Claudia am 09. April 2020 —

Wege aus dem Lockdown, wie ich sie mir vorstelle

Weil gewünscht wurde, dass ich persönlich Stellung beziehe, was ich für sinnvoll halte, schreibe ich mal was dazu. Es ist allerdings Flickwerk und kann sich je nach Lage ändern.

Allen Vorschlägen schicke ich voraus: Es kann nicht darum gehen, während möglicher Lockerungen alle, die durch diese Lockerungen zwangsläufig ein höheres Risiko haben, vor Ansteckung zu schützen. Es ist ganz im Gegenteil angesagt, dass sich binnen einiger Zeit 60 bis 70% infizieren. Nur so entsteht Herdenimmunität, an der wir gar nicht vorbei kommen. Es kommt allein darauf an, den Prozess so zu verlangsamen, dass das Gesundheitssystem nicht an seine Grenzen kommt (flattenthecurve).

1.)
Versuchsbereiche: Es muss nicht alles überall gleichzeitig geschehen.
Um zu wissen, wie es sich z.B. auf die Zahl der Infizierungen und Erkrankungen auswirkt, wenn die Schulen, Unis und/oder Kitas wieder öffnen, braucht es Versuchsbereiche. Z.B. nur die Schulen in einem kleineren Bundesland bzw. einem mit viel freien Kapazitäten. Es könnte vielleicht sogar noch kleinteiliger ausprobiert werden, nur in Gemeinde X.
Das sollte recht zügig, am besten gleich nach Ostern geschehen, da während dessen ALLE immer ungeduldiger werden.

2.)
Es ist m.E. nicht sinnvoll und vermutlich verfassungswidrig, „alle Alten und Risikogruppen“ längere Zeit sonderzubehandeln.
Das sind nämlich viel zu viele, inkl. aller Rauchenden und Vorerkrankten kommt locker über ein Drittel der Bevölkerung zusammen. Einfach nur „die Alten ab 70“ weiter im „Lockdown“ zu halten, ist unsinnig, da es auch unter ihnen Fitte und weniger Fitte, Kerngesunde und schwer Vorerkrankte gibt. Zudem sind die Gefährdeten in der Regel selber sehr einsichtig, da sie ja um ihr Risiko wissen und es ihr ureigenstes Interesse ist, nicht an Covid-19 zu erkranken.

3).
Die Bewohner/innen von Pflegeheimen und Altenheimen dürfen m.E. nicht über längere Zeit von ihren Verwandten und anderen Bezugspersonen abgeschottet werden. Im hohen Alter hat man nicht mehr lange und vielleicht nicht mehr genug Zeit, um „nachholend“ mit den Liebsten zusammen zu sein (Wozu ein als elend empfundenes kurzes Restleben schützen?) Besuche sollten ermöglicht werden, wenn die Bewohner es wünschen – mit Schutzvorkehrungen, Abstand, evtl. im Freien, wenn das Wetter gut ist, da finden sich durchaus Möglichkeiten. Bewohner ohne Kontakte könnten von hilfsbereiten, bereits immunen Ehrenamtlichen besucht werden.

4.)
Geschäfte sollten nach und nach wieder öffnen dürfen, zunächst so, dass die mittlerweile eingeübten Sicherheitsvorkehrungen (Abstand! Nicht zu viele auf einmal…) eingehalten werden können. Welche Art Geschäfte wann und wie früh bzw. später – dazu hab ich noch keine feste Meinung. Friseure sollten mit Mundschutz und Sichtscheibe arbeiten dürfen.

5.)
Mundschutz-Pflicht? Ich hätte nichts dagegen, in Geschäften und im ÖPNV eine Zeit lang einen Mundschutz zu tragen. Draußen im Freien finde ich ihn unsinnig / übertrieben.

6.)
Die Beamten und Angestellten in der öffentlichen Verwaltung, die hoheitliche Aufgaben wahrnehmen, sollten aus dem Homebüro zurück kommen, sofern die IT es nicht zulässt, die Aufgaben tatsächlich von zuhause aus zu erledigen. In Berlin stocken die Baugenehmigungsverfahren, gerade jetzt, wo aufgrund wenigen Verkehrs und leerer Schulen so gut gebaut werden könnte wie nie! Gewiss gibt es Möglichkeiten, am Arbeitsplatz den Abstand zu wahren!

7.)
Demos unter Auflagen müssen bald wieder stattfinden dürfen (Anzahl, Abstand…).

8.)
Unsinnige Beschränkungen von Kontakten auf „nur Partner oder Familie im selben Haushalt“ sind zügig aufzuheben. Singles werden so diskriminiert und in Einsamkeit gezwungen. Zusammenkünfte zu dritt oder fünft, danach dann zu zehnt (und Namensliste) ohne Ansehung des Beziehungsgrads solten nach und nach erlaubt werden. Größere Veranstaltungen? Wann die wieder stattfinden könnten, weiß ich nicht bzw. habe dazu noch keine Meinung.

9.)
Die innerdeutschen Reisebeschränkungen sehe ich kritisch, erkenne aber auch das Problem an touristischen Hotspots: dort lässt sich „Abstand halten“ nicht wirklich umsetzen und durchsetzen. Wer allerdings eine Zweitwohnung hat, der sollte sie auch aufsuchen dürfen. Und Reiseverbote für Einheimische im selben Bundesland hat ein Gericht im Fall Mecklenburg gerade für nichtig erklärt! Glückliche Mecklenburger, sie dürfen wieder an ihre eigenen Strände…

10.)
Je mehr Menschen Corona schon hinter sich haben (nachweislich!), desto unsinniger wird es erscheinen, sie weiter „wie alle“ zu behandeln und Restriktionen zu unterwerfen. Andrerseits ist es ganz gewiss problematisch, eine 2.Klassen-Gesellschaft zu etablieren. Wie man da verfahren sollte, darüber denke ich noch nach.

Wie gesagt: Stückwerk, Flickenteppich….

Mit die allerwichtigste Bezugsgröße für die Bewertung, wann welche Lockerung wo (!) möglich ist, ist m.E. die Auslastung der Intensivstationen. Die kann man öffentlich einsehen, ein Klick auf „Ländertabelle“ zeigt die Zusammenfassung. Pavel Mayer schrieb dazu am 8.4. auf Twitter:

„Wir sind wohl über den Corona-Berg, was die deutschen Intensivstationen betrifft. Laut DIVI sind waren wir gestern bei 1841 Intensivpatienten in Deutschland, 841 weniger als vor 5 Tagen“

Allerdings sind die freien Intensivbetten recht unterschiedlich über die Bundesländer verteilt. Und man weiß nicht, welche Lockerung welche „Schübe“ an Neupatienten bringen könnten. Die Forschungen im „Versuchsgebiet Heinsberg“ sind daher besonders wichtig.

***

Es ist Abend geworden, ich koche mir jetzt erstmal was. Das Thema findet sowieso kein Ende! :-)

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Diskussion

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4 Kommentare zu „Wege aus dem Lockdown, wie ich sie mir vorstelle“.

  1. Vorab, es geht mir nicht um meine Person, dessen Rentnerleben von der Coronakrise kaum tangiert wird. Es geht mir um die Mitmenschen in Not und mit Leid, in prekären Verhältnissen und vor allem auch um die, die ständig und unablässlich weiterhin auf einem hohen Niveau der Todesängste festgenagelt werden.

    Wieso, Claudia, kannst du hier einen 10-Punkte-Ausstiegsplan vorschlagen, von dem ich ausgehe, dass diesem die überwiegende Mehrheit ohne große Veränderungen/Einschränkungen zustimmen würde? Dein Extrakt aus der Analyse der Daten,- die uns Bürgern zugänglich gemacht wird.

    Wieso, Claudia, ist von DEINEM Punkt 1 bis 10 immer noch nichts von den Regierenden deutlich zu vernehmen, in denen wir KOMPETENTE Entscheider „vermuten“, flankiert von Berater- und Expertenräten, die Unsummen an Honorarbeträgen verschlingen? Wieso erst von dir?

    Wieso, Claudia, werden immer noch täglich Zahlen vom RKI ausgegeben, die angeblich die „Entscheidungsgrundlage“ aller weiterer Maßnahmen sind, die das Papier nicht wert sind, auf dem sie stehen?

    Wieso werden wir, wie Lindner heute meinte, wie kleine Kinder behandelt, dem jedes Selbstdenken nicht zugetraut wird? Sowohl von Frau Merkel wie auch von Jens Spahn? Diese Namensliste ließe sich noch ellenlang fortsetzen.

    Wieso werden erst heute, – 5 – Wochen nach meinem persönlichen „social distanc logdown“, von einem öffentlichkeitsgeilen Prof. Streek Ergebnisse öffentlichkeitswirksam präsentiert, die nur das aufzeigen, was wir eigentlich alle schon wissen? Das kommt nach meinem Dafürhalten ( bei dem Geld was derzeit rausgehauen wird) 3 Wochen zu spät. Krisenmanagement gehört wohl immer noch nicht zum politischen Kernfach.
    u.s.w., u.s.w.,….

    Ich habe mich etwas echauffiert. Sorry. Aber ich denke, das geht vielen Menschen derzeit in diesem Lande an die Substanz. Aber ich habe mir auch vorgenommen,- nach meinem „socail distance logdown“-, mich nunmehr auch einem „social media logdown“ zu unterziehen. Irgendwann ist man der Dinge leid.

    Es macht mich sehr, sehr traurig, Claudia, dass du erst hier formulieren musstest, was wir gerne von denen gehört hätten, die unser „Kreuzchen“ am Wahltag bekommen hatten.

  2. Warum die Total-Überwachung uns alle betrifft | Doku | Faszination Wissen | BR
    https://www.youtube.com/watch?v=hm0q6HDWGFkPatrick Vogt
    P

    atrick Vogt
    vor 1 Woche
    Nächster Schritt: Mit Corona installieren was nötig ist, damit Menschen freiwillig ihre Freiheit und Rechte abtreten

    und das machen vermutlich dann die meisten
    und freuen sich darueber dass die kreuzchenerhalter
    endlich mal offen zeigen wozu sie in der lage und frech
    genug dazu sind

    elektronische fussfesseln für alle
    freiwillig selbst angelegt.
    dieser Hohn auf die menschenwürde
    ist wirklich unantastbar.
    ich schmeiss mein handy einfach weg.
    es geht auch mit knotenstricken
    und maultrommeln.

  3. @Menachem: mir scheint, wir leben ein Stück weit in ganz verschiedenen Medienwelten! Fast alles, was ich da vorschlage, ist doch auch schon von anderen thematisiert worden – und in den letzten Tagen sprechen auch Spitzenpolitiker über Lockerungen bzw. Wege auch dem „Lockdown“.
    Spahn gestern:

    „Sollte die Entwicklung bei den Infektionszahlen anhalten, „werden wir mit den Ministerpräsidenten über eine schrittweise Rückkehr zur Normalität nach den Osterferien reden können.“ In einem freiheitlichen Rechtsstaat könnten weitreichende Einschränkungen von Grundrechten „nur so lange funktionieren, wie sie verstanden und akzeptiert werden“. Deshalb sei es nicht nur wichtig, das Handeln gut zu begründen, sondern auch „eine Perspektive aufzuzeigen“.“

    Diverse Ministerpräsidenten diskutieren schon die ganze Woche über verschiedene Lockerungen – ebenso beherrscht das Thema seit Tagen die „öffentliche Debatte“, auch die Virologen, das RKI et al haben ihre Vorstellungen angesprochen.

    Es ist für mich nachvollziehbar, dass – solange die maximale Beschränkung anhält – die wesentlichen Botschaften auf das Durchhalten gerichtet sind. Denn wenn eine als Streit wahrgenommene Auseinandersetzung um die Lockerungen zwischen z.B. Ministerpräsidenten laut würde – was denkst du, wäre die Folge?

    Wenn unser Berliner Bürgermeister z.B. sagen würde: seiner Ansicht nach seien auch Gruppen mit 10 Leuten ok, solange sie Masken tragen, aber da sei nun mal das bundesweit abgestimmte Vorgehen…. hey, glaubst du im Ernst, die Berliner würden sich noch ans aktuelle Kontaktverbot halten? Und die Polizei wäre zu recht irritiert, die das ja durchsetzen soll…
    Auch ist es psychologisch schwierig, alle erdenklichen Lockerunen anzusprechen (s.o.) und dann kommt im nächsten Schritt nur ein Teil davon – immer wären viele enttäuscht und verärgert. Besser, man erwartet nicht viel und dann kommt doch mehr…
    Kurzum: Politik in Corona-Zeiten ist nicht grade einfach! Deshalb gibt es ja auch einen „Ethikrat“, der die Regierenden berät. Der hat in den letzten Tagen ein Paper rausgehauen, in dem geraten wird, durchaus über Lockerungen zu diskutieren. Und seitdem wird das auch verstärkt gemacht!

    Bei alledem sollte man nie vergessen: Niemand steht mit einer Waffe vor uns und bedroht uns, wenn wir aus dem Haus gehen! Die jeweiligen Polizeien wären mit der Durchsetzung des Lockdown KOMPLETT ÜBERFORDERT, wenn die Bevölkerung nicht mitmachen würde und sich an die Einschränkungen halten!

    „Im Modus der Todesangst“ – wer, wo? (in meinem Umfeld sind alle gelassen…)
    „Prof. Streek“ ? Hab ich jetzt nicht auf dem Schirm.,,,,

    @Ingo: Was willst du eigentlich MEHR als Freiwilligkeit? Ist irgend eine Steigerung im Sinne von „kein Zwang“ noch denkbar? Mir fällt da nichts ein…
    Warum sollen jene, die sowieso ihre Fitness-Daten tracken, die nicht an die Wissenschaft spenden? Sie sollen zudem nicht nur anonymisiert, sondern sogar „gerundet“ werden, damit man aus den Daten selbst keine Rückschlüsse auf die Person ziehen kann.

    Ich habe stark den Eindruck, dass – egal was sie machen – es immer eine Gruppe Leute geben wird, die feindselige Akte des Staates darin sehen.
    Tja, ist halt so. Muss eine Demokratie aushalten.

  4. @Claudia:

    …Stückwerk, Flickenteppich…

    Du bildest dir m.E. eine sehr fundierte Meinung und machst dir hier sehr vernünftige Gedanken, wie ein Weg aus dem Lockdown möglichst gut gelingen kann, und bist doch „nur“ eine – zwar bestens informierte – einfache Bürgerin, die alle paar Jahre ein Kreuz auf einem Stimmzettel machen kann.
    Bist du eigentlich zufrieden mit deiner derzeitigen Rolle?

    Kurzum: Politik in Corona-Zeiten ist nicht grade einfach!

    Soweit ich weiß, hast du u.a. einen politischen und juristischen Hintergrund in deiner Lebensgeschichte und ahnst wahrscheinlich viel besser als ich, wie angespannt die Lage auf vielen politischen Ebenen zur Zeit ist und demnächst noch werden wird.
    Die Ungeduld und Unzufriedenheit in großen Teilen der Bevölkerung wird im Laufe der nächsten Monate größer werden.
    Denkst du nicht auch, dass viele Schwächen unserer politischen Strukturen und Institutionen gerade sehr klar erkennbar werden?
    Siehst du da ein Potential zur Verbesserung unserer Demokratie?
    Und wenn ja, welche?

    Bei alledem sollte man nie vergessen: Niemand steht mit einer Waffe vor uns und bedroht uns, wenn wir aus dem Haus gehen! Die jeweiligen Polizeien wären mit der Durchsetzung des Lockdown KOMPLETT ÜBERFORDERT, wenn die Bevölkerung nicht mitmachen würde und sich an die Einschränkungen halten!

    Ja, gut informierte Bürger handeln eigenverantwortlich, davon kann man in einer freien Demokratie ausgehen – im Gegensatz zu China, wo der Lockdown über viele Wochen mit rigoroser Kontrolle bzw. Gewaltandrohung durchgesetzt werden konnte.

    Gut informierte Bürger wissen bzw. ahnen aber auch, dass viele der derzeitigen Einschränkungen und Maßnahmen noch sehr viele Monate (bis ein wirksamer Impfstoff da ist, dauert es wahrscheinlich noch ein Jahr!) andauern werden müssen, um eine unkontrollierte Ausbreitung und damit eine Überforderung des Gesundheitssystems zu verhindern.
    Die Strategie der kontrollierten Erreichung der Herdenimmunität ist zwar offensichtlich die vernünftigste, sonst würden sie nicht (fast) alle Regierungen gerade verfolgen, aber die Durchseuchung der Bevölkerung mit diesem Virus geschieht derzeit anscheinend nur sehr langsam – was durch den Lockdown ja zu erwarten bzw. erwünscht war.
    D.h. eine sinnvolle Lockerung der Einschränkungen und Maßnahmen ist auch für mich sehr vernünftig und wird kommen (müssen).

    @Mendel Welcland:

    Wieso werden wir … wie kleine Kinder behandelt, dem jedes Selbstdenken nicht zugetraut wird?

    Selbstdenken ist ja nicht verboten und kann zum Glück von niemanden kontrolliert werden!
    Und ob mir das – wer auch immer – zutraut oder nicht, ist mir relativ egal. Ich fühle mich von vielen Äußerungen von einzelnen Politkern einfach nicht angesprochen.