Claudia am 01. Juni 2009 —

Krisenfrage: Lieber Gold als Geld?

Wer sich aus möglichst vielen Quellen im Web über die Krise informiert, stolpert unvermeidlich über die vielen Seiten, die heftigst dazu auffordern, physisches Gold zu erwerben (meist bieten sie es auch gleich zum Kauf an). Auch ein neuer Goldstandard, gar „voll gedecktes Geld“ wird verlangt, um das als „betrügerisch“ betrachtete Papiergeld zu ersetzen.

Wertloses Spielgeld? Betrug?

Natürlich ist Papier- und Buchgeld „an sich“ nichts wert.  Geldscheine sind Berechtigungsscheine auf einen Anteil am Bruttosozialprodukt zu Preisen, die sich auf Märkten bilden. Wird die Geldmenge durch exzessives Schuldenmachen im Geldschöpfungsprozess der Banken (FiatMoney) aufgebläht, steht sie bald in keinem sinnvollen Verhältnis mehr zu real existierenden Werten und die Wirtschaft driftet in eine Krise, sobald der Glaube an die Rückzahlbarkeit der Schulden wankt.

Da mir bereits vor vielen Jahren im Sozialkundeunterricht eines hessischen Gymnasiums die Rahmenbedingungen des Geldsystems bekannt gemacht wurden („Der Geldschöpfungsprozess“ – damals ein Thema zum ganz großen Gähnen!!), empfinde ich die Anklage, das Papier- und Buchgeld sei „Betrug“, weil das Geld selber ja nichts wert sei, als doch recht verfehlt. Manche tun grad so, als deckten sie eine böse Verschwörung auf, indem sie das System der Zentralbanken, Geschäftsbanken und ihrer Geldschöpfungsmechanismen „entlarven“. Zum Betrug gehört allerdings die Vorspiegelung oder Unterdrückung von Tatsachen, um den Betrogenen  gezielt irre zu führen und ihm einen Vermögensschaden zuzufügen – was angesichts von Fakten, die zum Schulwissen gehören, wohl kaum behauptet werden kann.

Ein neuer Goldstandard?

Die Forderung, Geld wieder wie vor langer Zeit durch Gold zu „decken“, damit ein REALER WERT hinter den Scheinen stehe und nicht bloß eine Verabredung, klingt dennoch erstmal ganz vernünftig: Gold wurde im Unterschied zu Papiergeld nie ganz wertlos, es gilt vielen Anlegern als „sicherer Hafen“ und wenn Scheine und Konto-Guthaben direkt X Gramm Gold entsprechen und jederzeit eingetauscht werden könnten, gäbe es (so meinen die Vertreter dieser Sicht der Dinge) auch keine Verwerfungen im Geld- und Wirtschaftssystem. Denn „Geldschöpfung“ gäbe es dann nicht mehr, nur noch Goldgräbertum.

Ich frage mich allerdings, ob und wie denn die (heutige!) globalisierte Wirtschaft funktionieren soll, wenn zur Finanzierung neuer Unternehmungen und Investitionen aller Art letztlich erstmal die Goldmenge erhöht werden müsste?  Gegenüber dem 19. und beginnenden 20.Jahrhundert (mit seinen auch nur teil-gedeckten Goldstandards) ist die Wirtschaft der Welt ja ungeheuer gewachsen – Gold aber wächst nicht beliebig mit wie das viel gescholtene „FiatMoney“.

Nun, ich bin keine Ökonomin und vielleicht sind meine eigenen Überlegungen zum Thema „Wiedereinführung eines Goldstandards“ ja recht naiv. Gleichwohl habe ich einfach mal nachgerechnet – mit der schlichten Frage im Kopf, WIEVIEL Gold es weltweit gibt im Vergleich zur benötigten Geldmenge.

Goldmenge und Geldmenge

Wieviel Gold gibt es auf der Welt? Laut ZEIT (Sommer 2008) ergibt die gesamte bisher durch die Menschheit geförderte Menge einen Würfel von 20 x 20 Metern, das sind 160.000 Tonnen Gold.

In Dollar entspricht diese Menge 4.900.800.000.000 USD, also 4900,8 Milliarden USD – ausgegangen von einem Preis von 30,63 USD am 25.5.09;

Als Geldmenge nehme ich nur mal die Europäische Geldmenge M1: alles Bargeld plus Sichteinlagen (=Konten, Tagesgeld, binnen max 30 Tagen verfügbar). Laut Wikipedia (die sich auf die EZB bezieht), betrug diese Geldmenge im Januar 2009 insgesamt 4087 Milliarden Euro, also zum heutigen Wechselkurs  5815,31 Mrd. Dollar.

Ich erkenne an diesen Zahlen recht deutlich, wie unmöglich es wäre, den gesamten Geldbedarf der Welt mal eben so mit Gold zu „decken“ – noch vom nicht unerheblichen Fakt abgesehen, dass der besagte Goldwürfel ja nicht etwa zur Verfügung steht, um mal eben zu Geld zu werden. Er ist lange schon verteilt und im Besitz seiner Eigentümer. Auch dass die Goldmenge jährlich um 2400 Tonnen steigt, ändert nichts an der Tatsache, dass Gold viel zu knapp ist, um das viele umlaufende bzw. auf Konten und Sparbüchern liegende Geld zu „decken“.

Was geschähe, wenn man hier einen „Umstieg“ auf Goldstandard tatsächlich umsetzen wollen würde, mag ich mir gar nicht erst ausmalen, bzw. die gedachte Verbesserung/Rettung würde vermutlich weit schlimmer als die Krankheit, die kuriert werden soll.

*

Lesenswert:

* Entwicklung der internationalen Wirtschaftsbeziehungen (mit Geschichte des Geldes);
* Vollgeld – wider die Ohnmacht der Zentralbanken

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Diskussion

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7 Kommentare zu „Krisenfrage: Lieber Gold als Geld?“.

  1. Tja Claudia, was beweißt uns das?
    Gold ist entweder massiv unterbewertet oder aber es gibt zu viele Dollars. Wahrscheinlich stimmt beides.
    Für eine wirkliche Behebung dieser Problematik wäre ein komplett neues System nötig, was aber so neu gar nicht ist, da es dies im Mittelalter schon einmal gab.
    Die Geldmengenerweiterung durch Zins und Zinseszins muß umgekehrt werden, damit Geld nicht mehr gehortet wir und die ihm eigentlich zugedachte Funktion wieder erfüllen kann.
    Sehr interessante Ausführungen dazu findest Du hier:
    http://www.berndsenf.de/ und auch hier:
    http://www.business-reframing.de/www/cms/single_de_59

  2. Das Video auf business-reframing hab ich grade zu 80% angesehen – toll! Etwas langatmig stellenweise (eben Vortrag eines Professors), aber sehr informativ. Einzelne Komponenten kennt man ja, aber hier werden sie schön zu einem Gesamtbild zusammen gesetzt, das schwer beeindruckt. Quasi die mathematische Logik des Finanzcrashs – gespickt mit ungeheuerlichen Details über einzelne Akteure. Sehr SEHENSWERT!

  3. … in den Neunzigerjahren hab ich einige Krueger Rands abgeschoben, weil sie damals, teils auch aus politischen Gruenden, nichts wert waren. Heute haette ich sie liebend gerne wieder in meiner Sammlung. Mit Gold spekulieren … ja, wenn du in diesem Gebiet ein Profi bist. Ansonst ist es besser ein kleines Hobby, aber meines Erachtenes nicht unbedingt eine sicherere Geldanlage. Am besten haelst du nach wie vor verscheidene Eisen im Feuer.

    So viel ich weiss, verkauft die Schweiz ihre sehr grossen Goldreserven, da der Franken sich schon laengst an anderen Kriterien orientiert, als am Gold.

  4.  
    Es geht hier wohl um Geldtheoretische Überlegungen … Bis vor nicht allzu langer Zeit neigte ich auch sehr zu dieser Idee, alles Geld müsse mit Gold –  dem echten Wert – hinterlegt sein. Jedes andere System müsste nämlich durch Vertrauen bzw. die Regulierbarkeit durch eine vertrauenswürdige Instanz getragen und allzeit funktional gehalten werden. Ein solch hehres Ziel entspricht eher nicht der menschlichen Natur, denn dieser scheint ein kaum überwindlicher Hang zur persönlichen Vorteilsnahme zu eigen zu sein.
     
    Well – aber da wir in Zeiten „einstürzender Paradigmen und allgemeiner Ratlosigkeit“ gepaart mit recht hektischer Betriebsamkeit und Experimentierfreude leben, könnte ich mir vorstellen, meine bisherige Überzeugung bezüglich Goldstandard zu differenzieren oder gar aufzugeben. Unter folgendem link

    http://faz-community.faz.net/blogs/chaos/archive/2009/06/03/moegen-sie-abba.aspx

    finden sich bemerkenswerte Überlegungen zur Geldtheorie. Lohnt sich wirklich da mal drüber zu schauen. Mensch kann sich das gar nicht klar genug machen, was Geld überhaupt ist und warum funktioniert. Wann es scheitert etc.
    Gruß, hh
     
     

  5. @mohnblume
    Meiner Ansicht nach (als Schweizer) wurden die Schweizer bei jener Abstimmung übers Ohr gehauen.
    Ging nicht um andere Kriterien,
    sondern um die selbe Manipulierbarkeit des Franken zu erreichen, wie schon bei anderen Währungen vorhanden ist.

  6. Geld oder Gold? Das Problem sehe ich in der Verteilung. Es heißt, Geld sei als Tausch oder Zahlungsmittel der Gegenwert einer erbrachten Leistung, doch das stimmt nur für wenige Menschen. Viele leisten viel und bekommen kaum oder kein Geld dafür, andere sind vom System des Geld-gegen-Leistung von vorneherein ausgeschlossen, während wenige nichts besonders produktives leisten und dafür viel Geld erhalten. Das ist ungerecht, finde ich und das beliebig vermehrbare virtuelle Geld befördert diese Ungerechtigkeit. Die Religion des unbegrenzten Marktes ist inhuman, nicht die Erfindung eines Tausch- und Zahlungsmittels.

  7. Die Idee vom Goldstandard ist insofern gut, dass er keine exponentielle Ausweitung der Geldmenge zulassen würde. Nur damit allein ist es leider nicht getan. Wir brauchen eine grundlegende Reform unseres Geldsystem, Bodenrechts, Immaterialgüterrechts und Steuerrechts.

    Den Kern des Problems haben bislang offenbar nur wenige erkannt. Unser zins- und schuldenbasiertes Geld- und Wirtschaftssystem ist ein Schneeballsystem, weil die Geldschöpfung über Kredite (d.h. Verschuldung) erfolgt, wobei die Geldmenge aber nur zu einen kleinen und immer mehr schrumpfenden Teil durch Realkapital gedeckt ist. Dieses fehlende Realkapital wird erst in der Zukunft erarbeitet. Der Zins für die Kredite der Geldschöpfung muss aus wieder neuen Krediten finanziert werden. Die Zinseszinsfunktion erzwingt ein exponentielles (und damit unbegrenztes) Wachstum. Nur sind dem natürlichen Wachstum Grenzen gesetzt. Dieses folgt der Logistischen Kurve (auch als S-Kurve bekannt). Am Anfang verlaufen die beiden Kurven praktisch deckungsgleich. Doch ab einem gewissen Zeitpunkt beginnen sie auseinander zu laufen. Diese Differenz wird durch Staatsverschuldung ausgeglichen, bis das System kollabiert.

    Die aktuelle Wirtschaftskrise ist kein Zufall sondern systemisch bedingt.

    Ich habe mir vor ein paar Monaten einmal die Mühe gemacht, die ganze Problematik in einer mehrteiligen Beitragsreihe („Unser Geld- und Wirtschaftssystem hat einen Konstruktionsfehler“) auf meiner Website aufzuarbeiten. Nimm Dir aber am besten einen halben Tag, um die Texte zu lesen und die Videos anzuschauen!

    Liebe Grüsse
    LD