Claudia am 19. Dezember 2008 —

Zur Besinnung kommen in der Epochenwende

Alles, was anliegt, noch zum Ende bringen, zumindest soweit, dass ich es aus dem Kopf bekomme und in Ruhe ins nächste Jahr vertagen kann. Freitag, Samstag-Vormittag, Montag, Dienstag: vor mir liegt eine endliche, überschaubare Arbeitszeit, in der das zu schaffen sein müsste. Einen Jahreswechselkurs hab‘ ich dieses Jahr nicht angesetzt: so schön das besinnliche Schreiben mit einer Gruppe auch ist – in diesem Jahr brauch‘ ich sie für mich, diese Zeit der Besinnung.

Wie ich mir Freizeit erschleiche, hab‘ ich in den letzten Wochen bemerkt: herum trödeln und die Dinge verschieben, dann alles auf den letzten Drücker erledigen. Die gewonnene Trödel-Zeit ist allerdings nicht wirklich „frei“, sondern mit schlechtem Gewissen behaftet: Ich sollte jetzt aber….

Es wird immer dunkler, die kurzen Tage scheinen kaum das Aufstehen zu lohnen, doch ist es nicht so, dass ich gerne im Bett liegen bleiben würde. Ich mag einfach nicht mehr arbeiten, sondern in mich hinein lauschen und schauen, was mich so bewegt, wenn die Aktivitäten der Oberfläche wegfallen. Zum Glück muss ich keine Weihnachtsfeste feiern, keine letzten Geschenke kaufen und nirgendwohin fahren: wenn alle Welt feiert, tritt endlich Ruhe ein, niemand will was von mir und ich kann schreiben, an meinen Webseiten ‚rumbauen, zurück und voraus schauen – und ein bisschen Wellness werd‘ ich mir gönnen, in einer schönen Saunalandschaft abhängen zum Beispiel.

Epochenwende

„Alles scheint wie immer, doch nichts ist wie sonst“, schreibt Thomas Assheuer in der ZEIT. „Überall in der Gesellschaft herrscht informierte Apathie und unheimliche Gelassenheit, und der Glühweinverkauf auf den Weihnachtsmärkten zeigt eine erfreuliche Tendenz: Es geht aufwärts.“ Der Autor sieht uns inmitten einer Epochenwende, nachdem die neoliberale Verheißung vom segensreichen Wirken staatsfreier Märkte an der Wallstreet untergegangen ist. Und auch eine zweite Utopie der Moderne sieht er auf dem Müllhaufen der Geschichte: die Idee einer immer wohlwollenden Natur, die unsere Zivilisation geduldig umschließt und trägt. Die beiden Enttäuschungserfahrungen zusammen ergäben ein unheimliches, apokalyptisches Epochengefühl, doch ohne die Vorstellung eines „Endes mit Schrecken“, wie es noch in den 80gern gefürchtet wurde. Die Zukunft gleiche „einem schwarzen Loch, einem gedehnten Ungefähr, in dem die Zeit konturlos zerfließt, getaktet allein vom Stakkato der Krisenticker. Das Grundpathos der Moderne, die Rede von der „besseren Zukunft“, wechselt die Vorzeichen: die bessere Zukunft ist diejenige, die uns erspart bleibt.“

Zwei Haltungen seien angesichts der Lage möglich, heißt es in diesem denkwürdigen Artikel „Alltag in der Krise“. Zum einen die ästhetisierende Betrachtung des Schauspiels in all seiner Buntheit: Da ein Happy End sowieso nicht vorgesehen sei, könne man die Hände in den Schoß legen und hoffen, dass es zumindest nicht langweilig wird. Zum zweiten der unbequeme, schier aussichtslos erscheinende Weg, den Regierenden beizubringen, dass sie nicht den Klimaschutz vernachlässigen können, um auf den Wachstumspfad zurück zu kriechen. Dass man morgen mehr verbrauchen muss als heute, damit es uns allen nicht schlechter geht als gestern sei der wahre Gordische Knoten, den es zu zerschlagen gelte. Denn nichts sei unheimlicher als dieses Paradox.

Ob ich das noch erleben werde? Ich frage mich oft, wie es möglich ist, dass genau DIESER Kernpunkt der Probleme so selten im Bewusstsein steht und kaum angesprochen wird, wenn es um all die Herausforderungen geht, die „die Krise“ uns noch bescheren wird.

Vorläufig genieße ich selber noch meine „informierte Gelassenheit“, trinke Milchkaffee statt Glühwein und freue mich über die Spenden, die etliche Leserinnen und Leser für meine Aktion „Brunnen für Kambodscha“ tatsächlich locker machen!

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Diskussion

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Ein Kommentar zu „Zur Besinnung kommen in der Epochenwende“.

  1. ich muss ganz ehrlich sagen, dass ich mich der „hände-in-schoss-legenden“ philosophie anschließe … gerade zu dieser jahreszeit fällt es mir doch merklich schwer, mich noch nach all den „frohen“ botschaften und „panik-prognosen“ mit meiner meinung nach fatalen fehlentscheidungen überbezahlter berufs-besserwisser zu beschäftigen … 2009 wird zeigen, an welcher stelle man auch von niedriger position aus etwas bewirken kann … bis dahin setze ich mich doch glatt mit deiner spendenaktion auseinander! klasse sache, finde solches engagement immer wieder wichtig und lobenswert! FROHES FEST!
    tina