Angesichts dessen, was zur Zeit in der Welt alles im Argen liegt, will ich mal aufschreiben, wovor ich wirklich Angst habe und was nur „Bedenken“ sind.
Um das einzuordnen, bedarf es eines Blicks auf meine persönliche Situation: Mein Alltag unterscheidet sich in nichts vom November letzten Jahres – außer dass ich zum Einkaufen eine Maske aufsetze. Wirtschaftliche Sorgen hege ich nicht, weil meine Auftraggeber zu jenen gehören, denen die Krise einen Boom beschert hat. Ich muss also nicht fürchten, schon bald auf Grundsicherung angewiesen zu sein.
Würde ich keine Nachrichten lesen, hören und sehen, nicht auf Twitter die täglichen „Aufreger“ mitbekommen, könnte ich „inneren Frieden“ genießen, denke ich manchmal. Ich hätte keine Bedenken und allenfalls die Angst vor der Verschlimmerung von kleinen Gebrechen, die mit zunehmendem Alter einher gehen. Wobei „Angst“ nicht wirklich stimmt: im Grunde sind das auch nur „Bedenken“, denn nichts ist schon so schlimm, dass es mich ernsthaft einschränkt.
Was ist „Angst“ und was sind „Bedenken“?
Der Unterschied zwischen „Angst“ und „Bedenken“ ist mir erst in letzter Zeit bewusster geworden. Jedes Mal, wenn in sozialen und anderen Medien beängstigende Inhalte geteilt und mitgeteilt werden, bin ich gefragt, ob ich die jeweilige Angst teile. Wäre dem so, hätte ich den ganzen Tag Panik-Attacken! Weil das aber nicht der Fall ist, mache ich mir darüber Gedanken: Was ist Angst – und was sind nur „Bedenken“?
Alsdenn: ANGST ist ein Gefühl, man spürt sie im Körper, Bedenken finden rein mental statt. Bei bloßen „Bedenken“ erkenne ich zwar die Gründe für die jeweils kolportierte Angst an, spüre aber nichts weiter. Es geht mir gleich gut oder schlecht wie vor der Info. Weder beschleunigt sich der Herzschlag noch habe ich ein „mulmiges“ Spannungsgefühl im Bauchraum oder Solar Plexus.
Durch verstärkte Befassung mit einem potenziell Angst-einflösenden Thema lassen sich mentale Bedenken zur gefühlten Angst steigern – allerdings nur, solange ich passiv bleibe und nur weiter und immer intensiver auf die jeweilige Gefahr starre. Werde ich aktiv und beteilige mich in irgend einer Form im Kampf dagegen, nimmt die Angst wieder ab. Das gilt auch, wenn „Angst“ ohne die Vorstufe „Bedenken“ auftritt, doch ist Spontan-Angst aus meiner Erfahrung eher mittels körperlicher Interventionen zu minimieren: ruhig atmen, vorsichtig ausweichen – etwa, wenn mir eine Hornisse zu nahe kommt (alte Phobie, weitgehend überwunden).
Die Reihenfolge der Ängste und Bedenken
Jetzt aber mal endlich zeitgemäße Beispiele:
Corona:
Seltsamerweise spüre ich keine Angst vor Ansteckung – außer einmal im Traum, in dem ich mich gezwungen sah, durch eine eng stehende, maskenlose Menschenmenge zu gehen. Das war im Mai und spricht dafür, dass sich eine „neue“ Angst im Unterbewusstsein regte, die ich noch nicht „verarbeitet“ hatte. Seitdem plagen mich keine solchen Träume mehr, denn ich halte mein Risiko, mich anzustecken, für ausgesprochen gering. Schließlich sehe ich (abgesehen von Kurzbesuchen im Supermarkt) nur zwei Menschen pro Woche – und zwar immer die gleichen, die auch selbst so isoliert leben.
Große Bedenken hege ich wegen der sich immer weiter radikalisierenden Corona-Leugner und Kritiker-Szene. Damit meine ich nicht all die von Maßnahmen Betroffenen, die aufgrund existenzieller Probleme die Sinnhaftigkeit oder Gerechtigkeit einzelner Beschränkungen anzweifeln, sondern die „Schwurbler“, die sich aus der Vernunft-gesteuerten Debatte verabschiedet haben. Es entsetzt mich, zu bemerken, wie viele nur allzu bereit sind, nur noch das „für wahr zu nehmen“, was in ihrer Blase als „alternative Wahrheit“ kolportiert wird. Alles andere ist für sie Lüge, Mainstream, gekauft, korrupt, böse Verschwörung von „Eliten“ – Umsturz-Fantasien inklusive, mittlerweile Seit an Seit mit Rechtsextremisten und Reichsbürgern. Einfach krass! Ein Thema mit Potenzial, richtig Angst auszulösen, sollten es mehr werden.
Klimakatastrophe:
DAS Dauerthema unserer Zeit, eine Mega-Katastrophe im (gefühlten) Zeitlupentempo, die unsere Art zu leben grundsätzlich in Frage stellt. Persönliche Angst macht mir der Klimawandel dennoch eher nicht – und zwar aus dem egozentrischen Grund, dass ich mich für zu alt halte, um das Gröbste noch mitzubekommen. Dafür hege ich massive Bedenken und bin seit Jahrzehnten auf Seiten derer, die eine viel konsequentere Klimapolitik fordern, im Großen wie im Kleinen. Die Befassung mit den beängstigenden Infos könnte ein Grund sein, an der Menschheit zu verzweifeln. Andrerseits verstehe ich auch die massiven Schwierigkeiten, von einem „weiter so“ auf „ganz anders“ umzusteuern. Menschen mögen keine Veränderungen, außer solchen zur Verbesserung ihrer Situation oder zur Abwechslung und Unterhaltung. Gegen die mentale Keller-Ralley hilft die Befassung mit konstruktiven Politiken und Lösungen, die es zunehmend gibt – sowohl in der Gesellschaft, in der Politik und auch in der Wirtschaft. Auch versuche ich, meinen ökologischen Fußabdruck klein zu halten, indem ich wenig und möglichst nachhaltig konsumiere. Trotz bescheidenem Lebensstil ist da aber noch Luft nach oben!
Trump:
Seltsamerweise ist das abgewählte Enfant Terrible im Weißen Haus ein Faktor mit dem zur Zeit größten Potenzial, mir richtig Angst zu machen. Und weil ich überhaupt nichts an den irren Abläufen rund um den von Trump verweigerten Präsidentenwechsel in den USA ändern kann, hilft mir da nur Info-Diät! Wenn ich darüber lese, was er alles noch anrichten könnte und vielleicht plant, kann mir richtig schlecht werden!
Da fehlt es mir schnell an Gelassenheit – immer ein guter Anlass, sich an den weisesten Spruch zum Thema zu erinnern:
Gott gebe mir die Gelassenheit, Dinge hinzunehmen, die ich nicht ändern kann,
den Mut, Dinge zu ändern, die ich ändern kann,
und die Weisheit, das eine vom anderen zu unterscheiden.
Am Begriff „Gott“ muss ich auch als Ungläubige hier nicht herumkritteln. Bitten, Gebete, Beschwörungen und Affirmationen funktionieren auch ohne Religion!
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6 Kommentare zu „Zur Definition und Bewertung persönlicher Angst“.