Claudia am 19. Februar 2002 —

Vor dem Frühling

Wie die Zeit rast! Gerade erst war Silvester – und nun ist schon wieder der 19.Februar, Vorfrühling, Krokusse in den Parkanlagen, feucht-stürmische Wärme im Wechsel mit eiskalten Sonnenstunden. Im Fitness-Center schwitzen jetzt mehr Menschen als im Winter, man müht sich eifriger um die bessere Form, schließlich wird es täglich heller. Bald landen die dicken Klamotten im Schrank und wer will sich den interessierter werdenden Blicken des Mitmenschen schon im weihnachtlichen Kampfgewicht aussetzen!

„Ich bin dick und du bist häßlich“, lese ich auf dem T-Shirt eines fülligen Endfünfzigers, „Ich kann abnehmen, und was machst du?“. Glaubt er, dieses Hemd mache ihn symphatisch? In der Sauna ist die Stimmung agressiver als sonst, lautstark beschweren sich zwei Mädchen gleich beim Hereinkommen über den China-Öl-Aufguß, den ein Stammgast ein wenig überdosiert hat. Der Übeltäter verläßt entnervt den Raum. Er mag sowieso keine Menschen, deshalb kommt er immer mittags, wenn wenig Leute im Center sind. Zwei ältere Damen blockieren die wenigen Ruheliegen mit ihren Handtüchern. Auch das wird nicht so wortlos ergeben hingenommen wie an anderen Tagen. Muss ein Grashalm eigentlich agressiv werden, um durch die Erde ans Licht zu wachsen? Und wo sind heute die jungen Männer mit den wohlgeformten, überschwänglich tätowierten Körpern? Vielleicht gehen sie ja auf die Jagd, bevölkern mutig die gesellschaftlichen Kampfzonen, vor denen wir übrigen uns gern noch ein bisschen drücken.

Wenn ich aus dem Fenster schaue, seh‘ ich die gegenüber liegende Gründerzeitfassade, darüber ein paar Meter Himmel, heute grau und trüb. Das ist gut fürs Arbeiten, nichts zieht nach draußen, der Monitor strahlt heller als der Tag. Und doch fühle ich eine Unruhe, ein Hauch von Aufbruchstimmung – aber wohin? Kabul fällt mir ein, der Himalaya, ein Pilgerpfad in Spanien, die Wüste – verrückte Gedanken, schon am Flughafen wäre ich abgeschreckt, bin ja wahrlich kein Reise-Mensch. Lieber Ruhe bewahren, vielleicht stell ich mich einfach mal auf den Kopf – naja, zumindest in den Schulterstand, der Schädeldecke mute ich meine 69 Kilo nun doch nicht zu!

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Engelbert von Seelenfarben.de hat mich für sein Interview der Woche ausgefragt. Wenn ich das jetzt so lese, komme ich mir richtig fremd vor, obwohl die Antworten nicht „getürkt“ sind. Komisches Gefühl.

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