Was ich derzeit auf Twitter mitbekomme, wundert mich ja schon. Da wird Laschet zur Schnecke gemacht, weil er schrittweise, vorsichtige Lockerungen ins Gespräch bringt. Und die wenigen, die sich trauen, in diesselbe Richtung zu denken, werden gleich als Neoliberale, Wirtschaftsfanatiker, FDPler und „Lobbyisten“ beschimpft. Exemplarisch der Tweet:
„Wer jetzt eine Lockerung will hat derzeit sich zuerst um seine lockeren Schrauben im Gehirn zu kümmern.“
„Wenn ich noch einmal Lockerung lese BEKOMME ICH EINEN SCHREIKRAMPF. Es ist absolut nicht die Zeit überhaupt auch nur ansatzweise darüber nachzudenken.“
Es gibt aber auch Kopfschütteln:
Wisst ihr noch, wie wir uns Sorgen gemacht haben, dass die Einschränkungen der Grundrechte durch Politiker nicht rückgängig gemacht würden?
Unter #Laschet und Lockerung BETTELT der Plebs darum, eingesperrt zu bleiben & zu verarmen.
Krass.
Mir scheint, bei nicht wenigen hat sich die Vorstellung eingeschlichen, die Pandemie könne durch „Verstecken bis zum Ende“ im Lockdown ausgesessen werden. Sie haben ganz vergessen, wie die drastischen Einschränkungen begründet wurden: Flatten the Curve, die Krankenhäuser dürfen nicht überlastet werden. Nicht etwa bis zum „Ende der Pandemie“, deren Ende ja nur auf zwei Arten kommen kann:
- mittels Herdenimmunität, wenn also 68 bis 70% die Krankheit überstanden haben und immun sind
- wenn ein Impfstoff gefunden, zugelassen, in Mengen produziert ist und alle geimpft sind.
Bei weiter strengen Einschränkungen wie jetzt würde es wohl Jahre dauern bis zur „Herdenimmunität“. Mit dem Impfstoff ist aber frühestens in einem Jahr zu rechnen, heißt es. Der muss dann auch noch massenweise produziert, verteilt und geimpft sein, bis die Sache durch ist. Will man so lange im „Lockdown“ bleiben?
Wie sieht es zur Zeit aus?
Jürgen Siebert vom Fontblog macht seit 25.3. sehr aussagekräftige Statistiken, basierend auf offiziellen Zahlen. Ich zeige die letzte vom 10.4. – nach Ostern gibt es Aktualisierungen auf Twitter.
„Flatten the Curve“ ist erreicht – eine exponentielle Kurve würde anders aussehen als die blaue Linie! Noch deutlicher sieht man die Veränderungen bzw. positiven Trends auf dieser Statistik:
Demnach liegt die Verdoppelungszeit der Infiziertenzahl schon seit dem 4.4. deutlich über 10 Tagen, mittlerweile gar bei über 14 Tagen. Da auch alle, die sich jetzt über „Lockerungsdiskussionen“ aufregen, in der Regel die Kanzlerin loben, sei daran erinnert, dass sie eine Verdoppelung von über 10 Tagen als „Zielmarke“ bezeichnet hat, ab der man über Lockerungen sprechen könne. Auch die Reproduktionsrate lag am 10.4. bei nurmehr 1.1 – sie sollte (und wird auch bald) unter 1 sinken, bevor man schrittweise lockert.
Es ging und geht wie gesagt nicht darum, einen Zustand zu erreichen, in dem sich niemand mehr ansteckt und niemand mehr an Corona stirbt. Das ist ein Ding der Ummöglichkeit, wir müssen lernen, mit dem Virus zu leben. Das persönliche Risiko ist – nebenbei bemerkt – trotz Lockdown sehr ungleich verteilt, denn bei weitem nicht alle können sich ins Homebüro zurück ziehen und von dort aus philosophische Betrachtungen über „Entschleunigung“ und ihre Segnungen anstellen!
***
Grade hat die „Leopoldina – Nationale Akademie der Wissenschaften“ ein Statement raus gegeben:
Dritte Ad-hoc-Stellungnahme: Coronavirus-Pandemie – Die Krise nachhaltig überwinden
Brisant, weil die Kanzlerin verkündet hat, sich insbesondere von dieser Studie leiten zu lassen, wenn es darum geht, über Lockerungen zu befinden. Gerade kochen die Wogen hoch!
Hier ein SPIEGEL-Bericht dazu.
Und:
Entgegen der in Umfragen ermittelten Mehrheitsmeinung, die für Verlängerung oder gar Verschärfung der Beschränkungen plädiert, bewegen sich die Menschen bereits wieder mehr.
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29 Kommentare zu „Verliebt in den Lockdown?“.