Weil gewünscht wurde, dass ich persönlich Stellung beziehe, was ich für sinnvoll halte, schreibe ich mal was dazu. Es ist allerdings Flickwerk und kann sich je nach Lage ändern.
Allen Vorschlägen schicke ich voraus: Es kann nicht darum gehen, während möglicher Lockerungen alle, die durch diese Lockerungen zwangsläufig ein höheres Risiko haben, vor Ansteckung zu schützen. Es ist ganz im Gegenteil angesagt, dass sich binnen einiger Zeit 60 bis 70% infizieren. Nur so entsteht Herdenimmunität, an der wir gar nicht vorbei kommen. Es kommt allein darauf an, den Prozess so zu verlangsamen, dass das Gesundheitssystem nicht an seine Grenzen kommt (flattenthecurve).
1.)
Versuchsbereiche: Es muss nicht alles überall gleichzeitig geschehen.
Um zu wissen, wie es sich z.B. auf die Zahl der Infizierungen und Erkrankungen auswirkt, wenn die Schulen, Unis und/oder Kitas wieder öffnen, braucht es Versuchsbereiche. Z.B. nur die Schulen in einem kleineren Bundesland bzw. einem mit viel freien Kapazitäten. Es könnte vielleicht sogar noch kleinteiliger ausprobiert werden, nur in Gemeinde X.
Das sollte recht zügig, am besten gleich nach Ostern geschehen, da während dessen ALLE immer ungeduldiger werden.
2.)
Es ist m.E. nicht sinnvoll und vermutlich verfassungswidrig, „alle Alten und Risikogruppen“ längere Zeit sonderzubehandeln.
Das sind nämlich viel zu viele, inkl. aller Rauchenden und Vorerkrankten kommt locker über ein Drittel der Bevölkerung zusammen. Einfach nur „die Alten ab 70“ weiter im „Lockdown“ zu halten, ist unsinnig, da es auch unter ihnen Fitte und weniger Fitte, Kerngesunde und schwer Vorerkrankte gibt. Zudem sind die Gefährdeten in der Regel selber sehr einsichtig, da sie ja um ihr Risiko wissen und es ihr ureigenstes Interesse ist, nicht an Covid-19 zu erkranken.
3).
Die Bewohner/innen von Pflegeheimen und Altenheimen dürfen m.E. nicht über längere Zeit von ihren Verwandten und anderen Bezugspersonen abgeschottet werden. Im hohen Alter hat man nicht mehr lange und vielleicht nicht mehr genug Zeit, um „nachholend“ mit den Liebsten zusammen zu sein (Wozu ein als elend empfundenes kurzes Restleben schützen?) Besuche sollten ermöglicht werden, wenn die Bewohner es wünschen – mit Schutzvorkehrungen, Abstand, evtl. im Freien, wenn das Wetter gut ist, da finden sich durchaus Möglichkeiten. Bewohner ohne Kontakte könnten von hilfsbereiten, bereits immunen Ehrenamtlichen besucht werden.
4.)
Geschäfte sollten nach und nach wieder öffnen dürfen, zunächst so, dass die mittlerweile eingeübten Sicherheitsvorkehrungen (Abstand! Nicht zu viele auf einmal…) eingehalten werden können. Welche Art Geschäfte wann und wie früh bzw. später – dazu hab ich noch keine feste Meinung. Friseure sollten mit Mundschutz und Sichtscheibe arbeiten dürfen.
5.)
Mundschutz-Pflicht? Ich hätte nichts dagegen, in Geschäften und im ÖPNV eine Zeit lang einen Mundschutz zu tragen. Draußen im Freien finde ich ihn unsinnig / übertrieben.
6.)
Die Beamten und Angestellten in der öffentlichen Verwaltung, die hoheitliche Aufgaben wahrnehmen, sollten aus dem Homebüro zurück kommen, sofern die IT es nicht zulässt, die Aufgaben tatsächlich von zuhause aus zu erledigen. In Berlin stocken die Baugenehmigungsverfahren, gerade jetzt, wo aufgrund wenigen Verkehrs und leerer Schulen so gut gebaut werden könnte wie nie! Gewiss gibt es Möglichkeiten, am Arbeitsplatz den Abstand zu wahren!
7.)
Demos unter Auflagen müssen bald wieder stattfinden dürfen (Anzahl, Abstand…).
8.)
Unsinnige Beschränkungen von Kontakten auf „nur Partner oder Familie im selben Haushalt“ sind zügig aufzuheben. Singles werden so diskriminiert und in Einsamkeit gezwungen. Zusammenkünfte zu dritt oder fünft, danach dann zu zehnt (und Namensliste) ohne Ansehung des Beziehungsgrads solten nach und nach erlaubt werden. Größere Veranstaltungen? Wann die wieder stattfinden könnten, weiß ich nicht bzw. habe dazu noch keine Meinung.
9.)
Die innerdeutschen Reisebeschränkungen sehe ich kritisch, erkenne aber auch das Problem an touristischen Hotspots: dort lässt sich „Abstand halten“ nicht wirklich umsetzen und durchsetzen. Wer allerdings eine Zweitwohnung hat, der sollte sie auch aufsuchen dürfen. Und Reiseverbote für Einheimische im selben Bundesland hat ein Gericht im Fall Mecklenburg gerade für nichtig erklärt! Glückliche Mecklenburger, sie dürfen wieder an ihre eigenen Strände…
10.)
Je mehr Menschen Corona schon hinter sich haben (nachweislich!), desto unsinniger wird es erscheinen, sie weiter „wie alle“ zu behandeln und Restriktionen zu unterwerfen. Andrerseits ist es ganz gewiss problematisch, eine 2.Klassen-Gesellschaft zu etablieren. Wie man da verfahren sollte, darüber denke ich noch nach.
Wie gesagt: Stückwerk, Flickenteppich….
Mit die allerwichtigste Bezugsgröße für die Bewertung, wann welche Lockerung wo (!) möglich ist, ist m.E. die Auslastung der Intensivstationen. Die kann man öffentlich einsehen, ein Klick auf „Ländertabelle“ zeigt die Zusammenfassung. Pavel Mayer schrieb dazu am 8.4. auf Twitter:
„Wir sind wohl über den Corona-Berg, was die deutschen Intensivstationen betrifft. Laut DIVI sind waren wir gestern bei 1841 Intensivpatienten in Deutschland, 841 weniger als vor 5 Tagen“
Allerdings sind die freien Intensivbetten recht unterschiedlich über die Bundesländer verteilt. Und man weiß nicht, welche Lockerung welche „Schübe“ an Neupatienten bringen könnten. Die Forschungen im „Versuchsgebiet Heinsberg“ sind daher besonders wichtig.
***
Es ist Abend geworden, ich koche mir jetzt erstmal was. Das Thema findet sowieso kein Ende! :-)
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4 Kommentare zu „Wege aus dem Lockdown, wie ich sie mir vorstelle“.