Claudia am 11. März 2021 —

Sind Menschen eher gut oder böse?

Auf diese Frage brachte mich Wolf Schneiders Blogpost Sind wir »Im Grunde gut«?, der die zwei konträren Sichtweisen der Historiker Yuval Noah Harari und Rutger Bregman vorstellt. Sehr lesenswert!

Gut und BösePersönlich neige ich zu einer dritten Sicht der Dinge: Mensch ist gut und böse – je nach Situation und Rahmenbedingungen.

Wobei das, was als „gut“ bzw. „böse“, gilt, durchaus einem kulturellen Wandel unterliegt. Man denke nur an „Blutrache“, die noch in einigen Ländern praktiziert wird, oder die schrecklichen Femizide und Verstümmelungen in der heutigen Türkei, bei denen die jeweiligen Täter durchaus uneinsichtig und damit nicht mal sehr alleine sind! (Hier eine beeindruckende aktuelle Doku von ARTE, schwer auszuhalten!)

Dass der biblische Moses seinem Volk 10 Gebote verkündet hat, lässt tief blicken, was zuvor alles als moralisch kompatibel angesehen wurde. Frauenraub, Überfälle, Viehdiebstahl – lange war das voll ok!

Schaut man auf nicht gewalttätige Verstöße, so ergibt sich oft erst im Zuge der Aufdeckung, ob es sich um Korruption oder eine „ganz normale Provisionszahlung“ handelt, wie im aktuellen „Maskenskandal“.

Andrerseits: Kürzlich verlor ich bei der Heimfahrt aus dem Garten (ca. 6 km) zweimal meinen Geldbeutel (mit Karten, Ausweisen..), einmal aus der hinteren Hosentasche, danach nochmal aus der Jackentasche, in die ich ihn gesteckt hatte, nachdem ihn mir ein aufmerksamer Radfahrer „nachgetragen“ hatte. Kaum war ich zuhause, klingelte es und unten standen die Finder/innen. Was für ein toller Beweis für das Gute in den Menschen! Aber: Wäre das wohl genau so verlaufen, wenn der Ausweis ein syrischer gewesen wäre und das Bild einen bärtigen Migranten gezeigt hätte? Wer weiß…

Wir sind die erfolgreichste Spezies der Welt, WEIL wir GUT UND BÖSE sein können, je nachdem, was die Lage erfordert. Die katholische Kirche erklärt jene zu HEILIGEN, die für ihre Überzeugung auch unter Todesbedrohung sterben – weil sie seltene Ausnahmen sind.

Die in spirituellen und psychotherapeutischen Kontexten vielfach genannte „Schattenintegration“ bedeutet: Realisieren, dass „das Böse“ auch in mir ist und ich keineswegs – wie als junger Mensch lange gedacht – „immer bei den Guten“ bin.

Wer das erkennt, kann es immer schon sehen, BEVOR es zu Handlungen kommt. Dann lässt sich die Fähigkeit, „böse zu sein“ als Tool begreifen, das nur in den seltensten Fällen noch zum Einsatz kommen darf, wenn es darum geht, höhere Werte und Güter zu verteidigen.

Im Alltag immer wieder zu beobachtende „böse Regungen“ wie etwa Neid, Eifersucht, Schadenfreude, unbegründete Ressentiments aufgrund von Vorurteilen – sie alle sind Zeichen, dass das „Potenzial zum Bösen“ stets bereit steht, das Ruder zu übernehmen.
Wenn wir es zulassen!

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Diskussion

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6 Kommentare zu „Sind Menschen eher gut oder böse?“.

  1. Der Mensch war schon immer böse. Sein Überleben hängt nur ohne, nicht mit Natur zusammen. Corona sollte das eindrucksvoll bewiesen haben. Den Rest kann man sich dazu auch denken. Muss man natürlich nicht.

  2. @Juri: na, mit deiner Sicht auf die Menschen würde ich nicht leben wollen! Aber ich verstehe auch den Satz nicht: “ Sein Überleben hängt nur ohne, nicht mit Natur zusammen.“ Was heißt das?

  3. Ja, diese Frage, ob Menschen eher gut oder böse sind, ist sehr breit gefächert.
    Dazu möchte ich die vor einigen Jahren archivierte Rede von Michael Schmidt-Salomon wiedergeben, weil ich dieser Ansicht voll zustimme.
    „Hoffnung Mensch – eine bessere Welt ist möglich“
    Ist dem Menschen nicht mehr zu helfen?
    Ist er nur ein fataler „Irrläufer der Natur“, um den es nicht schade wäre, wenn er von der Erde verschwinden würde?
    Nein, sagt Michael Schmidt-Salomon von der Tele-Akademie bei ARD-alpha.
    Und es gibt sie – Menschen guten Willens, überall in unserem Land.
    Der Mensch ist auch das mitfühlendste, klügste, phantasiebegabteste und humorvollste Tier auf unserem Planeten.
    Sein Vortrag nimmt die positiven Seiten und das Potential unserer Spezies in den Blick.

  4. Wenn Hannah Ahrend recht hat und das Böse zwar extrem aber nie radikal ist das Gute hingegen tief und radikal könne man daraus schließen, dass das Verhältnis zwischen guten und bösen Menschen geklärt wäre. Kant hat geschrieben, dass ein Mensch das Böse nicht um seiner selbst willen wollen könne. Es mag nach Wunschdenken klingen. Mir gefallen diese Gedanken. Vielleicht sollte man fragen, ob die Menschen eher klug oder eher dumm sind. Das scheint jedenfalls ganz prima ins aktuelle Bild zu passen.

    Hannah Ahrend hat in ihrem Buch „Über das Böse“ in diesem Zusammenhang viele gute Gedanken vorgetragen, ein bisschen in Anlehnung vielleicht an das damals umstrittene Werk „Die Banalität des Bösen“ (Eichmann-Prozess).

  5. @Claudia Das ist nur lantürich. Schau Dir doch einfach die Entstehung und Entwicklung der Stadt Hamburg an. Was hat das mit Natur zu tun? Siehe auch Schlickgrabungen. Wo der Mensch in Massen auftritt, ist die Natur nicht da, sondern absent. Du kennst doch sicher den Witz mit der Erde und dem Virus Mensch?
    Corona zeitigt den. Wir haben einen Virus. Eine der geringsten Lebensformen, an dem wir in diesem Fall sogar eher selten sterben. Diese Lebensform radieren wir aus. So handhaben wir das auch bei allen anderen Lebensformen (es sei denn, wir haben diese selbst gezüchtet). Teilweise sogar ohne groben Vorsatz.
    Würdest Du im Einklang mit der Natur leben, so wäre Corona mit Dir im Einklang. Natur ist für den Menschen grausam, also ist der Mensch grausam zur Natur. Darauf gründet sich die gesamte, sogenannte Zivilisation des Menschen.

  6. Ob wir als Menschen eher gut oder böse sind, halte ich für eine rein akademische um nicht zu sagen künstliche Diskussion. Gut und böse sind kulturelle, menschengemachte Kategorien, die demzufolge auch stetigem Wandel unterliegen.

    Die Natur kennt kein gut oder böse. Und einem Virus ist es egal, ob der Mensch im Einklang mit der Natur lebt. Genau so wie ein Vulkanausbruch, der alles unter sich begräbt.

    Die einem Verhalten zugrunde liegenden Emotionen, haben evolutionär ihre Berechtigung. Wie wir damit umgehen bestimmt unser Zusammenleben und dafür sind Kategorien wie gut und böse eben sehr hilfreich. Bislang sind wir Menschen damit recht gut gefahren.