Eigentlich sollte man denken, in einer Weltstandt wie Hamburg befänden sich genug intelligente und vorausschauende Leute, um auch Großprojekte halbwegs rational durchführen zu können. Was für eine Illusion!
Was da gerade läuft, ist purer Irrsinn, nicht „nur“ ökologisch, sondern auch ökonomisch. Die 9.Elbvertiefung, die derzeit nach 20 Jahren Streit und einem abschließenden Gerichtsurteil tatsächlich im Gange ist, versackt gerade in zunehmendem Schlick – und trotzdem fällt den Verantwortlichen nichts weiter ein als das gewohnte „weiter so, Hamburg braucht das, die Wirtschaft…“.
Das Thema ist normalerweise nicht meins, doch ein kurzer Bericht im Magazin Panomama zeigt ein Desaster, das mich so bewegt, dass ich einfach drüber schreiben muss. Die Fakten:
- Die 900 Millionen teure.9. Elbvertiefung soll die Elbe um einen Meter vertiefen, damit Schiffe mit 14,5 Meter Tiefgang in den Hafen einfahren können. Vor 20 Jahren konnte man sich nicht vorstellen, dass die größten Containerschiffe heute bereits 16,5 Meter Tiefgang haben, ein Ende ist nicht in Sicht.
- Aktuell zeigt sich, dass durch die Vertiefung weit mehr Schlick nachfließt als vorausgesagt. Es kommt weniger Wasser aus der Elbe (Klimawandel), die Fluten vom Meer laufen weiter den Fluss hinauf, das Entsorgungsproblem besteht weiter und verschärft sich noch (Ich war geschockt, zu hören, dass man bisher den Schlick einfach 10 km weiter die Elbe hinauf wieder ausgekippt hat, von wo er natürlich mit der Strömung zurück kommt! Fortan soll er kurz vor Helgoland ins Meer gekippt werden)
- Die Vorhersagen über die künftige Hafenauslastung haben sich nicht bewahrheitet. Es ist nicht mehr zu erwarten, dass die prognostizierten 25 Millionen (Tonnen) Containerumschlag jemals erreicht werden.
- Schon seit Jahren verliert der Hafen an Bedeutung gegenüber den Häfen direkt am Meer (Rotterdam, Antwerpen). Den Wettlauf mit ihnen kann Hamburg (ein Flusshafen, 100 km vom Meer entfernt!) durch noch so viel Baggern nicht gewinnen, denn wenn schon jetzt Giganten mit 16,5 m Tiefgang unterwegs sind, wird auch eine auf 14,5 m vertiefte Elbe da nicht mithalten können.
Was da entgegen jeder Vernunft voran getrieben wird, zeigt die reale Betonköpfigkeit sämtlicher Entscheider aus Politik und Wirtschaft so drastisch, dass eigentlich klar ist: Jede Hoffnung auf die menschliche Fähigkeit, sich geänderten Bedingungen anzupassen, ist mittlerweile für die Katz! Geht einfach nicht mehr, wenn zuviel Geld im Spiel ist. Die Verantwortlichen zitieren Gutachten zur Wirtschaftlichkeit, die längst überholt sind, sprechen von „Chancen, durch die Vertiefung Marktanteile zurück zu gewinnen“ (für wie lange?) und sind fest entschlossen, den Weg in die Sackgasse weiter zu gehen.
Aber die Arbeitsplätze! Das ewig gleiche Argument bleibt immer gleich blödsinnig: Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben! Wenn keinerlei Anstrengungen unternommen werden, die Wirtschaft an die Zukunft als „Ergänzungshafen“ anzupassen und eben auch andere Sektoren zu entwickeln, dann werden Umsatz- und Arbeitsplatzverluste deutlich krasser und leidvoller ausfallen als mit einer voraus schauenden Umsteuerung.
Die Elbvertiefung zahlen wir übrigens alle mit!
Mehr dazu:
- Elbvertiefung: Probleme durch Schlick im Hamburger Hafen
- Hamburger Hafenbehörde hält Elbvertiefung für gefährdet
- Deutsche Seehäfen: Lokale Konkurrenz, globale Schwäche (interessant: der Jade-Weser-Port ist ein Tiefwasserhafen, in den Containerschiffe aller Größen passen!)
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7 Kommentare zu „Versackt im Schlick: Wahnsinn Elbvertiefung und immer weiter so!“.