Blogposts, die Gefahr laufen, schon am Abend desselben Tages veraltet zu sein, mag ich nicht schreiben. Deshalb will ich weder das „Nein“ zur #Groko noch das „Ja“ oder das „Ja, aber nur mit Ergänzungen“ beschwören. Egal wie es ausgeht: der SPD wird es auf absehbare Zeit nicht besser gehen, ganz im Gegenteil. Persönlich denke ich, es wird eine Groko geben – und zwar einfach wegen der mangelnden Aussicht auf eine Alternative, die irgend etwas bessert. Wenn es keine faszinierende, neuartige Perspektive gibt, die es wert wäre, dafür den großen Aufstand zu wagen, wählt man halt das Bekannte und freut sich über kleine Verbesserungen. Kein Wunder, nix Besonderes, sehr verständlich.
Dass es die faszinierende neue Perspektive nicht gibt, ist nicht allein Schuld der SPD. Es fehlt ganz allgemein an einer positiven Vision, die man der absurden „Alternative von rechts“ (zurück in die 50ger) und der herrschenden neoliberalen Agenda entgegen setzen könnte. Wobei „neoliberal“ ein unscharfes Label ist, unter dem man gern alles erdenklich Schlechte versteht: Globalisierung, Ökonomisierung, Individualisierung/Entsolidarisierung, auseinander klaffende Einkommensschere etc. – gleichzeitig hätte diese Politik nie derart den Durchmarsch machen können, wenn sie nicht auch Bedürfnisse befriedigen würde, die nicht nur „die Reichen“ haben.
Wenn die Welt sich drastisch ändert
Das kann man z.B. an der konkreten Forderung der SPD nach Abschaffung der „sachgrundlosen Befristung“ von Arbeitsverträgen zeigen. Selbst wenn das durchginge, bin ich überzeugt, dass die Unternehmen Wege finden (müssten), die Befristungen zu erhalten, dann halt MIT irgendwelchen Gründen (Papier ist geduldig, sagte man früher – wie könnte man das in Zeiten papierloser Kommunikation nennen?). Schon die Abschaffung der unlimitierten Reihung befristeter Arbeitsverhältnisse kam ja bei den Betroffenen nicht nur gut an, denn deshalb haben viele erfahrene, eingearbeitete und beliebte Mitarbeitende ihre Jobs verloren und mussten durch andere Personen ersetzt werden, die noch nicht durch zu viele Befristungen „verbraucht“ waren.
Bevor diese befristeten Arbeitsplätze zum Massenphänomen wurden, war es leichter, sich scheiden zu lassen als ein unbefristetes Arbeitsverhältnis zu kündigen. So haben mir das Freunde erzählt, die in leitenden Positionen in der Privatwirtschaft tätig waren. Dabei gab und gibt es nachvollziehbare Gründe für Kündigungen, sowohl für solche, die mit dem Individuum zu tun haben, als auch solche, die wg. der Auftragslage der Firmen bzw. Änderungen der Unternehmensausrichtung erforderlich werden.
Anstatt nun die Kündigung im normalen Arbeitsrecht leichter zu machen, hat man all diese Befristungen, Leiharbeitsfirmen und prekären Minijobs eingeführt und gleichzeitig Hartz4, das auf einmal „Aufstocker“ ermöglichte. Zuvor war man entweder arbeitsloser ALG- ALHI- und Sozialhilfeempfänger oder eben ganz oder mindestens halbtags angestellt. Etwas dazwischen gab es nicht.
Und warum das alles? Nicht etwa aus reiner Böswilligkeit. Sondern weil rein nationale Arbeitsmarktpolitik auf Dauer nicht mehr gegen international agierende Konzerne und einen entsprechenden Markt anregieren konnte – ein Markt, dessen Globalisierung und Flexibilisierung allgemein gern genutzt wird: Alle Waren von fast überall her zu jeder Zeit kaufen können, von jetzt auf gleich auf Neuerungen umsteigen, die das Gestrige „disruptiv“ vom Markt fegen, kurze Produktzyklen und schnell wechselnde Moden – und ganz allgemein die Verbreitung „Projekt-orientierter“ Arbeit: Entwicklung von irgend etwas in einem bestimmten Zeitraum mit den entsprechenden (zunehmend „freien“ und „befristeten“) Arbeitskräften. Die festen Arbeitsplätze, die das ganze Leben „planbar“ machen und rundum Sicherheit gewähren, passen nicht mehr auf viele Anforderungen dieser neuen Wirtschaftwelt.
Das ist Fakt und bloße Empörung und Jammern über die Folgen wird dagegen nicht helfen. Es muss eine durchdachte Antwort auf diese Entwicklungen geben, die ich hier nur kurz angerissen habe. Sonst wenden sich immer mehr Unzufriedene weit nach rechts und glauben jenen, die das Heil in nationaler Abschottung sehen, ohne dass sie irgendwelche wirklich machbaren Alternativen hätten. Sie haben nur deshalb Zulauf, weil sie es verstehen, die Unzufriedenheit und Wut auf Minderheiten zu lenken, die zu Sündenböcken gemacht werden. Deutschland ohne Flüchtlinge, ohne „Genderwahn“? Wäre damit irgend etwas bezüglich der oben angesprochenen Problematik gewonnen? Nicht im Ernst!
Genug für jetzt. Im Hintergrund hör‘ ich die Schulz-Rede und denke: Das mit der Groko wird am Ende schon klappen. Außer „weiter wurschteln“ ist ja nichts Besseres in Sicht. Wozu also Neuwahlen?
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14 Kommentare zu „Weiter wurschteln – zum SPD-Parteitag #spdbpt18“.