Wähler sind nicht blöd und mit einfachen, ur-sozialdemokratischen Reflexen wie „Karstadt retten wegen der Arbeitsplätze“ nicht mehr wirklich zu überzeugen. Sogar 40% der SPD-Wähler straften die Partei bei der EUROPA-Wahl ab, „…nicht zuletzt, weil sie den Eindruck nicht los wurden, die SPD gebe zu leichtfertig staatliche Gelder in die Hände von Unternehmen… wie eine Umfrage von Infratest dimap ergab.“ (ARD-Nachrichten)
Wer heute mit links-populistischen Forderungen sympathisiert, wählt doch gleich DIE LINKE – und nicht den Tanker SPD, der offenbar zu keiner durchgehenden DEUTUNG des derzeitigen Geschehens in der Lage ist. Für viele hat die Partei ihre Glaubwürdigkeit in sozialen Fragen durch die Agenda 2010 und die Umstrukturierung des sozialen Netzes in den Schröder-Jahren verloren: Es wirkt einfach nicht authentisch und glaubhaft, wenn diejenigen, die Jahre lang „Hartz-IV-Empfängern Beine machen“ wollten und als „Genossen der Bosse“ den neoliberalen Umbau und Ausverkauf des Staates forcierten, nun auf einmal wieder ihr rotes Herz entdecken.
Allerdings eines, das mit dem Hirn nicht mehr sehr vernetzt zu sein scheint: „Wir müssen da helfen. Die Bürgschaft, um die es da geht, scheint mir notwendig und zukunftsträchtig“ sagte Steinmeier allen Ernstes zur Bildzeitung, um staatliche Kredite und Bürgschaften für Arcandor/Karstadt zu rechtfertigen. Wo die Zukunftsträchtigkeit der traditionellen Warenhäuser liegt, fragt man sich aber doch seit Jahren – offenbar ohne Antwort, die auch die SPD nicht geben kann. Trotzdem einfach locker Steuergelder in ein Fass ohne Boden zu werfen, um als stets Arbeitnehmer-freundliche Partei zu punkten, funktioniert nicht mehr. Denn auch Arbeitnehmer sind Steuerzahler und denken mal drüber nach, dass wir alle bezahlen müssen, was die Politik in Zeiten der Krise so an Milliarden verteilt.
SPD: Lobby für privilegierte Arbeitnehmer
In den Medien werden unterdessen immer öfter die vielen kleinen Unternehmen gezeigt, die ebenfalls unter der Krise leiden und weder soviel Aufmerksamkeit noch Hilfen bekommen. Da fällt dann wieder unangenehm auf, dass die SPD vor allem Politik bezogen auf Großkonzerne macht: dort arbeitet das politische Subjekt, dem sie sich am meisten verpflichtet fühlt, im Optimalfall in gut bezahlten, gut abgesicherten, immer noch „lebenslänglich“ gedachten Vollzeitstellen mit Weihnachtsgeld, Urlaubsgeld, lukrativen Überstunden und gewerkschaftlichem Rückhalt.
Dass gerade diese Stellen in den letzten zehn bis 15 Jahren deutlich weniger wurden und dafür jede Menge prekärer Jobs entstanden, die weder ein ausreichendes Einkommen noch irgend eine Absicherung beinhalten, DARAN haben Sozialdemokraten erfolgreich mitgewirkt. 400 Euro-Jobs, Niedriglohnsektor, massenhaft Zeitarbeiter – ja, ja, das war AGENDA 2010: die Abschaffung der Arbeitslosenhilfe und der verstärkte Druck per Hartz4 tat ein übriges, um die Leute in „Arbeit um jeden Preis“ zu zwingen und all das als „in der Globalisierung unumgänglich“ hinzunehmen. Dass KARSTADT-Mitarbeiter heute vermehrt Angst haben müssen, arbeitslos zu werden, liegt nicht zuletzt an den miesen Bedingungen, die die SPD (zusammen mit den GRÜNEN) im sozialen Netz geschaffen hat.
Deutungsmacht: Null!
Mir geht es jetzt nicht darum, dies alles der SPD als komplett falsch vorzuwerfen – ich fand ja selber die Umstrukturierung der Sozialhilfe/ALHI recht sinnvoll, wie auch andere Aspekte der AGENDA 2010. Was aber NICHT funktioniert, aber von so einem Partei-Tanker nicht begriffen wird, ist dieses bloße Umschalten auf Forderungen und Verhaltensautomatismen aus Vor-Agenda-Zeiten. Um solche Schwenks zu vermitteln, braucht es eine nachvollziebare BEGRÜNDUNG, eine „Story“ zum Geschehen, die auch eine Deutung der jetzigen Krise und eine Perspektive umfasst. Eine Partei kann sogar mal sagen „wir haben uns geirrt und Mist gebaut!“ – aber einfach heute so und morgen so, das kostet nun mal Stimmen.
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2 Kommentare zu „Warum die SPD so abbaut“.