Dass Produkte immer schlechter werden, sind wir eigentlich schon gewöhnt. Im Marketing-Jargon nennt man es „Optimierung“, wenn es gelingt, mit immer weniger und schlechteren Materialien noch mehr Profit aus Dingen zu ziehen, die möglichst bald in den Zustand „Müll“ übergehen. Dann müssen wieder neue gekauft werden und was immer noch zu lange hält, gerät wenigstens aus der Mode. Was soll man auch machen in weitgehend gesättigten Märkten, um noch Wachstum zu erzeugen?
Gottfried, der Habenichts
Aus dieser Welt der sinnloser Ressourcenverschwendung hat sich Gottfried, der Habenichts abgesetzt. Er lebt als Selbstversorger auf seinem 10 Hektar großen Hof, die Hälfte Wiese, die Hälfte Wald. Zwei Kühe, ein paar Schafe und Ziegen, sowie etliche Hühner teilen sein karges Leben.
40 Tage mäht er im Sommer die Wiese, um genug Heu für die Tiere im Winter zu machen – mit der Sense, denn er will ohne Geräte auskommen, die Strom verbrauchen. Aus der Milch der Schafe und Ziegen macht er Käse. Ab und an schlachtet er ein Tier und trocknet das Fleisch. Wasser holt er eimerweise aus der Quelle und Geschirr spült er mit Wasser aus der Regentonne, gemischt mit Molke, die das Fett löst.
Das bessere Leben
Frau und Kinder haben den Selbstversorger verlassen, weil sie ein besseres Leben wollten. Auch ich würde freiwillig nicht mehr als einen kurzen Besuch bei Gottfried machen, denn ich möchte nicht mähen und melken, sondern in den Monitor schauen und mit der Welt kommunizieren. Mich zum Beispiel darüber auslassen, wie widerlich ich es finde, dass die Nahrungsmittel mehr und mehr aus billigen Ersatzstoffen hergestellt werden: Pflanzenfett statt Kuhmilch, gepresstes Eiweiß statt Fisch, Geschmacksverstärker statt Meerrettich. „Der Käufer muss inzwischen nicht mehr nur mit Analogkäse und Formschinken rechnen, sondern auch mit gestrecktem Pesto oder Schokoladenkeksen ohne Schokolade“, sagt Silke Schwartau von der Verbraucherzentrale. „Und das nicht nur bei den Billigmarken, sondern auch bei teuren Markenartikeln.“ (SPON via Sammelmappe).
In diesem „besseren Leben“, das wir alle nicht mehr missen wollen, gerät unser Körper außer Form, wogegen Diäten, Sport und neuerdings Schönheitsoperationen eingesetzt werden, um daraus wieder „Formfleisch“ zu machen. Junge Männer quälen sich an Fitnessgeräten, um ihre Muskeln zu „definieren“ – zum Vergleich schaue man sich Gottfried an. Die kurze kommentierte Bilderschau zeigt einen Körper, an dem kein Gramm Fett zuviel ist: schlank, muskulös, aber nicht „überdefiniert“ – eben so, wie es nur exzessive körperliche Arbeit zustande bringt. Arbeit, die wir (gottlob!) abgeschafft haben.
Zukunft?
Der Selbstversorger sieht sein Leben als Zukunftsmodell: er meint, es werden wieder viele Menschen aufs Land gehen müssen, wenn der Aldi nicht mehr aufmacht. Was ihn bewegt, schreibt er auf seine Stalltür, z.B. „Ich bleibe auf dem Land und ernähre mich, wie ich kann.“
Mir fallen dazu all diejenigen ein, die in den letzten Monaten so vehement zur „Krisenvorsorge“ raten. Die gehen nicht etwa aufs Land, um zu leben wie Gottfried – bewahre! Sie lagern sich Vorräte ein und tauschen ihr Vermögen in Gold oder Silber, um die Krise irgendwie „auszusitzen“ und danach mit besseren Bedingungen als der unbelehrbare (und unvermögende!) Rest der Welt starten zu können.
Wohin starten? Natürlich wieder in das „bessere Leben“ mit all dem Komfort, den wir gewohnt sind. Ja was denn sonst?
Diesem Blog per E-Mail folgen…
Diskussion
Kommentare abonnieren (RSS)
11 Kommentare zu „Der Selbstversorger bloggt an seiner Stalltür“.