Claudia am 28. Oktober 2020 —

Wie groß ist die Risikogruppe in Deutschland?

Aus Anlass der Diskussion über Risikogruppen hab‘ ich mal versucht, einen Überblick zu bekommen. Wie groß ist die Zahl derjenigen, die dazu gezählt werden und somit ein erhöhtes Risiko für einen schweren Corona-Verlauf haben?

Alsdenn:

  • 17,5 Millionen Menschen sind 65 Jahre oder älter (21%) (Quelle) – laut RKI haben schon alle über 50 ein erhöhtes Risiko.
  • 25% aller Erwachsenen sind stark übergewichtig bzw. adipös (Quelle),
  • Ca. 20 bis 30 Millionen Deutsche haben Bluthochdruck, ein Fünftel davon weiß es nicht (Quelle)
  • 7 Millionen Menschen haben Diabetes, zwei Millionen wissen es nicht (Quelle)
  • 10 Prozent der Kinder und 5 Prozent der Erwachsenen leiden an Asthma
    (Quelle)
  •  8-12% der Bevölkerung leiden an der Lungenkrankheit COPD (Quelle).
  • Über 1,7 Mio. jährlich werden wegen einer Herzkrankheit in einer Klinik behandelt. (Quelle)
  • 9 Millionen Deutsche haben eine chronische Nierenkrankheit (CKD), davon werden 80.000 langfristig mit dem Dialyseverfahren behandelt (Quelle)
  • 5 Millionen leiden an einer Leberkrankheit (Quelle)
  • Jährlich erkranken ca. 492.000 Menschen neu an Krebs (Quelle), eine Gesamtzahl aktueller Patienten war nicht zu finden.

Hinzu kommen noch alle, die „immunmodulierende“ Medikamente nehmen müssen, also z.B. Transplantierte und alle, deren Immunsystem verrückt spielt.

Deutschland, soooo krank!

So eine Recherche darf ich wirklich nicht öfter machen! Ich wundere mich schon, dass es mir momentan noch ganz gut geht! Und es gruselt mich, was noch alles kommen kann, bzw. mit Sicherheit kommen wird (nur die Variante ist noch unklar).

Natürlich gibt es bei all diesen Krankheiten viele Überschneidungen, doppelt- und dreifach Erkrankte, umso wahrscheinlicher, je älter die Menschen sind. Dass es aber NUR um die Alten gehe beim „Schutz der Risikogruppen“ stimmt einfach nicht. Jede Menge Betroffene leben und arbeiten in der Mitte der Gesellschaft und nicht etwa in Heimen!

Karl Lauterbachs Aussage, die Risikogruppe umfasse 40 Prozent der Bevölkerung, halte ich angesichts dieser Erkundung jedenfalls für recht wahrscheinlich.

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Diskussion

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9 Kommentare zu „Wie groß ist die Risikogruppe in Deutschland?“.

  1. Viele Menschen mit Immunsuppresiva, z.B. bei einer Autoimmunerkrankung, sind nicht krank, eben weil sie diese Medikamente nehmen. Das Immunsystem ist überaktiv und muss durch diese Medikamente in Schach gehalten, also supprimiert werden. Sie leben und arbeiten wie gesunde Menschen, sind nur schon immer weitaus vorsichtiger in ihrer Lebensweise. Sie können rascher erkranken, weil das Immunsystem eben nicht rund läuft. Ein Infekt mit einem dem Körper unbekannten Virus wie Covid kann zum einen einen Schub der Autoimmunerkrankung auslösen, zum anderen kann die Infektion weitaus schwerer und mit möglichen Langzeitwirkungen verlaufen, weil das Immunsystem nicht regulär arbeiten kann.

  2. Daß man nur die sogennante „Risikogruppe“ zu schützen hätte, habe ich schon immer für nicht stichhaltig gehalten.
    Ob es 40 % der Bevölkerung sein könnten oder vielleicht nur 25 %, was wäre im Grunde der Unterschied? Es wäre in jedem Falle eine orbitant große Zahl.

    Zu den Riskogruppen würde ich auch z.b. exzessiv Sportreibende zählen. Der Körper wird hierbei oft jahrelang gestresst, aber dieser hält sich unbemekt aufrecht , sodaß es nicht offensichtlich wird. Nicht umsonst haben mich im Frühjahr 2 Fallbeispiele von „gesunden“ Ausdauersportlern, ein Triathlet dabei, nicht verwundert.
    Oder nehme man auch Alkoholsüchtige. Auch nicht erwähnt in der Übersicht.
    Egal wie groß jetzt die Gruppe der Risikogruppe wäre, wie genau soll man denn eine solche Gruppe schützen? Gibt es da Konzepte?! Mir ist jedenfalls keines bekannt. Denn daran misst sich solch ein Vorschlag.

  3. So ungern ich es sage, ich gehörte zur Risikogruppe. Ich habe zwar in den letzten Monaten 16 kg abgenommen und bin auch weiter dabei. Aber ich habe seit vielen Jahren mit Bluthochdruck zu tun (gut eingestellt) und bin halt immer noch zu fett. Außerdem bin ich fast 67. Wahrscheinlich ist das der Grund, weshalb ich mich so viel mit Corona beschäftige. Zu dieser Gruppe zu gehören, ist kein schönes Gefühl. Und man reagiert vielleicht auch deshalb eher komisch, wenn man bei viel jüngeren (und gesünderen) Menschen so etwas wie Leichtsinn ausmacht. Aber auf diese Gedanken dürfen wir uns nicht einlassen. Das wäre schädlich für die Gesellschaft. Es gibt auch so schon genug Meinungsverschiedenheiten, die echt krass ausgetragen werden.

    Ich denke auch immer an die Leute, die viel schlimmer dran sind. Krebspatienten oder Menschen mit transplantierten Organen. Irgendwie kennt in unserem Alter ja jeder ein paar Leute, die besonders gefährdet sind. Meine Schwiegermutter ist 96, meine Mutter 88. Da will man nicht, dass was passiert. Sich nicht mehr mit Urenkeln, Enkeln und Kindern treffen zu können, ist schon arg. Wir haben den Modus des Frühjahres noch nicht wieder erreicht. Aber unsere Kontakte zu den Kindern (3 und 6) sind leider schon wieder krass eingeschränkt bzw. gegen jetzt gegen Null. Wir tragen beim Einkaufen FFP2 Masken. Es ist krass, wie schlecht diese teuren Masken im Vergleich zu den ganz einfachen verarbeitet sind. Wir treffen keine Freunde, gehen nicht mehr ins Kaffee. Andere Unternehmungen fallen in unserem Fall ja ohnehin komplett weg (Pflege der Mutter). Es ist schlimm, wenn ich mir vorstelle, dass jetzt Monate vor uns liegen und keiner so richtig weiß, was noch vor uns liegt. Ich will mir auch nicht ausmalen, wie das für all die Menschen sein muss, die in Senioren- oder Pflegeheimen leben, wenn sie wieder „beschützt“ werden, wie das ja zum Beispiel auch die Initiative der Gassens, Streecks und Schmidt-Chanasits vorsieht. Man kann das drehen und wenden wie man will, diese Schutzkonzepte laufen auf mehr Isolierung hinaus – mit allen Folgen. Solange man zu Hause mit einem Partner lebt, geht das noch alles. Aber wehe, du bist krank, allein, hilflos und hast womöglich auch noch Angst.

  4. Es sollte „gehöre“ heißen, nicht „gehörte“.

  5. @Horst, dem pflichte ich bei, gerade beim letzten Satz.
    Auch ich bin in deinem Alter und auch nicht völlig gesund. Wer ist das schon mit fast 70 Jahren?
    Zu dem Begriff Risikogruppe, ich hatte das oben schon angeführt: Wer gehört denn nun wirklich dazu? Der fettleibige 25-Jährige auch? Der jugendliche Kettenraucher? Oder ist das viel härter umgrenzt?!

  6. Irgendwie habe ich derzeit eine Blockade und verstehe das alles nicht mehr so genau. Vielleicht kann mir jemand bei meinen Denkfehler auf die Sprünge helfen.

    Was ich leider sehr betroffen feststelle ist, dass der Ton sich zwischen Coronaleugner/Massnahmenskeptiker und Massnahmenbefürworter in der gegenseitigen Herabwürdigung und Diskreditierung sich mittlerweile in fast nichts mehr unterscheidet. Das macht mich traurig. Ein ruhiger und sachlicher Dialog ist kaum noch möglich, wenn sich auf einer ständig erweiternden Faktenbasis unterschiedliche Einschätzungen treffen.

    Ich habe darüber nachgedacht, @Claudia, was für einen Schluss ich aus der oben aufgeführten Statistik ziehen könnte. Bis jetzt habe ich noch keine Antwort dazu gefunden.

    Eine Risikogruppe sagt nach meinem Verständnis ja erst mal noch gar nichts aus. Erst das Risiko in der Risikogruppe macht ein Risiko deutlich, dass dann jeder Mensch für sich selbst bewerten kann.

    Wenn ich die Zahlen von heute nehme, das sind ca. 510.000 positiv getestete, dann sind daran INSGESAMT ca. 820 Männer in meinem Alter, also zwischen 65 und 70, in Verbindung mit Covid gestorben, sowohl mit/ohne/drin/draussen der Risikogruppen. Nehme ich dann noch die kerngesunden verstorbenen Sportler und die „in Verbindung mit“ etc. heraus, dann reduziert sich diese Zahl auch nochmal deutlich auf unter 500, damit auf unter 0,1 %.

    Ich persönlich betrachte dies für mich nicht als Risiko, wie überhaupt, das Leben ist lebensgefährlich. Wenn aber eine andere Person dies als großes Risiko für sich einschätzt, dann akzeptiere ich das. Das ist o.K.. Wir sollten dann aber sehen, wie bekommen wir die Diskrepanzen unter einen Hut gebracht. Paritätisch. Kompromisse.

    Zu meiner Kompromissbereitschaft besteht definitiv auch die Einsicht, dass viele Menschen, wie Horst, eine hohe Verpflichtung gegenüber anderen Menschen haben. Und um dieser Verantwortung gerecht zu werden ist es nach meiner Einschätzung notwendig, dass die Neuinfektionszahlen deutlich gesenkt werden. Da bin ich dabei.

    Insgesamt schließe ich mich dem interessanten Ansatz von Stöhr an, dass der Corona-Risikogruppe insgesamt 100 % der Menschheit angehören.

  7. Danke für Eure Kommentare! Ich hab das im Wesentlichen deshalb recherchiert, um darzustellen, dass die „Risikogruppe“ sehr viel größer ist als die, die meist gemeint sind, wenns ums „extra schützen“ geht: Hochbetagte Heimbewohner/innen.

    Für sie soll es ja jetzt nicht mehr in die extreme Isolation gehen, jedenfalls wird das derzeit angesprochen: sie sollen weiterhin besucht werden können, evtl. mittels Schnelltests. Immerhin!

    @Gerhard: Meine Recherche basierte auf Infos zur Risikogruppe, z.B. hier und hier.

    @Horst: ich gehöre auch zur Risikogruppe, doch hab ich keine Angst, weil ich sowieso sehr isoliert lebe und durch mich auch niemand gefährdet wird. Deine Situation ist eine andere, ich kann das durchaus nachempfinden!

    @Mendel: schön, dass du dabei bist! :-) Und ja, das Leben ist lebensgefährlich – ich fürchte mich z.B. mehr vor einem spontanen Hirnschlag (wg. zu ungesunder Lebensweise und den Folgen) als vor Corona!

    Was den Ton der Auseinandersetzungen angeht, kann ich dir nur zustimmen!

    Allerdings erscheint dieser Streit mir gerade als Pippifax gegenüber dem, was aktuell in Sachen Islamismus / Terrorismus läuft und auf Twitter heute Abend Formen angenommen hat. Siehe Hashtags #StopMacron [mit Ansage] versus #SupportMacron).
    (Falls dazu jemand was sagen will, bitte besser hier),

  8. Mh.
    Diabetes, COPD, Asthma, Herzerkrankungen, Krebs, chronisches Nierenleiden, chronische Lebererkrankung, Bluthochdruck — gibt es eigentlich irgendeine Krankheit, die für das Risiko eines schweren COVID-19-Verlaufs irrelevant ist? Wenn nicht, dann könnte man die Liste nämlich mit der Feststellung abkürzen, daß jeder, der über 50 und nicht 100 % gesund ist, zu den Risikopatienten gezählt werden muß.

  9. @Solminore, ich schrieb unlängst eine Satire über ein Resort, in dem sich die „vulnarables“ zurückzuziehen haben. Es stellte sich darin heraus, daß es viel umfangreicher und grösser würde als zunächst gedacht.