Gestern abend lief ein Fernsehfilm auf 3SAT, „Schlafende Hunde“, der gut und gern als Illustration zum Roman „Ausweitung der Kampfzone“ von Houellebecq gesehen werden könnte. Ein Konzern plant in einer kleinen Stadt ein riesiges Shopping-Mall-Projekt mit Gastronomie, Wellnesslandschaft und Hotelerie, Gesamtvolumen 140 Millionen. Schauplatz des Films ist die Büroszene des Projektträgers: Wichtige Männer, die laufend Besprechungen haben, viel telefonieren, jede Menge Bestechungsgelder in Geldkoffern hin und herreichen, umgeben von schick gestylten Frauen, die für Häppchen und Getränke sorgen und niedere Organisationsarbeiten erledigen. Jeder kämpft für sich allein, wittert im Anderen den immer zum Tiefschlag bereiten Gegner. Verbissen sägen sie gegenseitig an ihren Stühlen und tricksen sich aus, wobei immer der GANZE Mensch gefordert ist, alle Beziehungen, einschließlich der sexuellen, stehen ganz im Dienst der Intrigen und Karrieren, Freizeit ist fast ganz verschwunden.
Hauptfigur des Films ist eine Buchhalterin, der einzig „gute Mensch“ in diesem Affentheater: Unscheinbar, arglos, alles andere als schlagfertig, immer bereit, sich mit Arbeit zuschütten zu lassen, die für andere zu popelig oder langweilig ist. Ihren Mann, ein wichtiger Aufsteiger in derselben Firma, bekommt sie außerhalb des Büros kaum mehr zu Gesicht. Abend für Abend sitzt sie allein vor dem Fernseher, bis sie in einer Beziehungsberatungssendung den Tipp mitbekommt, ein bisschen Eifersucht sei doch gar nicht schlecht, um eingeschlafene Ehen zu beleben. Noch in derselben Nacht gesteht sie ihrem todmüden und gesprächsunwilligen Mann ein Verhältnis, in der Hoffnung, damit mal wieder auf sich aufmerksam zu machen. Doch der ist einfach nur erleichtert, berichtet ihr von seiner aktuellen Affäre mit ihrer nettesten Kollegin, packt seine Koffer und zieht ins Gästeappartement der Firma, eine wunderbar sturmfreie Bude. Wenige Tage später wird ihr dann auch noch beiläufig eröffnet, dass man sie zu einer Tochterfirma versetzen will – so wäre sie auch im Büro ihrem umtriebigen Mann aus dem Weg.
Jetzt verändert sich die unauffällige Buchhalterin, stylt sich auf verführerisch und steigt ein in den Kampf aller gegen alle. Sie intrigiert weit erfolgreicher als ihre Umgebung, denn von ihr erwartet niemand etwas Böses, bezahlt sogar einen Callboy, der ihre Kollegin bezirzt und ihrem Mann entfremdet. Schließlich kassiert sie vom höchsten Chef mehrere Millionen Schweigegeld, indem sie ihm mit der Aufdeckung aller Bestechungsaktivitäten und mit der Presse droht.
„Verlieren Sie nicht die Hoffnung“, sagt sie gegen Filmende zu einem erstaunten Mitarbeiter, „es gibt noch gute Menschen! Nur gehöre ich jetzt nicht mehr dazu“.
Der Film bleibt stimmungsmäßig ambivalent, einerseits lustige Komödie, andrerseits abgründiger Zynismus, nichts Versöhnliches, menschliche Gefühle sind allenfalls ein Karrierehindernis. Alles ist Kampfzone und man fragt sich: WOFÜR verformen sich diese Menschen so? Was ist die Belohnung? Nicht einmal die gewonnenen Millionen vermögen am Ende, die müden Augen des mittlerweile gekündigten Ehemannes noch zum Leuchten zu bringen, als seine Frau ihm vorschlägt, jetzt gemeinsam um die Welt zu reisen und das Leben zu genießen. Es gibt offenbar keine Belohnung für den ganzen Krampf, sondern nur die Chance, weiter dabei bleiben zu dürfen. Das nächste Projekt, die nächsten Intrigen, der nächste Karrieresprung, bis es einen doch erwischt. Und diese rundum wahnsinnige Lebensweise wird als vorbildlich hingestellt, immer mehr Bürobauten aus Stahl und Glas wachsen in den Himmel, Werbespots zelebrieren das Hohelied hohler Großkotzigkeit – der Fortschritt, der Weltmarkt, der Produktionsdruck, die Konkurrenzsituation? Was treibt uns da vor sich her? Wohin? Warum?
Wie bin ich doch froh, nicht so richtig „drin“ zu sein! Und auch nicht mehr zwanzig oder dreissig, um noch davon zu träumen.
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