Endlich ist es vorbei mit der gewöhnlichen Geschäftigkeit. Anders als ein Wochenende und anders als bloß individueller Urlaub vermittelt die kollektive Auszeit ein viel größeres Gefühl der Entspannung. Niemand erwartet irgend etwas von mir, bzw. ich kann zu Recht erwarten, dass dem so ist.
Ein paar Jahre lang hab‘ ich um diese Zeit gemütliche Online-Kurse für Jahresendzeitmuffel veranstaltet, und zwar unter dem Motto: „Wenn die Nacht am tiefsten ist – Schreibimpulse und Begegnungen zum Jahreswechsel“. Vom 21.12. bis zum 3. Januar gab es jeden Tag einen Schreibimpuls: ein Kurztext, ein Gedicht, ein Bild – halt eine möglichst inspirierende Schreibaufgabe.
Die dafür entworfene geschützte Plattform bot den Teilnehmenden einen Fluchtort für die höchst persönliche Besinnung zum Jahresende, unabhängig von den jeweiligen Weihnachtsunternehmungen, in die sie verstrickt waren. (In Memoriam ein Blick auf die Kursseite im Webarchiv und auf einen der Schreibimpulse, die ich außerhalb der Kurse veranstaltete)
Es waren unvergleichlich dichte und intensive Tage, insbesondere für mich, die ich ja viel mehr dran bleiben musste als die Mitschreibenden. Irgendwann sehnte ich mich dann doch wieder nach einer pflichtenlosen Jahresendzeit, doch denke ich noch heute mit Freude an diese Kurse zurück.
Gemeinsamkeit als Erlebnis und Schreibimpuls
In der friedlich freundlichen Frühzeit des Webs hatte ich schon auf ähnliche Weise zum Mitschreiben aufgerufen, allerdings zu weniger persönlichen Themen. Die Einsendungen kamen per Email, denn interaktive Blogs gab es noch nicht. Ein Beispiel dafür ist etwa die Leserdiskussion „Was ist Wirklichkeit?„, die ich mit Zweifeln an noch vorhandenen Gemeinsamkeiten eröffnete:
„Erleben wir nicht heute, daß die gemeinsame Welt in lauter kleine Privatwelten auseinanderfällt? Können wir uns noch darüber verständigen, was die wirkliche Welt ist??? Was ist überhaupt Wirklichkeit? Was ist Wahrheit? (Und für Spezialisten: Was ist Virtualität?) Ich freue mich über die rege Beteiligung und danke allen Einsendern!“
Das war 1996, also vor 23 Jahren, doch ist die Frage heute aktueller denn je. Wegen ihr bin ich vom Jahresendzeitmuffel zur Jahresendzeitfreundin geworden, die ganz und gar nichts mehr gegen Weihnachten hat, trotz des ganzen Konsumrummels, den ich früher so besserwisserisch kritisierte.
Wie gut, dass es noch Tage gibt, an denen sich die Menschen aus dem Rattenrennen heraus ziehen und ihr persönliches Glück mit Familie und Freunden zelebrieren. Auch geholfen und gespendet wird weit mehr als sonst, wie schön! Wo ich in jungen Jahren nur Heuchelei erkennen konnte, sehe ich jetzt das Positive an Weihnachten: es heißt „Fest der Liebe“ und zumindest der Anspruch, in diesen Tagen die freundlichen Seiten des eigenen Charakters zu zeigen, wird weitgehend geteilt.
Mich freut es, in anderen Blogs Texte zu finden, die versuchen, diesen Geist der Weihnachtstage einzufangen. Zum Beispiel den Blogpost von Henning Uhle:
Weihnachtsfrieden: Das Jahr sagt leise servus.
„Die Waffen schweigen, man ist mal leiser und lässt mal den lieben Gott einen guten Mann sein. Nach der “besinnlichen Adventszeit”, in der es eigentlich nur um den Kaufrausch ging, darf man es wirklich mal ruhiger angehen lassen. Aber nebenher hilft diese Zeit vielleicht auch dabei, dass Menschen mal eine Runde abrüsten. Das kann eigentlich nie eine blöde Idee sein.“
Diesem Wunsch kann ich mich nur anschließen, auch wenn es hier im Blog zum Glück immer sehr zivilisiert zugeht! Dafür bedanke ich mich bei Euch, denn diese friedliche Insel gäbe es nicht ohne Euch, die Ihr immer wieder zeigt, dass gute Gespräche im Netz auch heute noch möglich sind.
Wer Lust hat, etwas über das eigene Erleben rund um Weihnachten zu schreiben, ist herzlich zum Kommentieren eingeladen. Auch entsprechende Blogposts könnt Ihr gerne verlinken!
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2 Kommentare zu „Herzlich willkommen, Jahresendzeit!“.