Selbst verreise ich höchst selten, bin also nicht betroffen vom aktuellen Beherbergungsverbot diverser Bundesländer. Dennoch fand und finde ich diese Regelung einiger Bundesländer voll daneben. Warum? Das hat das Verwaltungsgericht in Baden-Württemberg sehr schön auf den Punkt gebracht:
„Jedoch habe der Antragsgegner bereits nicht dargelegt, dass im Zusammenhang mit der Beherbergung ein besonders hohes Infektionsrisiko bestehe, dem mit so drastischen Maßnahmen begegnet werden müsste. Derzeit seien trotz steigender Fallzahlen in Deutschland keine Ausbruchsgeschehen in Beherbergungsbetrieben bekannt. Vielmehr sei aktueller „Treiber“ der Pandemie das Feiern in größeren Gruppen oder der Aufenthalt in Bereichen, wo die Abstands- und Hygieneregeln aufgrund räumlicher Enge, z.B. in der Schule oder in verschiedenen Wohnsituationen (z.B. Pflegeheimen oder Flüchtlingsunterkünften) nicht eingehalten würden. Die Landesregierung sei verpflichtet, fortlaufend und differenziert zu prüfen, ob konkrete Grundrechtseingriffe auch weiterhin zumutbar seien und ob das Gesamtkonzept von Beschränkungen und Lockerungen noch in sich stimmig und tragbar sei. Bis auf Clubs und Discotheken seien sämtliche Geschäfte, Freizeit- und Sporteinrichtungen, Gaststätten, Bars und Vergnügungsstätten wieder – wenn auch mit Schutzvorkehrungen – geöffnet. Dass gerade Beherbergungsbetriebe, in denen nicht zwangsläufig eine große Zahl fremder Menschen aufeinanderträfen, sondern Gäste in abgeschlossenen Räumlichkeiten ggf. mit einer überschaubaren Personenanzahl übernachteten und deren Kontaktdaten hinterlegt seien, davon ausgenommen würden, erschließe sich nicht.“
Genau! Das Verbot war und ist einfach nicht nachvollziehbar. Gerade in Hotels kann man Gruppen sehr gut aus dem Weg gehen bzw. trifft sie gar nicht erst an. Kein Wunder, dass diese Maßnahme „hoch umstritten“ war! Wären die Ministerpräsidenten einiger Bundesländer einsichtiger gewesen, hätte das Verbot in der gestrigen Konferenz aufgehoben werden können.
Auch das „Freitesten“ als Möglichkeit, einen gebuchen Urlaub dennoch anzutreten, hatte vor dem Gericht keinen Bestand:
„Es sei den Antragstellern nicht zumutbar, sich auf die Möglichkeit verweisen zu lassen, negative Coronatests vorzulegen. Nach derzeitiger Sachlage erscheine es nicht hinreichend gewährleistet, dass ein solcher Test von Reisenden überhaupt so kurzfristig erlangt werden könne. Schon aus rein organisatorischer Sicht sei fraglich, ob dieses enge Zeitfenster, in dem eine Abstrichentnahme durch medizinisches Fachpersonal, der Transport der Proben ins Labor sowie die Übermittlung des Ergebnisses und schließlich das Erscheinen des Gastes im Beherbergungsbetrieb stattfinden müsse, überhaupt eingehalten werden könne.“
Die Politik sollte niemals Unmögliches verlangen! Das schafft nur Unmut und Widerstand, der sich dann auch gegen andere, sinnvolle Maßnahmen richtet. Auch bietet diese „Freitestmöglichkeit“ ja nicht einmal Sicherheit, denn eine (symptomlose) Person kann bereits infiziert sein, noch bevor der Test „positiv“ wird.
Aber die Neuinfektionen steigen doch drastisch…
Ja, das stimmt. Das heißt aber nicht, dass jede Maßnahme, die die Regierenden verhängen, automatisch in Ordnung ist. Der Rechtsstaat muss auch in der Coronakrise nach bewährten Prinzipien agieren. Und das bedeutet zum Beispiel, den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu beachten und die jeweilige Einschränkung auch gut begründen zu können. (Es mag sein, dass demnächst ein höheres Gericht wieder anders entscheidet, dann bin ich allerdings auf die Begründung gespannt!)
Auf Twitter lese ich viele Beschimpfungen gegenüber Menschen, denen ihr Urlaub wichtig ist. Da gibts Leute, die hätten am liebsten eine totale Ausgangssperre für alle! Für mich ist das auch eine Art „psychische Schräglage“, über deren Herkunft ich jetzt lieber nicht spekuliere. Ganz allgemein ist es doch so, dass viele, die einen womöglich mehrmals aufgeschobenen und schon gebuchten Urlaub in Deutschland vorhaben, eher raus aus den großen Städten und rein in naturnähere Gebiete reisen: ganz das Gegenteil eines Ischgl-Ballermann-Urlaubs.
Dass am Zielort die Regeln befolgt werden, darum sollen sich gern alle kümmern – aber nicht jegliches Reisen grundsätzlich verunmöglichen.
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Update:
- Auch das niedersächsische Verwaltungsgericht hat das Beherbergungsverbot außer Kraft gesetzt.
- Sachsen hebt es freiwillig ab Samstag auf.
- Und bei den Krautreportern: Warum das Beherbergungsverbot Quatsch ist – wissenschaftlich erklärt
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5 Kommentare zu „Gericht kippt Beherbergungsverbot – gut so!“.