„Oh entschuldige, ich versacke zur Zeit wieder mal in den 10.000 Dingen“, schreibe ich an eine Freundin, deren Mail ich lange lange liegen ließ. Seit dem letzten Diary-Artikel ist auch wieder unziemlich viel Zeit verstrichen, das „Lustgespinst-Blog“ hat noch immer kein Design und wartet im Verborgenen auf Befassung. Das „Modersohn-Magazin -ein Blog aus der Hauptstadt“, besteht bisher aus Bildern und Ideen, die leider das Licht des Netzes noch nicht erblickt haben und wenn ich z.B. ans Webwriting-Magazin denke, das seit Jahren als Webleiche dahin dümpelt, wird mir ganz schlecht! Das hat es bisher nämlich nicht mal auf die ToDo-Liste geschafft und fällt mir jetzt nur ein, weil ich mal wieder über Webdesign schreiben will, für Diary-Leser eher ein ödes Thema. Dafür aber müsste ich es erst „runderneuern“, und dazu komm‘ ich einfach nicht, wie ich auch zu vielem anderen nicht komme, was ich als „Vorhaben“ vor mir her schiebe.
Ein Elend! Wo kein Kunde ruft, kein Termindruck besteht, kommt nur wenig zustande. Mal werkle ich an diesem, mal an jenem, dann packt mich der Gedanke, dass auch Freiberufler einen Feierabend haben sollten und ich viel zu viel vor dem Monitor sitze – von sinnvollem Selbstmanagement bin ich so weit entfernt wie der Pinguin vom Nordpol.
Gepflegtes Chaos
Immer schon bewundere ich Menschen, die kein Problem damit haben, ihre Zeit sinnvoll zu strukturieren. Da gibt es Ziele und Pläne, ein Wochen- und ein Tagwerk, sie wissen, wann sie fertig sind und bringen jede Menge zustande. Ich dagegen arbeite mit meiner niemals endenden To-Do-List: auf der steht immer alles oben, was ein Kunde oder Schreibkursteilnehmer braucht. Dann folgen die wichtigen organisatorisch-bürokratischen Arbeiten, und unter „Sonstiges“ stehen dann die Vorhaben: eigene Projekte, Artikel, die ich schreiben will, private Korrespondenz. Versteht sich, dass ich zum „Sonstigen“ selten komme, denn in den oberen Kategorien, die ich als wichtiger einstufe, weil da zeitnah Geld fließt und Verbindlichkeiten bestehen, kommt ständig Neues nach. Nicht genug allerdings, um mich auf den sprichwörtlichen „grünen Zweig“ zu bringen. Viel zu oft lebe ich vom Dispo-Kredit, an Urlaub, Kulturkonsum und dergleichen schöne Dinge ist nicht zu denken! Das ist direkte Folge dessen, dass ich zu allem, was „zukunftsträchtig“ ist, kaum komme: wer ernten will, muss auch säen und kontinuierlich pflegen, nicht nur vielerlei Saatgut im Schrank haben, hier mal ein angefangenes Feld düngen und dort ein Gewächshaus beginnen – und dann wieder „Wichtigeres“ tun.
Ein alter Bekannter warf mir neulich vor, meine „Webstimme“ sei weitgehend verstummt – und er hat recht! Selber schreiben ist so ungefähr das Luxuriöseste, was ich mir im Rahmen meiner zersplitterten Aktivitäten leiste und entsprechend selten traue ich mich, mir die Zeit dafür zu nehmen. Zwar fallen mir ständig Themen ein, doch meist gibt es hohe Hürden, die mich abhalten: Passt nicht ins Diary, da muss ich erst das Lustgespinst fertig machen – aber leider ist das auf der ToDo-List recht weit hinten, erst muss ich dies und das und jenes fertig haben, dann vielleicht…. ätzend!
Vor drei Jahren hat sich mal ein fähiger Freund meiner erbarmt und mich ein paar Tage „gecoacht“. Ihm verdanke ich, dass Schreibimpulse.de verwirklicht wurde, ohne ihn hätte ich es nicht geschafft, diesem Eigenprojekt wirklich Platz in meiner täglichen Arbeitszeit einzuräumen. Es war ja nur Idee, Plan, Zukunftsmusik – und alles andere, was bereits Geld brachte, war viel wichtiger. Natürlich wollte er mir auch beibringen, meine Arbeit grundsätzlich sinnvoller zu strukturieren: ich erinnere mich noch, wie schwer es mir fiel, meine Aktivitäten auf eine Woche im voraus zu planen und ihnen Arbeitszeit zuzuordnen. Mit hängen und würgen schaffte ich es – aber eben nur EINE Woche lang! Ok, an Schreibimpulse arbeitete ich jetzt mit hoher Priorität – aber ständig nach Uhrzeit arbeiten, jetzt zwei Stunden dies und dann zwei Stunden das, das schaffte ich nicht. Es erschien mir abwegig, etwas zu unterbrechen, was gerade „im Fluss“ war und so landete ich schnell wieder bei der ToDo-Liste, die mir niemals das Gefühl gibt, FERTIG zu sein.
Was auch gern hinten runter fällt dank meiner chaotischen Art, durch den Arbeitstag zu wuseln, ist die persönliche Weiterbildung und die Pflege der verschiedenen Netzwerke, in denen ich meist nur Karteileiche bin. Auch das Ordnen all der 10.000 Dinge, mit denen ich sporadisch befasst bin, findet kaum statt – die Größe der Festplatten wächst ja im Lauf der Zeit quasi automatisch ins Gigantische, so dass hier zumindest kein Leidensdruck entsteht. Noch finde ich im „historisch Gewachsenen“ immer das, was ich suche – wenn nicht, wird es eben neu aus dem Netz besorgt. Wenn ich aber an die Welt diesseits des Monitors denke – meine Wohnung zum Beispiel, die auch mal einer Renovierung und gewisser Investitionen bedürfte – komm‘ ich mir vor wie ein Astronaut in der Raumstation: immer im Dienst, die heimische Erde ist weit entfernt – wenn ich mal wieder lande, kümmer ich mich drum!
Die neue Idee: Inhalt zuerst
Mit dem Errichten diverser WordPress-Blogs hier im Diary und bei Kunden bekam ich jetzt immerhin den dringlich nötigen „Weiterbildungsschub“, der mich erleben lässt, wie einfach und schnell das Publizieren im Web heute sein kann. Ich denke nicht mehr darüber nach, wie ein eigenes Projekt „aus dem Nichts“ zu strukturieren und zu designen wäre, sondern werde überall Blogs installieren, deren Oberflächen ich unterschiedlich gestalte. Ein WordPress-Blog „aufzusetzen“ dauert fünf Minuten – dann kann ich bereits rein schreiben und meine ständigen Artikel-Ideen verwirklichen, anstatt mich von aufwändigen Projektplanungen verstören und ausbremsen zu lassen. Es genügt, die Eitelkeit beiseite zu lassen, dass bereits zu Beginn jeder Pixel stimmen muss, das kann ich „nach und nach“ machen, wenn ich dafür Zeit habe. Denn tatsächlich ist der INHALT das Wichtigste: ohne Output, ohne neue Texte interessiert auch das schönste Design, die durchdachteste Navigation, die hübscheste Linkliste kein Schwein! Ich werde mein Webdesigner-Herz zurück stellen und der Text-Produktion wieder Priorität einräumen – schließlich ist alles, was ich jemals mittels des Internets an Geld verdiente, dadurch zustande gekommen, dass Leute auf meine Texte stießen, da hängen blieben und irgendwann zu Kunden wurden, wenn sie mal eine Website brauchten oder Lust auf einen Schreibkurs hatten.
Morgens schreiben, täglich schreiben
In den Kreativ-Schreiben-Kursen, die ich vor zehn Jahren besuchte, waren immer mal Leute, die der Empfehlung einer berühmten Lehrerin folgten und täglich vier „Morgenseiten“ verfassten, um in den Schreibfluss zu kommen. Da ich noch nie ein Problem damit hatte, drauf los zu schreiben, wenn ich mir dafür Zeit nehme, hab‘ ich das nie praktiziert. Zielloses Vor-sich-hin-schreiben für die Schublade ist mir zuwenig nützlich. Meinen Gedankenfluss, wie er formlos dahin plätschert, kann ich auch ohne das gut beobachten – ihm eine sinnvolle Form zu geben, von dem auch Andere etwas haben, macht mir viel mehr Freude. Das aber täglich, immer morgens, zu tun, wäre ein großer Fortschritt! Meist tu ich bis 10 Uhr ja doch nichts wirklich „Nützliches“, sondern maile, surfe im Web, stimme mich auf die Arbeit ein – warum nicht die stillen Stunden zum Schreiben nutzen – und zwar so, dass dabei auch was heraus kommt??
Dieser Gedanke fasziniert mich, denn ausgehend von dieser minimalen Strukturierung des Tages könnte sich alles andere zu einer neuen Ordnung fügen. Nicht das Einzelprojekt (Digital Diary, Lustgespinst, Modersohn-Magazin, Schreibimpulse…) wäre das „Arbeitskonvolut“, an dessen Perfektion ich quer durch mein Netz-KnowHow bossele, als wär‘ es ein eigenständiges „Unternehmen“, sondern der tägliche Text, der in einem der Projekte platziert wird – da, wo er passt, egal, wie FERTIG das Projekt ansonsten schon ist. Und wenn tatsächlich fortlaufend Texte entstehen, bin ich auch motiviert, das Design und den Rest des Webwerks zu bearbeiten, denn es sind ja bereits Leser da, die die Seiten benutzen.
Wenn das klappt, wäre es die Emanzipation von der ToDo-List in Sachen „eigene Projekte“ – drei bis vier Texte die Woche wären schon ausreichend, um „zu neuen Ufern“ aufzubrechen! Den Mut zum Unfertigen, zum Work in Progress, werde ich hoffentlich aufbringen – immerhin sag ich auch meinen Kunden seit zehn Jahren: auf den INHALT kommt es an!
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6 Kommentare zu „Schreiben und Verstummen: Selbstmanagement“.