden darüber ja gar nicht funktionieren kann.

    Ich wünsche mir oft eine bessere, schönere, freundlichere Welt. Weil all die Welten, die mir aus den Worten, Reden, Taten (und Gefühlen) anderer Menschen entgegen treten, mich häufig deprimieren. Dann tue ich meistens irgend etwas, von dem ich glaube, daß es zumindest meine Welt ein wenig besser, schöner und freundlicher macht. Der erzeugte Sinn hier ist, daß meine Worte, Reden, Taten (und Gefühle) mir dann besser gefallen, wie anderen auch. Und daß ich heimlich darauf hoffe, daß am Tag der großen Abrechnung, also bei meiner nächsten Inkarnation während des jüngsten aller jungen Gerichte, wenn das große Buch des Lebens über mir und wegen mir aufgeschlagen wird und jemand erbsenzählerisch nachschaut, ob ich nun ins Töpfchen oder ins Kröpfchen komme, sich die Waage eher zu meine Gunsten neigt.

    Ich bin nicht heroisch, sondern feige. Auch nicht pragmatisch, sondern stur. Melancholisch schon eher. Rührselig trifft es hin und wieder wohl besser. Meiner (unbescheidenen, weil hier verratenen) Ansicht nach sollten Heroen unbedingt Pragmatiker sein, und Pragmatiker brauchen immer eine gehörige Portion an heroischen Treibmitteln. Warum? Laßt es mich am Beispiel erklären, der Rest folgt durch vollständige Induktion. Nämlich weil z.B. Ariadnes Faden mindestens so wichtig war wie Theseus mächtiger Bizeps, oder das Da(daa)anaergeschenk (Vielen Dank, @ingo, für dieses wunderbare Wort!) so wichtig wie Achilles geiler Fitness-Studio-Body. Und davon zu lesen, rührt halt an uns (und es im Kino zu sehen natürlich an unseren primitivsten Gelüsten), und das nun schon seit mehr als zweitausend Jahren (also nicht das mit dem Kino, oder wenn, dann eher nur im Kopfkino)!

    Wo wir beim Thema sind: ich habe mich (und werde es vermutlich nicht mehr) fortgepflanzt. Von ‚Weitermachen‘ kann also in meinem Fall nur indirekt die Rede sein, so schenke ich etwa den (noch vielleicht formbaren) Kindern meiner Schwester häufig etwas Subversives, damit sie nicht werden wie meine Schwester, oder genauer, damit niemand von mir denkt, ich sei wie sie! Welchen Sinn ich damit erzeuge, weiß ich absolut nicht, das will ich auch nicht wissen, aber solche persönlichen Details lockern einen langatmigen Text wie diesen immer recht nett auf.

    Ich liebe Oberflächen, gerade weil sie Oberfläche von etwas sind, das sich in ihnen verbirgt und zugleich zeigen muß und aus Unzufriedenheit damit zu einem ewigen Kampf Anlaß oder Ursache abgibt. So gesehen betrachte ich die aktuelle Mode immer als praktisch gewordene Philosophie, stehe allerdings mit dieser Meinung (zumindest unter patentierten Philosophen) allein. Was mir wiederum gefällt, da ich gern auffalle, und das geht als einsames Objekt weitaus besser denn als ein x-beliebiger Knoten eines hyperstabilen Netzes, hier zum Beispiel mit der Art, wie ich die aktuelle Mode interpretiere, ohne sie damit (leider) verändern zu können.

    Und ich schweife gern ab. Das erzeugt natürlich keinen Sinn, im Gegenteil, es bringt mir viel Kritik ein und langweilt andere Menschen oft. Wen etwa interessiert schon, warum ich statt Heroin lieber Vitamingetränke zu mir nehme. Aber das ist wiederum eine andere Geschichte, und bevor ich die erzähle, wünsche ich schnell allen Mitdiskutanten und vor allem unserer Gastgeberin Claudia ein glückliches, zufriedenes und gesundes Jahr 2017!

    Happy new year! Buon anno nuovo! Bonne année! Счастливого Нового года! Frohes neues Jahr!

  27. Aber hallo, @Susanne. Du haust hier immer mächtige Pflöcke in den Sand. Da braucht es schon Mut, mittelmäßiges hinter deinen Kommentar zu setzen. Sei`s drum. Dir auch, Happy New Year!

    @Gilbert. Einerseits fehlt mir zu metaphysischen Betrachtungen aus philosophischer Sicht schon vom Grundlagenwissen alles. Andererseits versteh ich dennoch ihre Darlegung zur Nietzsche Interpretation:

    „…was es für uns und unsere Gesellschaften heißt, wenn der spirituelle Zusammenhalt, die Traditionen und Jahrhunderte alte als selbstverständlich geltende Werte verloren gehen.“

    Zu diesen Traditionen zähle ich u.a. Höflichkeit und Respekt. Und wenn nach meinem Empfinden in diesem sehr seltenen Raum hier bei Claudia, wo diese Werte traditionell einen hohen Grad der Anwendung finden, nicht mehr geachtet werden, so bin ich der Meinung, sind wir alle aufgerufen, dafür aufzustehen. Und nicht nur dafür.

    Dies werden nicht alle hier Lesenden so intensiv empfinden wie ich. Jedoch bin ich aus meiner Familie und Erziehung, durch Missachtung dieser Werte, darin sehr geprägt.

    Ihren letzten Kommentar, @Gilbert, betrachte ich persönlich als außerordentlich gute Basis, hier wieder in einen für mich erkenntnisreichen Dialog einsteigen zu dürfen.

  28. ingo

    Ich liebe Oberflächen, gerade weil sie Oberfläche von etwas sind,
    das sich in ihnen verbirgt und zugleich zeigen muß und aus
    Unzufriedenheit damit zu einem ewigen Kampf Anlaß oder Ursache
    abgibt.

    Sinn im unsinn, banditentum einer Realitäet, fernab der Ehrbarkeit geregelter Zeitabläufe urasche und wirkung. die asche aus dem grossen knall schwebt in feinstem staub durch die geschichten der jetztzeit.

    ja, ganz grosses ja zu oberflächen, überschriften, ankuendigungen der tieferen bewandnisse untersamer erneigrisse im ewigen kampf gegen die langeweile der göttlichen nirwanjas.

    das aussen von innen, die schale vom kern der dinge.man möchte ewig leben um alle schattierungen aller aeusserlichkeiten von innen zu sehen.sehen, erleben, begreifen, verstehen.
    einer einzigen überschrift dieser gesellschaft einen einzigen wirklichen tiefer gehenden sinn abzukupfern, in stein zu meisseln und in alle ewigkeit einen triftigen grund zum weitermachen haben.

    aus simplen tippfehlern erstehen vollkommen neue welten, sinnzusammenhänge werden flugs auf denkkopf gestellt,
    geschuettelt, gerührt und „sehe ich so aus als ob mir das was ausmacht“ in den mixer aus wirklichkeitsglas verfrachtet. deckel drauf und siehe da, das raedchen dreht sich.

    cool war glaub das zauberwort das die leut im kino lachen liess beim neuen bond. ich geb ja zu da auch gelacht zu haben, kurz drauf warnes leider diese miesen zwifelsanfälle die mir hieronimusianesiche teufelsanbeterhollywood unter die fusssohlen jubelten, ganz ohne triumphgebruell.

    muede bin ich manchmal ohne sinn, sinn zweck und verstand,
    und schon garnicht fuer einvater land. die risse meiner reaaalitaet
    dicht ich mir mit kaufhauskitt, das gedroehn im schaedel
    macht mich nicht krank, ist ueberschrift.

    wer bin ich, denkich grad, was treibt mich hier warum wozu.
    klaeren kann und will ich eh nicht, wie sollt ich wenn schon immer
    nur die frage, nie die antwort galt? antworten sind fuer unterm strich,
    füers ende, schluss nach feuerabend, kurz bevor der letzte lichtloescher
    fertig.

    was sollte ich auch mit antworten in einer duester dunklen ameisenwelt
    beginnen, wenn alles schon gesehen, gedacht, gesagt, getan ist?

    ich waer nur kopie von vorgestalten, hinge an faeden historischer
    puppenspieler in spe und haette auch nur die rolle einer ueberschrift,
    und wenn sie tausendmal die eigne waer, s waere ueberschrift, die oberflache, unerklaerlich, weiter nichts wie vielvershaltge werbung.

    ich nehm die 42, die macht freude, hat inhalt, form und nach aussenhin gestorbnen, autor- krakataoeske kraft der explosiven grundgedanken, welt ist was noch nicht erfunden ist, und jede antwort traegt zwei neuefragen. nein, hydra war mir schon bei schwab suspekt.

    aus:
    ingos kleine nachtmusik
    traktat über den sinn

    gruss aus dem remstal
    i.m.

  29. Hallo Ihr Lieben, die Arbeitswelt hat mich wieder im Griff, deshalb erst jetzt:

    @Susanne: hab Dank für diesen wunderbar geschwätzigen, dabei unterhaltend und inspirierend hier eingeschriebenen Text! Ja, mit den eigenen Mängeln offensiv umgehen – das ist das Beste, was man machen kann. „Das Brett vorm Kopf zur Lache machen“… und du machst das wie immer brilliant!
    Hier aber versteh ich etwas nicht:
    „Wo wir beim Thema sind: ich habe mich (und werde es vermutlich nicht mehr) fortgepflanzt. „
    Hast du nun und wirst nicht mehr? Oder fehlt da ein „nicht“?

    @Menachem: so gehts mir auch immer, wenn ich nach Susanne was schreibe… :-) Freue mich ansonsten, dass du dich „hier“ wieder wohl fühlst!

    @Ingo: Wow, was für ein Kommentar! Mit „Traktat über den Sinn“ knüpfst du stilistisch an große, „netzliterarische“ Zeiten an. An die eigenwilligen Schreibweisen hab ich mit lange gewöhnt und ecke da gar nicht mehr an, und wenn doch, nehme ich sie als „Denk-Anstöße“!

    Ach, der Sinn… bei mir ist die Frage ziemlich außer Sicht geraten, insbesondere, seit ich einen Garten begärtnere. Da fühle ich mich im Dienst einer sinnvollen Sache und erlebe ein organisches Ineinander Fließen von Entspannung / Faulenzen / Plaudern und diversen Gartenaktivitäten, wie es angenehmer nicht sein könnte. Wie früher mal „im Internet“, als es noch jung und unverbracht war und die ersten Aufträge kamen, die sich lange lange nicht nach Arbeit anfühlten.

  30. Das mit dem Sinn bei Claudia trifft die Sache meiner Meinung nach ins Herz: Es gibt keinen Sinn, den man irgendwie suchen könnte oder müsste. Es ist vielmehr so, dass man Sinn erschaffen kann. So, wie oben beschrieben mit Projekten im Garten oder im Netz, mit anderen Menschen durchs Fortpflanzen oder andere Arten von Gemeinschaften schaffen. Ich empfinde in diesem Zusammenhang immer wieder dieses Wort der „Resonanz“, das Hartmut Rosa zuletzt wieder populär gemacht hat, als überaus treffend. Sinn entsteht, wenn ich etwas produziere (einen Ton, eine Handlung, einen Text etc.), das bei anderen eine Wirkung hervorruft, die mich dann wieder erreicht. Mit dem Begriff „Resonanz“ kommt also zum einen das eigene Schaffen als Bedingung, als auch das Erreichen anderer und deren Feedback als Bedingungen für Sinn zum Ausdruck. Übrigens sind Feedback-Schleifen sowieso das ganz große Geheimnis jeglicher Intelligenz.

    Wenn ich an „Sinn im Leben“ denke, dann also nicht an raunend-metaphysische Formeln von Heidegger oder George, sondern an ganz handfeste Beziehungen zwischen Menschen, Dingen, Tieren. Insofern ist es vielleicht das Beste, wenn uns „die Frage ziemlich außer Sicht“ gerät. Denn um einen Sinn im Leben zu haben, hilft es nicht viel, sich darüber den Kopf zu zerbrechen.

  31. @Gilbert: .

    (Für Internet-Frischlinge: „Punkt“ bedeutet: Dem ist nichts hinzuzufügen)

  32. @Claudia: Ja, da fehlt ein ‚nicht‘, der Text war doch wohl etwas zu hastig herunter geschrieben.
    In diese Welt, Histomat zur praktischen hin, Diamat zur gedanklichen Beherrschung her, möchte ich kein Kind entlassen. Schon gar nicht ein eigenes, selbst wenn es durch Histamine und Diamanten für ein Leben in einer lebensfeindlichen Umgebung gerüstet wäre.

  33. @Susanne
    Wir haben alles die Tendenz, unser Tun oder Lassen im Nachhinein zu rationalisieren, um kognitive Dissonanzen zu vermeiden. Bei mir hätte es so oder so sein können: Kein Nachwuchs oder eben doch Nachwuchs. Die Entscheidung lag gar nicht so sehr bei mir. Ich hätte für mich sowohl das eine als auch das andere hinterher zwingend begründen können.

    Ich habe genauso wie du oben sagst, immer gesagt, dass es nicht richtig wäre, „in diese Welt“ (was auch immer das genau bedeutet) ein Kind zu setzen. Inzwischen denke ich darüber selbstredend anders und habe sogar ein Problem mit solchen Formulierungen, weil sie implizit diejenigen zu verurteilen scheinen, die dennoch ein Kind in die Welt setzten.

    Aber wie gesagt: Ich verstehe das Rationalisieren natürlich. Schön, wenn man sich darüber bewusst ist, das das nicht zu verabsolutieren ist, sondern lediglich eine Konsequenz des (selten eine Voraussetzung zum) Geschehenen. Hier ist übrigens meine nachträgliche Rationalisierung zur Geburt meines Sohnes und warum „trotz allem“ es gut ist, geboren zu werden.

  34. @Gilbert: Du schreibst, wir hätten alle „die Tendenz, unser Tun oder Lassen im Nachhinein zu rationalisieren, um kognitive Dissonanzen zu vermeiden“, und dem stimme ich zu. Allerdings habe ich ebenso die Tendenz, mein Tun und Lassen auch im Vorhinein zu rationalisieren, etwa um jene kognitiven und emotionalen Dissonanzen überhaupt erst herbei zu führen, die einen gut Teil meiner Lebensfreude und Neugier auf das Kommende ausmachen.

    Eine Entscheidung einer Person nicht als Resultat einer abwägenden Auswahl aus verschiedenen, dieser Person sich anbietenden Alternativen zu betrachten, sondern als Werturteil, ist in meinen Augen wenig hilfreich. Wenn ich kein Kind in diese Welt setzen will (und mit Welt meine ich die paramount reality der Bürgerin eines der reichsten, demokratischsten und im Vergleich zu vielen anderen mit am stärksten an nachhaltiger Bewirtschaftung der allen Erdenbürgern zur Verfügung stehenden Ökosphäre des Planeten interessierten Staates, ergo eines gegenwärtig wohl ziemlich privilegierten Individuums der Spezies Mensch), dann ist das eine private Entscheidung, die weder anderslautende Entscheidungen noch deren Träger ver-, ab- oder beurteilt.

    Allerdings habe ich ein Problem mit Menschen, die nicht von ihnen geteilte Entscheidungen anderer Menschen als gegen sich gerichtet empfinden.

    Nach allem, was ich mit Begriffen wie Freiheit und Verantwortung, Gemeinschaft und Individuation verbinde, ist der Respekt vor dem Willen anderer Menschen ein wesentliches Schmiermittel jener Form von Gesellschaft, in der zu leben mir als erträglich und erstrebenswert erscheint. Wer sich aber bereits durchs So-Sein eines Anderen in seinem eigenen So-Sein angegriffen fühlt, dem fehlt genau dieser Respekt, denn damit impliziert er als Paradigma des Zusammenlebens eine Zwangsgesellschaft, in der (s)ein So-Sein letztlich für alle verpflichtend zu sein hat, weil andernfalls jeder Abweichler alle Konformisten bereits qua Abweichung verurteilen würde. Und in einer solchen Gesellschaft möchte ich weder leben noch (sic!) Kinder in sie hinein setzen.

    Den link zu deiner nachträglichen Rationalisierung zur Geburt deines Sohnes kann ich leider nicht öffnen, es erscheint nur eine leere Seite. Vielleicht kontrollierst du das nochmals, du hast mich ja nun doch neugierig darauf gemacht, wie du das anstellst.

    Eines verstehe ich an deinem Kommentar allerdings nicht ganz. Du schreibst, es wäre schön, „wenn man sich darüber bewusst ist, daß [das Rationalisieren, S.S.] nicht zu verabsolutieren ist, sondern lediglich eine Konsequenz des (selten eine Voraussetzung zum) Geschehenen.“

    Ich lese das so, daß für dich hier Rationalisieren eine Konsequenz des Geschehenen ist, während es oben die Zutat des post factum kognitive Dissonanzen vermeiden wollenden Verstandes war, ergo eine Konsequenz der Art und Weise, wie Menschen Wirklichkeit (im Nachhinein) konstruieren. Für mich erweckst du damit den Eindruck, unter „Rationalisierung“ weniger das Abwägen von Gründen und Gegengründen, Gefühlen, Ängsten, Ressourcen und Konsequenzen zu verstehen als eine Form der Rechtfertigung eines vielleicht oft nicht oder nur halb begriffenen Vorganges, wie zum Beispiel der Produktion eines neuen Lebewesens.

    Dann wäre Rationalisierung aber eher ein Mittel, um gut zu sein (oder zu erscheinen), womit sich die Diskussion auf die Eisbahn des Moralischen begeben würde, womöglich mit der schweren Last der Verpflichtung, daß ein als gut herbei rationalisiertes So-Sein jeden schlecht mache, der anders ist. Ein fataler Konnex, der nach meiner Ansicht aktuell (siehe hatespeech usw.) einen der Gründe dafür abgibt, daß das „große Gespräch“, zu welchem das Werkzeug des Internets einlud, zu einer Keif-, Sabbel- und Anpiss-Orgie zu verkommen droht.

    Aber das ist wieder eine andere Geschichte…

  35. @Susanne: nur grad kurz: ich kann den Link zum Sohn-Artikel problemlos öffnen. Das muss ein vorübergehender Ladefehler gewesen sein.

  36. Danke @Susanne für eine wortreiche Antwort!

    Es tut mir Leid, dass bei dir der Eindruck entstanden ist, dass ich mich durch das So-Sein eines Anderen in [m]einem eigenen So-Sein angegriffen fühlte. Das ist keineswegs so, dann hätte ich in der Tat ein großes Problem.

    Ich stimme dir zu, das Immer-alles-auf-sich-Beziehen ist einer der Gründe, warum gerade in der Online-Kommunikation, aber auch sonst im Leben, einiges an Aggression aufbricht und schief geht. Was ich oben sagte („habe sogar ein Problem mit solchen Formulierungen“) muss man aber nicht in diese Richtung dramatisieren. Ich finde, es ist weit weniger stark als dein „Allerdings habe ich ein Problem mit Menschen…“ Aber ich beziehe das jetzt mal nicht auf mich ;)

    Nur kurz zur Erklärung meines Problems (ich erkenne es ja als meins): Natürlich ist nicht alles nur hinterher rationalisiert und ich habe mir durchaus vorher viele Gedanken gemacht, ob das vertretbar wäre. Ich will nur deutlich machen, dass trotz allem Abwägen vorher, werden wir hinterher immer Argumente finden, eine gegenteilige Realität auch für gut zu erklären. Und das ist doch auch in Ordnung so. Also keine Angst: ich empfinde deine Entscheidung keinesfalls als gegen mich gerichtet. Das wäre geradezu im klinischen Sinne verrückt (wir kennen uns schließlich erst aus den Kommentaren hier und wie könntest du eine Entscheidung gegen mich getroffen haben?). Ganz konkret: Ich habe kein Problem mit Menschen, die andere Entscheidungen treffen, ich habe ein Problem mit Formulierungen, die mich mit etwas konfrontieren, was ich vorher ebenso hätte sagen können, jetzt aber zu einer kognitiven Dissonanz führt, weil es anders gekommen ist. Ich meine also nicht Dich, sondern mich.

    Es ist ja einfach zu erklären: wenn jemand mir als frisch gebackenen Vater pointiert sagt (und jetzt kommt kein Zitat von dir) „ich könnte in diese böse Welt niemals Kinder setzen“, dann setzt mich das sofort unter einen gewissen Argumentationszwang. Denn es ist ja etwas dran. Und im Gegenzug wundere ich mich dann immer, ob es ihnen auch so ergangen wäre, dass sie ihr „ich würde niemals“ ganz rasch ins Gegenteil rationalisiert hätten, wenn es dann doch anders gekommen wäre oder ob sie dann tatsächlich (wegen des „niemals“) abgetrieben hätten.

    Um das Ganze komplett zu machen, gäbe es eine kleine Empfehlung an dich: Sei dir darüber bewusst, dass, wenn du deine Entscheidung keine Kinder zu haben, öffentlich mit Gründen wie „lebensfeindliche Umgebung“ unterlegst (hat dich ja hier niemand nach den Gründen gefragt, warum du solch eine persönliche Entscheidung getroffen hast), andere, die Eltern sind, sofort irgendwie unter Druck kommen zu belegen, warum sie aber doch so vermeintlich unverantwortlich sind, Kinder in eine lebensfeindliche Umgebung zu setzen oder zu begründen, warum sie die Umgebung nicht für lebensfeindlich halten usw. Nochmal: Du bist nicht Schuld, dass andere diesen Druck fühlen, aber in dem Moment der Auslöser. Das kann natürlich auch gut sein.

    Auf das, was du abschließt mit Aber das ist wieder eine andere Geschichte… würde ich dann mal eingehen, wenn wir über die andere Geschichte reden.

  37. @Gilbert: Mit den ‚Menschen, mit denen ich ein Problem habe“, warst gar nicht du gemeint. Ich las die Textstelle deines Kommentars, auf die ich mich bezog, als Hinweis auf solche Menschen und nicht als Beschreibung deiner Auffassung. Tut mir leid, dass es so falsch ankam!

    Zu den persönlichen Gründen: ich pflege meine Meinung oft ungefragt zu sagen. Da bin ich wie der (schrecklich schlecht nur singen könnende) Salamanderchor, der, zum Schweigen aufgefordert, antwortet:

    Hier singt der Salamanderchor
    die allerschrägsten Lieder.
    Auch wenn es manchem gar nicht paßt,
    wir singen immer wieder.

    P.S. Die kleine Textänderung ist von mit

  38. @Gilbert: Ich habe den Eindruck, daß für dich „Rationalisierung“ nicht primär eine spezifische Weise des Auswählens zwischen Handlungsalternativen bedeutet, sondern immer schon mehr, nämlich fast so etwas wie eine Legitimation (siehe: Ich will nur deutlich machen, dass trotz allem Abwägen vorher, werden wir hinterher immer Argumente finden, eine gegenteilige Realität auch für gut zu erklären.)

    Dem möchte ich mich nicht anschließen. Eine rationale Entscheidung kann genauso ‚falsch‘ oder ‚schlecht‘ oder ‚böse‘ oder ‚widerwärtig‘ sein wie eine irrationale. Für mich besteht das Rationale darin, möglichst alle für mich bedeutsamen Gesichtspunkte (welche Ziele und Mittel habe ich, was sind die Folgen, wie gefallen sie mir und anderen usw.) in einer Entscheidung bedacht zu haben und dann mich – wie, warum auch immer und wofür, wogegen auch immer – zu entscheiden.

    Ich verstehe nicht, wieso dich eine pointierte Aussage wie ich könnte in diese böse Welt niemals Kinder setzen sofort als frisch gebackener Vater … unter einen gewissen Argumentationszwang setzt. Ich respektiere die Entscheidung jener, die in diese Welt Kinder setzen wollen, ebenso wie die jener, die darauf verzichten. Weder besitze ich zu dieser Frage ein Sendungsbewußtsein noch einen missionarischen Eifer. In der Tat besitze ich von beidem in sehr vielen Fragen des Lebens wohl sehr wenig, ja ich mißtraue sogar still und leise Menschen, die beides in meinen Augen auf übertrieben heftige Weise und allzu häufig an den Tag legen.

    Meiner persönlichen Erfahrung nach sind der gebotene Respekt füreinander und das verständliche Bemühen um Synchronisation von Meinungen, Werten und Zielen mit Nahestehenden keine guten Weggefährten. Etwas mehr Distanz hilft hier oft, daß alle in Ruhe ihrer Wege gehen können, ohne sich in die Quere zu kommen, und so vielleicht besser, konfliktfreier und bequemer ankommen (oder zumindest unterwegs sind).

    Deinen Text „An meinen Sohn M.“ konnte ich mittlerweile doch noch öffnen, er hat mir sehr gefallen, auch wenn ich unter einer „Rationalisierung“ eher Alltagsrücksichten, konkrete Pläne und Vorausschauen, private Abwägungen und teilweise durchaus nicht nur ideelle, sondern handfest materielle Saldierungen und Evaluierungen verstehen würde. Die Romantik deines Textes jedoch sprach mich sehr an, ich hoffe, daß sie als ein Gefühl der vorsichtigen Zuwendung und liebevollen Fürsorge für deinen Sohn diesen noch lange als väterliche Liebe begleiten wird.

  39. Danke für das Kompliment zum Text.

    Das „ung“ im Wort „Rationalisierung“ deutet ja auf eine Prozesshaftigkeit hin, die für mich darin besteht etwas zuvor nicht Rationales rational zu machen. Es ist in meinen Augen eigentlich ein leicht negativ konnotiertes Wort, das ich benutze, wenn ich denke, dass Menschen einer Handlung oder Unterlassung oder einer Serie von solchen im Nachhinein einen bestimmten Sinn geben.

    Als Beispiel der beliebte Lebenslauf: Den meisten Menschen stößt ihr Leben zu, das wenigste ist geplant, besonders die ersten Stationen der Arbeit sind oft wenig geschickt gewählt oder man machte sogar einfach die Lehre, wo ein Platz frei war (in meinem Fall so geschehen). Wenn wir dann aber Jahre später fragen, dann können dieselben Menschen alles von A – Z rational erklären. Es scheint keine Zufälle, kein Glück, keine unkontrollierten Einflussnahmen zu geben. Man nennt das dann Karriere. Und die wurde selbstverständlich Schritt für Schritt hart erarbeitet. Ich denke, das ist meistens im Nachhinein zu einer Geschichte zusammengekettet mit einem aktiven Helden im Zentrum. Was statt dessen im Erfolgsfall eher zutrifft ist so etwas wie Serendipität.

    Entscheidungen treffen, Alternativen abwägen etc. würde ich nicht Rationalisierung nennen, sondern eben entscheiden und abwägen.

    Was die angesprochene Synchronisation angeht, bin ich völlig bei dir. So weit sogar, dass ich in größeren Kontexten nicht müde werde zu sagen: Assimilation ist genau das Falsche, statt dessen sollten Neuankömmlinge in einem Staat ihre Kultur dabei behalten. Der Ruf nach Assimilation ist eigentlich das Nichtertragen des Anderen. So ähnlich sehe ich es auch mit Meinungen, Werten, Zielen etc.: ich will sie tolerieren und nicht ändern oder zwangsläufig selbst annehmen.

    Warum mich eine pointierte Aussage unter einen zumindest internen Argumentationszwang setzt, musst du nicht verstehen. Vielleicht bin ich da irgendwie speziell. Bis heute ging ich davon aus, dass fast jeder sich selbst auch an Äußerungen anderer prüft. Oder nur Leute wie mich mit einem latenten „Inferiorkomplex“?

  40. Mich begeistert mal wieder die sehr zivilisierte Form der Auseinandersetzungen hier: wo gibt es das noch im heutigen Internet!

    Inhaltlich kann ich Gilbert gut nachvollziehen, weil ich es bei mir (!) exakt so erlebt habe. Ich wollte nie Kinder. Erst war ich strikt dagegen und begründete das mit „in diese böse Welt?“ oder auch „gibt es nicht schon übergenug Menschen?“.
    Auch als ich die Problematiken meiner Herkunftsfamilie lange genug hinter mir gelassen hatte, um nicht mehr so kämpferisch „gegen Familie“ sein zu müssen, änderte sich das nicht. Es kam nie nie ein Kinderwunsch auf – ich wurde auch zum Glück nie schwanger, trotz leichtsinnigstem Sexualverhalten in jungen Jahren. Als ich bei meinem ersten Sex eine Verschiebung der Menstruation erlebte und fürchtete, schwanger zu sein, war es nicht nur der soziale Mega-GAU, den das bedeutet hätte. Nein, mir wurde auch richtig schlecht beim Gedanken, dass da irgendwas, das nicht ICH ist, in mir wächst. Grusel..
    Als ich später in vielen kreativ-Schreiben-Kontexten autobiografische Texte schrieb und solche von anderen Frauen las, die Kinder bekommen hatten oder es bedauerten, dass sie keine hatten – da wurde mir klar, dass es nicht die „böse Welt“ war, kein mitfühlend-altruistischer Grund, warum ich kinderlos blieb und damit völlig zufrieden war und bin. Ich bin nicht dafür geschaffen, konnte es mir nie vorstellen, hab‘ es immer nur gefürchtet (Verhütungsversagen!) und als extreme Einschränkung meiner persönlichen Bewegungsfreiheit imaginiert – die mir offenbar ein oberster Wert ist. Ich kanns nicht ändern und muss damit leben, dass manche das egoistisch nennen!

    Denen halte ich dann aber entgegen, dass ich die Freiräume, die mir die Kinderlosigkeit ermöglichte, sehr wohl „zum Wohl der Allgemeinheit“ genutzt habe. Wobei auch das nicht wirklich aus Altruismus stattfand, sondern weil mir meine Jahre des „Politik machens“ auf vielen Ebenen großen Spass machten! Aber es ist Gutes dabei heraus gekommen, das vielen bis heute nützt.

    Im Kreativen Schreiben gibt es das geflügelte Wort: „ein jeder erfindet seine Geschichte jeden Tag neu“ – und ja, ich finde, da ist was dran!

  41. Dann würde ich mich hier auch noch mal mal ganz gerne pragmatisch zu Wort melden. Und es kommt im Sinn dem Kommentar von Claudia und Giesbert nahe:

    Sich die Welt im Nachhinein konstruieren zu können gehört für mich zu einer der ganz großen evolutionären menschlichen Eigenschaften, nämlich der Erschaffung und damit der Erhaltung des Selbstwertes. Ohne diese Konstruktion der Selbstwerterhaltung hätten nach dem 2.Mai 1945 sehr, sehr viele 1000-jährige Reichsbürger das Leben mit dem Tod beenden müssen. Aber es gab eine Konstruktion, der das zu verhindern gelang: „Wir haben nur nach dem geltendem Recht gehandelt. “ (So, oder ähnlich, in vielen anderen Varianten). Das möchte ich bitte nur als Beispiel und in keinster Weise als irgendeine (Be)-wertung betrachten.

    In diesem Sinne möchte ich etwas provokativ fortfahren, für das Susanne bestimmt Verständnis hat, da sie dieses Feuer auch hin und wieder gerne zur Erweiterung der Diskussion nutzt ( Ich denke mal hier an die „Rattendiskussion“):

    Ich bin mit 24 Jahren, und dann mit 27 Jahren das zweite mal, Vater geworden. Hätte ich mich in dieser Zeit ( die heute als jugendliche (Leicht)-Sinnigkeitsphase deklariert wird) nach philosophischer und weltnachhaltiger Betrachtungsweise entscheiden müssen, wäre ich heute vielleicht kein Vater. Aber auch hier hat das die Evolution nach meinen Verständnis so geregelt, dass Sinn-Fragen in diesem Alter noch nicht in das Bewusstsein rücken (Jedenfalls bei mir).

    Eltern zu werden und zu sein bedeutet auf jeden Fall ein hohes finanzielles und zeitliches Engagement, mit SEHR vielen Einschränkungen, größeren Existenzängsten und Mühen. Das wäre noch zu ertragen. Aber es bedeutet auch, mit Enttäuschungen, furchtbar verletzter „LIEBE“ konfrontiert zu werden, und zwar von den Menschen – die einem näher stehen als alles andere.
    Das, ist für mich heute, einer der größten Herausforderungen, die der Existenzerhaltung der Spezie Mensch abverlangt werden.
    (Wobei ich auch glaube, dass vielen Menschen eines nicht erfüllten Kinderwunsches, große Prüfungen abverlangt werden).

    Ich als als ein Elternteil, auch wenn ich es mir nicht so bewusst ausgesucht habe, empfinde die Ansage: „In diese Welt setzte ich doch keine Kinder“ wie den Schlag ins Gesicht: „Die Drecksarbeit sollen andere machen.“

    Ähnlich empfinde ich es auch bei den gesundheitsnarzisstischen Biofetischisten, denen egal ist, dass ich den Discounterscheiß fressen muss. Ich tue es aber gerne. Wir werden schon sehen, wer als erster gesund stirbt.

    Nun denn. Aus deinem Kommentar, liebe Susanne, und da komme ich vielleicht in Gisberts Richtung, empfange ich keine Emotionalität, mehr- eine rechtfertigende Konstruktion. Das mag an den geistig unterschiedlichen Ebenen liegen, auf derem hohen Niveau ich mich nur selten zu bewegen vermag. Manchmal wäre mir etwas triviales Einfaches zur leichteren Akzeptanz sehr hilfreich. Falls dir daran liegt.

  42. P.S.: @Gilbert, du verzeihst mir bestimmt zu später Stunde meinen doppelten fauxpas.

  43. Liebe Claudia, wenn es ans „eingemachte“ geht, ist deine Art, darüber zu schreiben, – entwaffnent :)

    Das möge dir auch in 2017 noch oftmals gelingen. In diesem Sinne,
    – Komm gut rein – :))

  44. Wow Menachem! Das war wohl der längste und KLARSTE Beitrag, den ich von dir je gelesen habe!
    Aber zur Sache:

    „Eltern zu werden und zu sein bedeutet auf jeden Fall ein hohes finanzielles und zeitliches Engagement, mit SEHR vielen Einschränkungen, größeren Existenzängsten und Mühen. „

    Ich zitiere das, um auf einen durchaus rationalen Grund zur Kinderlosigkeit zu kommen, bzw. zu den Rahmenbedingungen, die ihn evtl. gar nicht aufkommen lassen. Heute liest man überall, dass Menschen das Kinder bekommen zunehmend verschieben, in eine Zeit der beruflichen Etablierung, weg vom „prekären“ Leben – was dann aber oft nicht gelingt.

    In dieser Hinsicht war ich meiner Zeit voraus. Mein ungeliebtes Jurastudium – eigentlich wollte ich Kunsterziehung studieren – hab ich (mit allen Scheinen) abgebrochen, weil ich mir nicht mehr vorstellen konnte, in den Institutionen und Behörden, wie ich sie kennen gelernt hatte, lebenslang tätig zu sein. (Der Freund, der mich zu diesem Studium motiviert hatte, ist letztes Jahr als Anwalt noch weit vor Rente gestorben). Immer wieder entschied ich mich gegen jegliche „Etablierung“, zog nach Berlin, begann ein neues Studium (diesmal mit Examen) und begnügte mich mit Mini-Honorarjobs oder bezog zeitweise Arbeitslosenhilfe während der ca. 10 Jahre Stadtteilpolitik. Gelegentlich bekamen wir öffentliche Gelder und konnten uns ein paar Monate bezahlen, aber immer kurz und ohne „Perspektive“. Ich begann auch immer neue Projekte, eine Kiezzeitung, eine Kneipe (Nachtarbeit) – und bei alledem war ich meist glücklich, obwohl es mich irgendwann in den Burnout trieb.

    Ein solches Leben ist definitiv nicht geeignet, darin ein Kind aufzuziehen – unmöglich! Ebensowenig ist es möglich, „per Beschluss“ die je eigenen Werte und Orientierungen einfach so zu Gunsten einer Familienplanung zu ändern. Ein 9-to-5-Job war für mich IMMER die Hölle, diese Arbeitswelt hatte ich in vielerlei Studi-Jobs quer durch Behörden und Unternehmen genügend kennen gelernt. Niemand hatte dort Freude an der Arbeit, statt dessen bekämpften sie sich gegenseitig oder es herrschte eine Kultur gemeinsamer Besäufnisse während der Arbeitszeit. „Sie können bei uns mit BAT 2A anfangen, wenn Sie fertig sind“, sagte man mir in einer Behörde zu Zeiten des Jurastudiums – aber mich gruselte es gewaltig beim Gedanken, mehr als 3 Monate in dieser Grabstätte jeglichen Sinnempfindens verbringen zu sollen. Ja, ich suchte Sinn und Freude in der Arbeit, nicht „neben der Arbeit“ wie all diese Kollegen, die für ihre Urlaube und Wochenenden lebten. Und nahm dafür ein immer „ungesichertes“ Leben in Kauf, das letztlich – danke Internet! – in eine kreative Selbstständigkeit mit wechselnden Schwerpunkten und Auftraggebern mündete. Unsicher wie eh und je, aber ok!
    Kinder bekommen ist in so einem Leben so entlegen wie mal eben Astronautin zu werden. Eine durchaus rational zu nennende Einsicht, wie ich meine.

    Was Lustiges zum Schluss: in meiner Aktivistinnenzeit erkannte ein erfolgreicher Unternehmer, der mit Umweltpapier im „geschlossenen Wasserkreislauf“ gut im Geschäft war, meine Management-Qualitäten. Obwohl er fast 20 Jahre älter war, machte er mir einen ernst gemeinten Heiratsantrag, ganz ohne dass wir was miteinander gehabt hätten! Er meinte, ich könne mich in seinem Unternehmen optimal verwirklichen und dabei mit ihm „Kinder zeugen“. Und konnte gar nicht verstehen, dass ich nicht einfach mit fliegenden Fahnen alles, was mir wichtig war, hinter mir lassen wollte, um in sein tolles „gemachtes Nest“ zu wechseln. Der sagenhafte „geschlossene Wasserkreislauf“ seiner innovativen Produktion konnte mich einfach nicht locken… tja, sowas gibts!

  45. @Claudia: Ich denke, daß es tatsächlich eine – im Netz selten gewordene – Qualität deines Blogs ist, daß sich hier die Wogen immer wieder glätten lassen und alle Beteiligten sich einer zivilisierten Form des Austausches befleißigen. Und daß das sehr viel mit der Art deiner Moderation zu tun hat. Dafür sich anzustrengen ergibt nicht nur Sinn, und zwar einen ganz sinnfälligen, denn wir alle können ihn nahezu jederzeit an unseren displays ablesen, sondern macht auch Spaß.

    Kurz noch zu der Kinder-Frage: daß ich kein Kind in diese Welt entlassen will, ist eine private Entscheidung, in die vor allem sehr persönliche, größtenteils biografische Gründe einfließen, während die üblichen Verdächtigen (aka allgemein politische, soziale, ökonomische und vor allem ökologische Prognosen) eher begleitende und unterstützende Motive bilden. In Gilberts Redeweise hießen sie wohl nachträgliche Rationalisierungen eines wesentlich nicht rationalen Vorganges, während ich solch eine prospektive Weltenschau mehr als Hintergrundmusik für die improvisierende Solistin, also für mich, ansehe, die aber nicht ohne Einfluß auf mich und meine (Ver-)Stimmungen und ad-hoc Entscheidungen und langfristigen Pläne bleibt.

    Die Überlegung, mit meiner Gebär-Verweigerung einer Bestimmung (als Frau) oder Verpflichtung (als Teil der Gesellschaft) nicht ausreichend gerecht zu werden, etwa gar damit die „Drecksarbeit anderen zu überlassen“, ist mir dagegen vollkommen fremd, ja sie mutet mir reichlich absurd an.

    Wir leben in einer hochgradig arbeitsteiligen Gesellschaft, die über vielfältige Mechanismen verfügt, den input jedes einzelnen ihrer Mitglieder in die Lösung der Aufgabe ihrer Reproduktion einfließen zu lassen, und das meist unabhängig von individuellen Entscheidungen, Fähigkeiten und Interessen. Mein persönlicher Nutzen für diesen Gesamtzusammenhang kann sich daher in vielen anderen Formen als der des Gebärens ausdrücken – und tut es, wie ich hoffe, tatsächlich, und zwar so ausreichend, daß mich niemand in die Ecke der Parasiten stellen kann.

    Was meine Emotionen angeht, so sehe ich in den Kommentaren eines Blogs nicht unbedingt den für mich prominentesten Ort, sie ausführlich auszubreiten. Gerade eine (selbst-)kritische Distanz zu den Gefühlen der Autoren läßt mich Texte genießen, und natürlich bemühe ich mich deswegen, in den eigenen eine solche Distanz einzuhalten. Wenn darin Emotionen vorkommen, dann sind sie bereits durch das Mahlwerk der Reflexion (soweit diese mir möglich ist) gegangen. Das ist weniger eine Frage eines intellektuellen oder sprachlichen Niveaus (da vermag ich ohnehin wenige Unterschiede zwischen den hier Schreibenden zu erkennen) als eine des individuellen Temperamentes.

    Würde ich meine Gefühle direkter einfließen lassen, liefe jede Diskussion obendrein Gefahr, vom Thema weg zu Nebenschauplätzen hin zu driften, mehr noch, als sie es durch meine üblichen Abschweifungen eh schon täte. Und sicherlich würde sich mancher Teilnehmer hin und wieder persönlich angegriffen fühlen, kann doch bereits eine einfache Äußerung wie „Ich will keine Kinder in diese Welt setzen“ als ein „Schlag ins Gesicht“ empfunden werden oder einen „Argumentationszwang“ erzeugen.

    Eine kühlere Weise des sprachlichen Ausdrucks ist in meinen Augen sehr hilfreich, wenn ich an der Klärung (nicht unbedingt im Sinne von Lösung oder Beantwortung) einer Frage oder eines Themas interessiert bin. Daß dabei Emotionen involviert sind und werden, bezweifele ich nicht, halte sie jedoch selten für produktiv, ja ich glaube sogar, daß gerade die sich potenzierende Emotionalität, die vielerorts, auch im Netz, zu beobachten ist, nicht zu einer Klärung drängender Fragen, sondern eher zu einer Betonierung von (manchmal nur scheinbaren) Standpunkten führt und mit dazu beiträgt, daß sich – mir zumindest – die aktuelle Kommunikation im Netz oft eher wie der Austausch vergifteter Pfeile zwischen eifersüchtig bewachten Wagenburgen darstellt denn als lebendiger Platz eines (herrschafts-)freien Diskurses.

    So, mit dieser umwerfend tiefschürfenden Feststellung entlasse ich mich nun selbst in das neue Jahr, in der Hoffnung, niemanden mehr als unvermeidbar vor den Kopf gestoßen und niemanden mehr als unbedingt notwendig enttäuscht zu haben, so daß wir uns alle 2017 froh und munter wieder lesen!

  46. @Susanne
    Ich sehe das mit der Emotionalität ähnlich, es ist schwer zu managen, was die anderen dann wie erreicht, zumal im Internet.

    Nur eine Sache, bevor auch ich dich/mich „entlasse“: Es war gerade nicht eine einfache Äußerung wie ‚Ich will keine Kinder in diese Welt setzen‘, sondern die mitgelieferte Begründung, die bei mir einen Zwang ausgelöst hat. Wundert mich, dass das nach all dem Geschreibsel immer noch nicht klar geworden war.

    Der gesellschaftliche Zwang auf Frauen, bitte zu gebären, ist zwar immer subtiler geworden, aber ich sehe ihn nach wie vor am Wirken. Furchtbar irgendwie.

  47. Alsdenn: auch ich wünsch Euch allen einen guten Rutsch und ein hoffentlich gutes Jahr 2017!

    Und mir wünsch‘ ich noch viele interessante Diary-Gespräche mit so angenehmen Mitwirkenden wie Euch! Und mehr Zeit bzw. bessere Organisation, um nicht nur „zwischen den Jahren“ so umfänglich dran zu bleiben: am bloggen, diskutieren, kommentieren – hier und anderswo.

    Und hier noch ein Feinstaub-freies und Lärm-armes Feuerwerk: