Mario Sixtus twitterte:
„Trump, Brexit, AfD, Le Pen, Erdoğan, FPÖ, Wilders, Orban: An welcher Stelle sind wir falsch abgebogen, und wie kommen wir wieder hier raus?“
und wenig später:
„Das ist überhaupt ein Problem. Das linke „gegen Globalisierung und Freihandel“ stärkt eben auch rechten Nationalismus.“
Das Problem ist, dass niemandem eine – andere! – Alternative einfällt, vermutlich nicht aus Fantasielosigkeit, sondern weil es keine gibt. Dass auch die Trumpsche „Lösung“ keine ist, sondern die Situation noch verschlimmern wird, muss wohl leider erst in der Realität vorgeführt werden, bevor es eine relevante Mehrheit wieder glaubt.
Alternativlose Globalisierung
Angela Merkel hat einst die Globalisierung treffend als System kommunizierender Röhren beschrieben. Das Wasser, dass sich in so einem System auf exakt dem gleichen Pegelstand einpendeln wird, ist in diesem Gleichnis der Wohlstand der Welt. Verbindet man die Röhren durch Entfernung trennender Regelungen und effektive Kommunikation (Internet), dann nimmt die Wucht der Ausgleichsbewegung zu: Produktion verlagert sich dorthin, wo sie weniger kostet, die „Blue Collar-Jobs“ verschwinden aus den entwickelteren Ländern. Die dort entstehenden Arbeitsfelder (Dienstleistung, IT, „Finanzwirtschaft“) gleichen das nicht aus, vor allem stehen sie nicht jenen offen, die die alten Arbeitsplätze verloren haben.
In den USA und in Europa gibt es also immer mehr Verlierer, deren Lage sich verschlechtert oder zumindest „perspektivlos“ erscheint. Die Staaten werden ebenfalls zunehmend entmachtet, da auch die Steuern dahin wandern, wo man sie „minimieren“ kann. Der ausgleichenden Umverteilung innerhalb der Staaten sind dadurch immer engere Grenzen gesetzt, mal ganz abgesehen vom politischen Willen.
Wer nun glaubte, das alles gehe ohne massiven Widerstand immer so weiter, hat sich gewaltig geirrt!
Die „Bewegung“ an der Macht
Trumps Rede zu seiner Amtseinführung hat viele vor den Kopf gestoßen, die noch hofften, er werde sich nun versöhnlicher zeigen und aufführen, wie man es von einem amerikanischen Präsidenten erwartet. Hätte er das getan, wäre er in den Augen seiner Anhänger binnen 30 Minuten zum Teil genau dieses „Washington“ mutiert, dessen Business as usual er als Selbstbereicherung von Funktionären auf dem Rücken des Volkes angeprangert hat.
Aber nein, er macht wirklich Ernst, er versteht sich als Anführer einer „Bewegung“, die meint, es genüge, den Augiasstall auszumisten und eine Politik durchzusetzen, die aus den schlichten Rezepten des Stammtischs besteht:
- USA den Amerikanern!
- Kauft amerikanisch, produziert amerikanisch!
- Autobahnen bauen!
- Ausländer raus!
- Und ’ne Mauer drumrum, wo nicht der Ozean die Grenzen schützt.
Es wurde und wird viel diskutiert, ob nicht die „kulturelle Marginalisierung“ schwerer wiege als die ökonomische, um die Leute in die Arme der Rechten zu treiben. Zuviel linke Minderheitenpolitik, böser „Genderwahn“ und all das – ich muss das sicher nicht lang ausführen. Ja, das sind alles Punkte, über die sich viele aufregen, dennoch vermute ich mal: wer sich selbst sicher fühlt, keine Abstiegsängste haben muss und mit der eigenen Teilhabe am Wohlstand zufrieden ist, wird wegen solcher Marginalien keine Revolution beginnen wollen. Nein, it’s just the economy – auch bei uns im (noch) prosperierenden Deutschland. Auch hierzulande verbreitet der neoliberale Kahlschlag quer durch die sozíalen Errungenschaften seit Jahr und Tag Angst und Schrecken. Und zwar nicht nur bei den eh schon ausgesonderten Arbeitslosen, sondern quer durch die Arbeitsgesellschaft, die ja nun weiß, wie schnell man vor dem Nichts stehen kann.
Das macht viele wütend! Z.B. auf all jene, die die Alternativlosigkeiten brav exekutieren, dabei aber selbst großzügige Einkommen, Pensionen und Abfindungen genießen, die sie von der Situation der Millionen Geringverdiener und Prekären meilenweit entfremden. Leider auch wütend und neidisch auf Flüchtlinge und Migranten, denen mit staatlichen Ressourcen geholfen wird, während so mancher Einheimische hierzulande kein Bein mehr auf den Boden bekommt, bzw. keine Möglichkeiten sieht, die eigene Lage irgendwie zu verbessern.
Wir haben zwar noch keinen Trump und die kalkulierten Entgleisungen eines Höcke im Stil des 1000jährigen Reichs verfangen nur bei wenigen – aber WENN sich da mal eine charismatische Person findet, dann wird der Feldzug gegen „Berlin“ sich nicht wesentlich von jenem gegen „Washington“ unterscheiden. (Es könnte sogar schlimmer / gewalttätiger kommen, weil unsere Strukturen andere sind).
Ein „starker Mann“ als Volkstribun?
Schreck lass nach: Im selben Meinungsboot mit Trump
Kürzlich bekam ich eine empörte Mail einer bekannten Kampagnenplattform, deren „Petitionen“ ich gelegentlich zeichne. „Wir“ hätten viele Jahre gegen TTIP gekämpft – und jetzt müssten wir erleben, dass ein Trump das Abkommen zu Fall bringe. Unerträglich! Wer wolle schon im selben Meinungsboot mit Trump sitzen? Es sei zum Glück auch nicht wahr, denn in Wirklichkeit habe doch Aktivistin X (Name vergessen) den letzten Sargnagel ins Vertragswerk geschlagen.
Egal, was nun stimmt: TTIP ist nicht der einzige Punkt, der in linken Forderungskatalogen vorkommt und nun von Trump angegangen wird. Grade lese ich, dass er die Pharmakonzerne wegen der hohen Preise geiselt,
„….die „über Leichen gingen“ und in den USA ein Vielfaches für die gleichen Medikamente kassierten wie zum Beispiel in Europa. Amerikanische Patienten sollen deutlich weniger für ihre Pillen zahlen, und wenn das Geld dann für die Pharmaforschung nicht reicht, müssten eben die Europäer draufzahlen.“
Schimpfen wir nicht ganz genauso über die hohen Medikamentenpreise in DE im Vergleich zu den Preisen in Spanien und Portugal? Auch Trumps Plan, das Verhältnis zu Russland wieder zu verbessern, findet bei vielen Gefallen.
Und: Wie GERECHT ist es eigentlich, dass seit Jahr und Tag eine Nato-Vereinbarung besteht, dass alle teilnehmenden Staaten 2% des BIP beitragen, dies aber nur von wenigen Staaten tatsächlich bezahlt wird? Hätte man sich nicht lange schon ehrlich machen sollen, also entweder die Nato-Vereinbarungen kündigen/ändern ODER tatsächlich zahlen?
Es gibt immer wieder einzelne Punkte, wo Trump in seiner knallharten, auf diplomatische Schwurbelsätze („Politiker-Sprech“) verzichtenden Art sogar mir „aus der Seele spricht“ – nur dass ich halt auch weiß, dass seine AGENDA insgesamt höchst schädlich ist und die Welt in viele Konflikte, vielleicht auch Kriege verstricken wird. Und wie er Frauen, Nicht-Weiße und Minderheiten sieht, ist einfach unerträglich! Man kann ihn auch nicht ernst nehmen, wenn er gegen „Wallstreat“ wettert, da er sich mit lauter Leuten von Goldmann Sachs umgeben hat. Ein Milliardär mit einem weltweiten Firmennetzwerk ist als Volkstribun einfach nicht glaubwürdig!
Leider sahen das genug amerikanische Wähler anders. Sie wollen jetzt ausprobieren, ob diese knallharte Machtpolitik eines „starken Manns“ nicht doch funktioniert. Genau wie es auch in Europa viele gern sehen würden, wenn „die da oben“ mal von Leuten abgelöst würden, die einfache Machtworte sprechen. Einfach verbieten, was nicht passt, zur Not ’ne Mauer drum rum…
Wenn es abwärts geht, ist alles möglich
Es zeigt sich hier die hässliche Seite der – für mich noch immer alternativlosen – repräsentativen Demokratie: Die Angelegenheiten des Gemeinwohls delegieren wir an Berufspolitiker, die sich in die komplexen Angelegenheiten umfangreich einarbeiten können. Ist ja auch bequem und sinnvoll so, wer hätte schon Zeit, sich z.B. mit internationalem Handel und seinen Folgen tief schürfend zu befassen? Je komplexer aber das Gestrüpp aus Institutionen, Regelungen, Akteuren und Betroffenen wird, desto weiter entfernt sich die „etablierte Politik“ von der Basis, vom Wahlvolk. Das geht solange gut, wie es „aufwärts geht“ und immer genug Geld da ist, begründeten Protest durch entsprechende Umverteilungs- und Förderpolitik zu befrieden.
Wenn dem aber nicht mehr so ist, weil die kommunizierenden Röhren der Globalisierung den einst privilegierten Staaten den Weg „abwärts“ weisen, dann wird es kritisch. Die oberen X Prozent tun alles, um ihren Wohlstand zu halten und sich gegenüber der neuen Konkurrenz zu behaupten, natürlich zu Lasten derer „da weiter unten“. Heftige Verteilungskämpfe folgen, die Zeiten werden härter und kälter. Der zivilisatorische Lack bröckelt, Hass und Gewalt greifen um sich und vergiften die Atmosphäre.
Da sind wir jetzt angekommen.
Mich schaudert’s!
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8 Kommentare zu „Trump: Mit Mauern und Zöllen gegen Globalisierung“.