Nicht kleckern, sondern klotzen: die FED pumpt Unmengen „neu geschaffenes“ Geld in den Kreislauf, um Investitionen und Konsum wieder anzukurbeln. Dabei horten Banken und Unternehmen derzeit das Geld, um für eine unsichere Zukunft „flüssig“ zu sein – eine geradezu normalmenschliche Reaktion, die ja auch viele „Verbraucher“ davon abhält, Dinge zu konsumieren, die man nicht wirklich braucht.
Es fehlt das Vertrauen, heißt es – und das wird durch MEHR billigen Kredit wohl kaum wieder hergestellt. „Yes, we can“ ist das Motto des neuen Präsidenten, der grade Anstalten macht, die USA auf allen Problemfeldern gleichzeitig umzukrempeln (ich bewundere diesen Mut, das Unmögliche zu versuchen!). Hätten die USA ein besseres soziales Netz und eine weniger katastrophale Krankenversicherung für alle, würde sie das wirtschaftliche Downsizing weniger treffen – dem ist aber (noch) nicht so, also MÜSSEN sie erstmal die Wirtschaft ankurbeln, koste es, was es wolle.
Und doch schreiben viele kundige Experten, dass es gewiss nie wieder werden wird, wie es war: die USA werden nicht mehr die über beide Ohren verschuldeten Konsumenten für die ganze Welt sein – und das ist gut so! Ein funktionierendes Banken- und Finanzsystem ist wichtig, doch wichtiger noch ist der Erhalt eines funktionierenden Planeten Erde. Und dem tut die Überproduktion all der vielen Dinge, die man nicht wirklich braucht, nicht gut – wir WISSEN es alle, können aber offensichtlich aus der Einsicht heraus keine Veränderungen bewirken.
Oder können wir doch? Vielleicht JETZT, unterstützt durch die Zwangsbremse der Krise? Anpassungsfähigkeit ist DIE menschliche Eigenschaft, die unseren Erfolg als Gattung ausmacht. Fortwährend wachsen Kinder in Zustände hinein, die die jeweils Alten als „schlimm verkommen“ ansehen – und finden alles ganz normal. Der menschliche Drang, dazu zu gehören, den die schöne bunte Warenwelt in „must have“-Konsum leitet, kann auch in ganz andere Bahnen fließen – es muss lediglich eine genügend große bzw. beeindruckende Gruppe neue Losungen ausgeben. „Yes, we can“ ist ja schon mal ganz gut, aber WAS wollen wir eigentlich können?
Selbst im Innersten des ökonomischen Denkens liegt ein „alter Wert“: ein Ergebnis mit dem Einsatz geringstmöglicher Mittel erreichen. Also Sparsamkeit, kein nutzloses Verschleudern von Ressourcen – man nennt es „Effizienz“. Leider kennen wir das fast nur als „Produkt-Optimierung“, was in der Regel bedeutet, dass das Produkt schlechter und der Weg in den Mülleimer kürzer wird.
Wir könnten das „Effizienzdenken“ aber auch auf das persönliche Lebensglück anwenden: Was bringt mehr – ein neuer guter Freund oder ein Neuwagen? Ein weiterer Karrieresprung oder mehr Zeit und Muße, um persönliche Beziehungen zu pflegen? Was spricht dagegen, weniger zu arbeiten, weniger zu verdienen, weniger einzukaufen – und dafür MEHR ZEIT zu haben? Sind die Dinge, die nachhaltig glücklich machen, denn wirklich mit Geld zu kaufen? Wieviel Paare kranken daran, keine Zeit für sich und die Beziehung zu haben, weil beide so im Stress sind, dass an Erotik kaum mehr zu denken ist? Wie viele Kinder wären glücklicher, wenn ihre Eltern mehr Zeit mit ihnen verbrächten, anstatt sie in Zimmern voller Spielzeug und Medien sich selbst zu überlassen? Wieviele Alte, Einsame, Kranke bräuchten vor allem mehr menschlichen Kontakt?
Ein Segen für die ökonomisierte Gesellschaft sind die wenigen glücklichen Arbeitslosen, die weder depressiv noch verrückt werden, sondern einfach da sind, wenn man sie braucht. Jemand, der zuhört, wenn man sich mal aussprechen will, jemand, der hilft, wenn ein Umzug ansteht oder der Kindergarten dicht macht – und jemand, der all die Päckchen annimmt, die noch immer per DHL und Hermes in die Häuser geliefert werden.
Da bricht also der Neuwagenverkauf um 40% ein. Gut fürs Klima! Warum nicht kleinere, sparsamere Autos länger nutzen, anstatt fortwährend „Jahreswagen-Hopping“ zu betreiben? Warum nicht die Arbeit an der abgespekten Auto-Flotte auf mehr Leute verteilen, die weniger arbeiten und weniger verdienen? Ein Opel-Arbeitnehmer gehörte bisher sicher nicht zu den Geringverdienern, da müsste ein „Downsizing“ drin sein, natürlich gestreckt über eine längere Anpassungszeit.
Im Luxus-Warensegment findet ja so etwas schon statt. Der große Erfolg von Unternehmen wie brands4friends bedeutet nichts anderes als dass die Hersteller dieser „Marken für Besserverdiener“ nun WENIGER verdienen, wenn sie ihren Kram noch unters (krisensparsame) Volk bringen wollen. Und da die Arbeiter in der dritten Welt, die die Shirts und Taschen tatsächlich herstellen, eh bereits am untersten Limit arbeiten, wird jetzt bei denen gespart, die bisher die großen Handelsspannen einsteckten.
Es gab Zeiten mit lang anhaltender und deutlich höherer Arbeitslosigkeit als jetzt. Da sprach man schon von der „Hinwendung zu postmateriellen Werten“ und so richtig schlecht ging es kaum jemandem. Der neoliberale Zeitgeist machte dieser Entwicklungstendenz dann ein Ende, doch nun sieht man ja, dass das mit allen Mitteln aufgeblähte Wirtschaftswachstum auf tönernen Füßen stand. Was bringt es, immer mehr vermeintliches Vermögen zu produzieren, dass dann doch nur als „notleidendes Kapital“ durch die Welt vagabundiert und Luftnummern erzeugt?
Genug rumphilosophiert für heute. Gewiss werden „geht nicht, weil…“-Kommentare nicht ausbleiben (nur zu!). Mir geht zur Zeit das viele Jammern, Schimpfen, Entlarven, Anklagen und Untergang-an-die-Wand malen einfach ziemlich auf den Senkel. Draußen wirds Frühling, der ist unbezahlbar, ganz umsonst und macht richtig glücklich!
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24 Kommentare zu „Die Wirtschaft ankurbeln: warum eigentlich?“.