Da wurde, wie ich auf Riva mitbekam, die „Konferenz Web 2.0 Expo Europe“ von den amerikanischen Veranstaltern abgesagt, weil die sich so einen Event in der Krise nicht mehr leisten können. Und das Handelsblatt-Blog schreibt dazu:
„Wohlgemerkt: das ist jetzt keine Häme gegen die Web-2.0er. Aber es wird immer klarer, das Web 2.0 eben nicht die Antwort war, auf die alle gewartet haben. Das letzte erfolgreiche Geschäftsmodell aus dem Valley war Google. Die sind nun mal so richtig 1.0ig. Facebook? Myspace? Twitter? Publikumserfolge, ja. Unbestritten. Aber where’s the beef? Die Frage wird immer lauter.“
Offensichtlich machen sich da die verschiedensten Akteure seit Jahren gegenseitig vor, man könne mit „Web 2.0“ ganz großartige Renditen erzielen, wenn nur mal genug Leute an die neuen Dienste gewöhnt seien. Und das wird auch geglaubt, denn meist sind die Entscheider nicht diejenigen, die all das Neue selber nutzen: Sie lassen sich von begeisterten StartUps und eloquenten Marketing-Leuten die rosige Zukunft an die Wand malen, ohne selbst aus dem eigenen Gefühl heraus beurteilen zu können, was so ein Web 2.0-Umtrieb eigentlich bringt – und wie einfach man auf ihn auch wieder verzichten kann.
Öffentliche Räume, privat finanziert
Bezüglich der Geldgeber, die in großem Stil investieren, meine ich, eine feine Ironie der Geschichte zu bemerken: Sind nicht (auch) sie es gewesen, die immer für den Rückzug des Staates aus vielen sozialen und gesellschaftlichen Bereichen plädierten? Private Shopping-Malls und Einkaufcenter auf der grünen Wiese anstatt gepflegter öffentlicher Räume, weil das nun mal mehr Rendite bringt? Weg mit den öffentlichen Bibliotheken, man kann sich ja Bücher kaufen? An vielen Stellen wurden die Bewegungsräume der Menschen privatisiert und auf reine Konsum-Interessen zugeschnitten – und wer kein Geld hat, kann kaum noch am kulturellen Leben teilnehmen.
Welch ein Segen, dass gleichzeitig das „Web 2.0“ heran wuchs: Virtuelle Orte, die die Funktionen öffentlicher Räume in Teilen übernehmen können. Zwar konnte das vom Ansatz her auch schon das alte Web 1.0, doch seit dem massenhaften Eintreten „der Kommerziellen“ ins Geschehen (was ja gleich zu einer „Blase“ führte, die dann spektakulär platzte) war HTML zu kompliziert geworden, um noch „eben mal“ an einem Nachmittag autodidaktisch einzusteigen. Mit den Blogs und Communities wurde das Web wieder ohne große Vorkenntnisse für jeden nutzbar, was zu einem neuen Boom führte – und wieder stehen sie auf der Matte und wollen ihre Rendite! Dabei werden sie feststellen: egal, wie man es dreht und wendet, der Mensch ist nicht bloß Konsument, sondern geht in öffentlichen Räumen anderen Interessen nach. Und nachdem sie den physischen Raum der Städte in dieser Hinsicht verödet haben, zahlen sie nun eben die neuen „öffentlichen Räume“ aus eigener Tasche.
Wo Menschen sind, ist auch Markt
Ich behaupte nicht, man könne im Web 2.0 kein Geld verdienen! Aber eben nur beiläufig und klein-klein: durch Ansiedlung von allerlei passenden Angeboten rund um die öffentlichen Orte. (inkl. Schwärme, Stauräume, Info-Dienste….) Eben genau so, wie es einst auch im physischen Raum stattfand: es gab zentrale Plätze, auf denen sich die Anwohner trafen – und rund herum machten sich immer mehr Läden, Cafés und Dienstleister breit, die in dieser „lukrativen Lage“ durchaus gute Geschäfte machten.
Das ist aber nicht die „große Antwort“, die die Großinvestoren erwarten: sie wollen eine spektakulär hohe Verzinsung ihres „Venture-Kapitals“. Dafür müssten die Massen bereit sein, für die neuen Dienste erhebliche Eintritts- und Nutzungsgebühren zu bezahlen. Das aber tun sie nicht, sondern suchen lieber wieder andere Begegnungsmöglichkeiten, wo nicht all diejenigen ausgeschlossen sind, die das Geld fürs bloße „dabei sein“ nicht aufbringen. Und immer wieder gibt es auch engagierte Leute, die aus eigener Kraft und mit viel Engagement Alternativen aufbauen – OHNE sich gleich vorab mit Venture-Kapital zuschütten zu lassen und sich damit in exorbitanten Wachstumszwang zu begeben. Und auch ohne gleich vom Start weg auf den „Exit“ zu spekulieren: aufs bloße Geld machen also, anstatt auf die Freude am sinnvollen Tun.
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3 Kommentare zu „Web 2.0: Ja verdammt, wo bleibt die Rendite?“.