Auf diese Frage brachte mich Wolf Schneiders Blogpost Sind wir »Im Grunde gut«?, der die zwei konträren Sichtweisen der Historiker Yuval Noah Harari und Rutger Bregman vorstellt. Sehr lesenswert!
Persönlich neige ich zu einer dritten Sicht der Dinge: Mensch ist gut und böse – je nach Situation und Rahmenbedingungen.
Wobei das, was als „gut“ bzw. „böse“, gilt, durchaus einem kulturellen Wandel unterliegt. Man denke nur an „Blutrache“, die noch in einigen Ländern praktiziert wird, oder die schrecklichen Femizide und Verstümmelungen in der heutigen Türkei, bei denen die jeweiligen Täter durchaus uneinsichtig und damit nicht mal sehr alleine sind! (Hier eine beeindruckende aktuelle Doku von ARTE, schwer auszuhalten!)
Dass der biblische Moses seinem Volk 10 Gebote verkündet hat, lässt tief blicken, was zuvor alles als moralisch kompatibel angesehen wurde. Frauenraub, Überfälle, Viehdiebstahl – lange war das voll ok!
Schaut man auf nicht gewalttätige Verstöße, so ergibt sich oft erst im Zuge der Aufdeckung, ob es sich um Korruption oder eine „ganz normale Provisionszahlung“ handelt, wie im aktuellen „Maskenskandal“.
Andrerseits: Kürzlich verlor ich bei der Heimfahrt aus dem Garten (ca. 6 km) zweimal meinen Geldbeutel (mit Karten, Ausweisen..), einmal aus der hinteren Hosentasche, danach nochmal aus der Jackentasche, in die ich ihn gesteckt hatte, nachdem ihn mir ein aufmerksamer Radfahrer „nachgetragen“ hatte. Kaum war ich zuhause, klingelte es und unten standen die Finder/innen. Was für ein toller Beweis für das Gute in den Menschen! Aber: Wäre das wohl genau so verlaufen, wenn der Ausweis ein syrischer gewesen wäre und das Bild einen bärtigen Migranten gezeigt hätte? Wer weiß…
Wir sind die erfolgreichste Spezies der Welt, WEIL wir GUT UND BÖSE sein können, je nachdem, was die Lage erfordert. Die katholische Kirche erklärt jene zu HEILIGEN, die für ihre Überzeugung auch unter Todesbedrohung sterben – weil sie seltene Ausnahmen sind.
Die in spirituellen und psychotherapeutischen Kontexten vielfach genannte „Schattenintegration“ bedeutet: Realisieren, dass „das Böse“ auch in mir ist und ich keineswegs – wie als junger Mensch lange gedacht – „immer bei den Guten“ bin.
Wer das erkennt, kann es immer schon sehen, BEVOR es zu Handlungen kommt. Dann lässt sich die Fähigkeit, „böse zu sein“ als Tool begreifen, das nur in den seltensten Fällen noch zum Einsatz kommen darf, wenn es darum geht, höhere Werte und Güter zu verteidigen.
Im Alltag immer wieder zu beobachtende „böse Regungen“ wie etwa Neid, Eifersucht, Schadenfreude, unbegründete Ressentiments aufgrund von Vorurteilen – sie alle sind Zeichen, dass das „Potenzial zum Bösen“ stets bereit steht, das Ruder zu übernehmen.
Wenn wir es zulassen!
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6 Kommentare zu „Sind Menschen eher gut oder böse?“.