Wäre da nicht die Einladung eines Gartennachbarn gewesen, hätte ich den weltberühmten Berliner Club „Sisyphos“ nie von innen gesehen! Aber halt: Wirklich drinnen war ich gar nicht, denn das Sisyphos bespielt derzeit nur den Außenbereich und ist Bar bzw. Biergarten mit Imbissangebot.
Die Corona-Beschränkungen werden hier vorbildlich umgesetzt! Einlass nur mit Maske, es laufen auch Leute herum, die dazu auffordern, sie wieder aufzusetzen, wenn mal jemand in dieser Hinsicht schwächelt. Die Kontaktadresse ist am Eingang zu hinterlassen und an vielen Stellen finden sich Hinweise auf die AHA-Regeln.
Nobody knows…
Im Internet heißt es „Nobody knows that you are a dog“, doch dank Maskenpflicht gilt jetzt auch offline: Nobody knows that you are 66! Das hat mir den Besuch erleichtert, denn normalerweise hätte ich mich nie und nimmer in eine Club-Hochburg der jungen Generation getraut!
Die Situation war allerdings nicht nur wegen der Masken alles andere als normal: Einlass ab 17 Uhr, Ende schon um 23 Uhr – noch nicht wegen der neueren Beschränkungen, die erst ab Samstag gelten, sondern wegen der Nachbarn, die es zu späterer Stunde gerne etwas leiser haben. Dazu kam strömender Regen, der zum Glück im Lauf des Abends nachließ und unter den vielen großen Schirmen und Zeltdächern gut aushaltbar war. Ich bin mit dem Fahrrad durch den Regen hingefahren, gut verpackt in Winterjacke mit Kapuze, so nach dem Motto: Jetzt oder vermutlich nie mehr!
Der Club hat besonderes Glück, über ein großes, weitläufiges Außengelände zu verfügen.Früher war hier eine Fabrik für Hundekuchen! Die Gestaltung der gesamten Anlage ist beeindruckend und angenehm kleinteilig strukturiert. Man findet immer noch eine weitere skurrile Ecke, z.B. ein Boot auf dem Trockenen, tolle Hochsitze und witzige Hexenhäuschen.
Sogar ein Teich mit Goldfischen ist vorhanden, den man auf einem Steg begehen kann.Natürlich auch eine kleine Bühne, Bar-Bereiche und die Essensausgabe. Es gab u.a. Pizza Margherita und Gemüsepizza für 3,–/3,50 das Stück. Beide hab‘ ich probiert, für eine Partylocation wirklich tolle Qualität!
Das Sisyphos liebt Pflanzen!
Eine weitere Besonderheit ist mir gleich ins Auge gefallen: Der massive Einsatz von grünen und blühenden Pflanzen! Kübelpflanzen, Hängepflanzen, Pflanzen in Balkonkästen wohin man sieht. Riesige Container mit Bambus, Schilf im Teich – und je später der Abend, desto toller wird das alles durch wechselndes Farblicht in Szene gesetzt, einschließlich der Bäume. Als Hobbygärtnerin hab ich mich gefragt: Wer ist hier wohl Gärtner bzw. Gärtnerin?
Alle Gewächse sind nicht etwa vernachlässigt, sondern sehr gut in Schuss, teilweise massiv blühend. Schaut man genau hin, ist gut zu sehen, dass alle Hängepflanzen über ein Gewirr von Rohren und Schläuchen bewässert werden – da steckt richtig Arbeit drin, es gibt sogar hübsche „Unterflanzungen“ bei hoch wachsenden Palmen.
Neben den Pflanzen fallen auch die diversen Stahlkunstwerke auf, die – meist in luftiger Höhe – der Szenerie einen extra fantastischen Touch hinzu fügen.
Grafitti- und Breakdance-Battles
Die Veranstaltung am Tag meines Besuchs fand im Rahmen einer Reihe zum 12-jährigen „Nichtgeburtstag“ statt. Warum es „Nichtgeburtstag“ heißt, weiß ich nicht, aber egal, es war ein wunderbarer Abend. Zum Programm gehörten Graffiti- und Breakdance-Battles – beides typische Events heutiger Jugendkultur, die ich so zum ersten Mal im „Real Life“ erleben konnte.
Beim Graffiti-Wettbewerb traten 16 Sprayer/innen gegeneinander an, jeweils immer zwei gleichzeitig. Die mussten in sehr kurzer Zeit vorgegebene Worte kunstvoll an die Wand bringen. Das Publikum entschied dann per Applaus, wer von beiden besser war, dann wurden die Werke wieder hell überstrichen. Naturgemäß gab es mehrere Runden, immer zwei Sieger der letzten Runde gegeneinander, irgendwann war auch Freestyle-Sprayen angesagt. Nicht alle hab‘ ich mitbekommen, denn mein Liebster hatte bemerkt, dass mittlerweile anderswo die „Breakdance-Battles“ begonnen hatten.
Wow, wie die abgetanzt haben! Auch hier im Duo gegeneinander, jedoch abwechselnd allein auf der relativ kleinen Tanzfläche – genügend Abstand war zu jeder Zeit garantiert. Das Publikum sammelte sich drumherum und votierte per „Lärm machen“ für die jeweils beste Leistung. (Kaum zu glauben: eine Teilnehmerin war 46, was extra erwähnt wurde, weil man es ihr wahrlich nicht ansah, so wie sie da herum wirbelte!)
So etwas hatte ich zwar schon als Video gesehen, aber es ist doch etwas ganz anderes, selbst Teil der Szene zu sein. Sehr angenehm aufgefallen ist mir, dass niemand ein Handy zückte, um Fotos zu machen. Das ergab eine ganz besonders „nahe“ und lebendige Stimmung, alle waren wirklich „dabei“ und nicht auf der Jagd nach dem tollsten Foto zum irgendwo vorzeigen. Als ich das gegenüber dem Liebsten lobend erwähnte, klärte er mich auf, dass am Eingang schon „No Fotos“ gestanden hätte.
Tja, ich hatte das gar nicht bemerkt und unwissend meine paar Fotos vom Außenbereich gemacht. Ganz am Anfang, als es noch nicht so belebt war – die Sisyphosianer werden es mir hoffentlich verzeihen! (Vor diesem Blogpost hab‘ ich nachgesehen: Vom Außenbereich stehen schon etliche Fotos im Netz, der ist also nicht „geheim“).
Hiphop bis zum Schluss
Auf der Bühne gabs dann HipHop/Rap in einer anregenden Lautstärke: Eine gewisse Zwerchfellmassage war spürbar, doch war es vermutlich nicht so laut, wie es mit der Anlage hätte sein können. Lautsprecher waren gut verteilt, so dass man nicht „im Pulk stehen“ musste, um alles voll mitzubekommen. Aufgetreten sind Juno 030, Tice und Aylo, nicht zu vergessen DJ Femdelic (DJs spielen in der HipHop-Kultur ja eine prominente Rolle).
Richtig getanzt wurde nicht, doch bewegte sich das Publikum schon ein bisschen mit. Auch mich hat der HipHop-Sound stellenweise erfasst und mich vom Stuhl vertrieben. Ich kann mir jetzt gut vorstellen, wie man sich da die ganze Nacht über in Trance tanzen kann!
Alles in allem war es ein toller Event, der mir sehr gefallen hat. Mitten in Corona-Zeiten ein ganz besonderes Erlebnis! Und eine gute Gelegenheit, sich als älterer Mensch da mal hin zu trauen!
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2 Kommentare zu „Gestern im Sisyphos“.