Wer sich aus möglichst vielen Quellen im Web über die Krise informiert, stolpert unvermeidlich über die vielen Seiten, die heftigst dazu auffordern, physisches Gold zu erwerben (meist bieten sie es auch gleich zum Kauf an). Auch ein neuer Goldstandard, gar „voll gedecktes Geld“ wird verlangt, um das als „betrügerisch“ betrachtete Papiergeld zu ersetzen.
Wertloses Spielgeld? Betrug?
Natürlich ist Papier- und Buchgeld „an sich“ nichts wert. Geldscheine sind Berechtigungsscheine auf einen Anteil am Bruttosozialprodukt zu Preisen, die sich auf Märkten bilden. Wird die Geldmenge durch exzessives Schuldenmachen im Geldschöpfungsprozess der Banken (FiatMoney) aufgebläht, steht sie bald in keinem sinnvollen Verhältnis mehr zu real existierenden Werten und die Wirtschaft driftet in eine Krise, sobald der Glaube an die Rückzahlbarkeit der Schulden wankt.
Da mir bereits vor vielen Jahren im Sozialkundeunterricht eines hessischen Gymnasiums die Rahmenbedingungen des Geldsystems bekannt gemacht wurden („Der Geldschöpfungsprozess“ – damals ein Thema zum ganz großen Gähnen!!), empfinde ich die Anklage, das Papier- und Buchgeld sei „Betrug“, weil das Geld selber ja nichts wert sei, als doch recht verfehlt. Manche tun grad so, als deckten sie eine böse Verschwörung auf, indem sie das System der Zentralbanken, Geschäftsbanken und ihrer Geldschöpfungsmechanismen „entlarven“. Zum Betrug gehört allerdings die Vorspiegelung oder Unterdrückung von Tatsachen, um den Betrogenen gezielt irre zu führen und ihm einen Vermögensschaden zuzufügen – was angesichts von Fakten, die zum Schulwissen gehören, wohl kaum behauptet werden kann.
Ein neuer Goldstandard?
Die Forderung, Geld wieder wie vor langer Zeit durch Gold zu „decken“, damit ein REALER WERT hinter den Scheinen stehe und nicht bloß eine Verabredung, klingt dennoch erstmal ganz vernünftig: Gold wurde im Unterschied zu Papiergeld nie ganz wertlos, es gilt vielen Anlegern als „sicherer Hafen“ und wenn Scheine und Konto-Guthaben direkt X Gramm Gold entsprechen und jederzeit eingetauscht werden könnten, gäbe es (so meinen die Vertreter dieser Sicht der Dinge) auch keine Verwerfungen im Geld- und Wirtschaftssystem. Denn „Geldschöpfung“ gäbe es dann nicht mehr, nur noch Goldgräbertum.
Ich frage mich allerdings, ob und wie denn die (heutige!) globalisierte Wirtschaft funktionieren soll, wenn zur Finanzierung neuer Unternehmungen und Investitionen aller Art letztlich erstmal die Goldmenge erhöht werden müsste? Gegenüber dem 19. und beginnenden 20.Jahrhundert (mit seinen auch nur teil-gedeckten Goldstandards) ist die Wirtschaft der Welt ja ungeheuer gewachsen – Gold aber wächst nicht beliebig mit wie das viel gescholtene „FiatMoney“.
Nun, ich bin keine Ökonomin und vielleicht sind meine eigenen Überlegungen zum Thema „Wiedereinführung eines Goldstandards“ ja recht naiv. Gleichwohl habe ich einfach mal nachgerechnet – mit der schlichten Frage im Kopf, WIEVIEL Gold es weltweit gibt im Vergleich zur benötigten Geldmenge.
Goldmenge und Geldmenge
Wieviel Gold gibt es auf der Welt? Laut ZEIT (Sommer 2008) ergibt die gesamte bisher durch die Menschheit geförderte Menge einen Würfel von 20 x 20 Metern, das sind 160.000 Tonnen Gold.
In Dollar entspricht diese Menge 4.900.800.000.000 USD, also 4900,8 Milliarden USD – ausgegangen von einem Preis von 30,63 USD am 25.5.09;
Als Geldmenge nehme ich nur mal die Europäische Geldmenge M1: alles Bargeld plus Sichteinlagen (=Konten, Tagesgeld, binnen max 30 Tagen verfügbar). Laut Wikipedia (die sich auf die EZB bezieht), betrug diese Geldmenge im Januar 2009 insgesamt 4087 Milliarden Euro, also zum heutigen Wechselkurs 5815,31 Mrd. Dollar.
Ich erkenne an diesen Zahlen recht deutlich, wie unmöglich es wäre, den gesamten Geldbedarf der Welt mal eben so mit Gold zu „decken“ – noch vom nicht unerheblichen Fakt abgesehen, dass der besagte Goldwürfel ja nicht etwa zur Verfügung steht, um mal eben zu Geld zu werden. Er ist lange schon verteilt und im Besitz seiner Eigentümer. Auch dass die Goldmenge jährlich um 2400 Tonnen steigt, ändert nichts an der Tatsache, dass Gold viel zu knapp ist, um das viele umlaufende bzw. auf Konten und Sparbüchern liegende Geld zu „decken“.
Was geschähe, wenn man hier einen „Umstieg“ auf Goldstandard tatsächlich umsetzen wollen würde, mag ich mir gar nicht erst ausmalen, bzw. die gedachte Verbesserung/Rettung würde vermutlich weit schlimmer als die Krankheit, die kuriert werden soll.
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Lesenswert:
* Entwicklung der internationalen Wirtschaftsbeziehungen (mit Geschichte des Geldes);
* Vollgeld – wider die Ohnmacht der Zentralbanken
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7 Kommentare zu „Krisenfrage: Lieber Gold als Geld?“.