Claudia am 15. Januar 2002 —

Langeweile

Fast eine Woche ohne Diary – warum? Da mittlerweile ein paar liebe Leute anfragen, was aus mir geworden ist, melde ich mich hiermit zur Stelle: Still alive and clicking! :-) Es gibt einfach Zeiten, in denen mich die Muse nicht küßt, mir fällt definitiv nichts ein, was „raus“ will, oder ich zensiere es schon gleich im Kopf weg: zu langweilig, völlig unbedeutend, besser nichts als nur ein paar Worte machen um der Worte willen.

Es ist ja kein Problem, IRGENDWAS hinzuschreiben! Derzeit bekomm‘ ich zum Beispiel immer wieder mal Werbung von www.satt.org, die da stolz vermelden:

„Jeweils einen Monat lang veröffentlichen von nun an handverlesene Autoren auf daily satt ihre tagesaktuellen Aufzeichnungen. Los geht es im Dezember mit daily willmann: den Notizen des Berliner Lyrikers und Schriftstellers Frank Willmann, im Januar 2002 folgt daily stahl (Enno Stahl, Köln) und im Februar 2002 daily wagner (Achim Wagner, Köln/Mülheim a. d. R.). Lesenswerte und kurzweilige Internettagebücher sind Nadeln in Heuhaufen. daily satt ist weder Meinungsportal, noch Nabelschau, weder wahl- noch uferlos. Die Beschränkung auf einen Autor gewährt Einheitlichkeit, der monatliche Turnus Abwechslung.“

Naja, und nun guckt mal, was da so steht! Macht euch das „satt“? Braucht das die Welt? Lohnt es den Klick??? Wenn das die „Nadel im Heuhaufen“ ist, frag‘ ich mich, in welches Heu die zwecks Orientierung geguckt haben. Mir kommt fast jedes Gelegenheits-Blog spannender vor als solche leeren Minimal-Ergüsse, die offensichtlich nur da stehen dürfen, weil der Verfasser sich anderweitig einen Namen gemacht hat. Schon jeder Kreativ-Writing-Kurs bringt weit lesenswertere Ergebnisse!

Lästern ist ja immer ein guter Ausweg, wenn man an existenzieller Langeweile krankt. Mal eben einen kleinen „Krieg“ vom Zaun brechen, zum Beispiel gegen die Telekom: seit Mai warte ich auf einen ISDN-Anschluß, hier, inmitten von Berlin, im „In-Viertel“ von Friedrichshain. Als ich hergezogen bin, sah noch alles ganz normal aus: Antrag gestellt, telefonisch einen Termin ausgemacht – tja, aber der Monteur kam nicht! Auch sonst keine Nachricht, ich war wochenlang ohne Anschluß und beim telefonischen Nachhaken traf ich auf Leute, die jetzt Stein und Bein schworen, die Telekom hätte ganz gewiß NIE einen Termin mit mir ausgemacht, sowas gehe ja nur schriftlich! Endloses Herumtelefonieren, schließlich kam heraus, dass die Bauabteilung die Sache ad acta gelegt hatte, weil ISDN hier noch nicht möglich sei. Dass der Mensch vielleicht trotzdem irgend einen Anschluß möchte, ist ihnen nicht eingefallen. Nochmal Wartezeit, und seither hänge ich „analog“ im Netz, so richtig steinzeitmäßig. Dann im Dezember nochmal nachgefragt: WANN bitte bekomme ich ISDN??? Drei Wochen später ein schriftlicher Bescheid: Wir PRÜFEN dass, wenn die Prüfung abgeschlossen ist, geben wir Ihnen Nachricht. Wie schön!

Was könnte ich tun? Ich könnte jede Menge Wirbel machen, eine BI der Betroffenen gründen, vielleicht allerlei Funktionsträger aus Politik und Wirtschaft motivieren, bei der Telekom anzufragen, wann endlich die Versorgung dieses Innenstadtbezirks gewährleistet ist. Immerhin zieht demnächst Emi-Music hierher, eine der wenigen großen Firmen, die sich entschlossen haben, in die Hauptstadt zu kommen. 500 Leute, von denen etliche hier in FH wohnen wollen. Die werden sich freuen, wenn sie auch gleich „analogisiert“ werden!

Naja, und dann läßt der Anfall von Aktivismus gleich wieder nach. Vielleicht liegts am Alter, daß mich die Vorstellung derartiger „Protest-Arbeit“ nicht mehr richtig motiviert. Vielleicht ist es auch nur eine Phase, der Januar ist nicht gerade ein Super-Monat. Ja, ich langweile mich! Nicht etwa, dass ich nichts zu tun hätte, die Liste „To do“ liegt neben mir und macht mir ständige Vorwürfe – aber irgendwie bekomm‘ ich die Kurve nicht, es mangelt an Begeisterung, an konkreten Wünschen und Zielen, die mich in Bewegung setzen. Und ich vermute, das bleibt auch so, ich hege den Verdacht, dass die Zeiten vorbei sind, in denen ich „von außen“ motiviert werden kann.

Heidegger beschreibt die existenzielle Langeweile als das „Leiden, vom Dasein als Ganzem nicht angesprochen zu sein“. Gute Formulierung, trifft genau den Punkt. Wer sich z.B. verliebt, plötzlich die Kündigung bekommt oder Opfer einer Katastrophe wird, ist auf einmal vom Dasein als Ganzem unausweichlich angesprochen. Dieses „Angesprochen-Sein“ allein aus mir heraus zu erzeugen, ist mir bisher nicht gelungen. Aber ich sehe immer besser, dass genau das die Aufgabe ist.

Diesem Blog per E-Mail folgen…