Claudia am 02. September 2009 —

Ritalin: Über einen journalistisch motivierten Selbstversuch

Selten vermag es ein langer Artikel, mich vom ersten bis zum letzten Wort auf den Text am Bildschirm zu konzentrieren:  „10 Milligramm Arbeitswut“, Birgit Schmids Bericht über ihren einwöchigen Selbstversuch im schweizerischen TAGESANZEIGER schafft es mühelos – fast als wirke das Ritalin auch ein wenig auf die Leserin.

Eine Woche lang schluckte die Autorin die mehr und mehr zur LifeStyle-Droge werdenden kleinen Pillen, nachdem sie ihren Hausarzt überredet hatte, ihr eine Packung mit relativ niedrig dosiertem Wirkstoff zu verschreiben. Ihre Ausgangssituation kenne ich zur Genüge: man arbeitet und arbeitet, doch gibt es immer wieder 10.000 Ablenkungen und die Verführung, mal wieder in die E-Mail zu schauen, ein bisschen zu twittern, Kommentare in den Blogs zu beantworten und vieles mehr. Es nervt, sich immer wieder mühsam am Riemen zu reißen und auf das aktuelle Tun zu konzentrieren: die Aufmerksamkeit verhält sich gelegentlich wie eine springende Heuschrecke, mal hier, mal da – ein Wunder, wieviel ich dennoch abarbeite!

Es ist allerdings auch immer zuwenig: zuwenig für die eigenen Ansprüche, die sich entlang an den vielen Ideen in Richtung MEHR und ANDERES entwickeln und die Mühen der Ebene nicht in Betracht ziehen. Man möchte Gipfel stürmen, aber nicht langwierig herum klettern – und wenn es eine Pille gibt, die das ermöglicht, warum nicht? Konzentrierte Leistungsfähigkeit ist schließlich das, was in unserer arbeitsversessenen Gesellschaft Anerkennung und Erfolg bringt, im Großen und im Kleinen. Es wundert nicht, dass viele dahin kommen, der Sache chemisch auf die Sprünge zu helfen. Fragt sich, zu welchem Preis!

Speed light: Vorteil ist Nachteil

Obwohl der „Nutzen“ der RITALIN-Wirkung in Schmids Artikel ausgiebieg gewürdigt wird, führt er in meinem Fall nicht dazu, dass ich mir jetzt eine Packung im Netz bestelle. Wie bei allen Drogen zeigt sich klar: der Vorteil ist auch Nachteil, das extrem konzentrierte Denken bedeutet auch Verluste:

„….und weil die scharfen Denkstrahlen alles wegschneiden, was belasten könnte, scheint eine Empfindung wie Traurigkeit gerade unerreichbar. Es leuchtet ein, dass Ritalin schon als Antidepressivum verwendet wurde. Auch jede Melancholie geht auf Kosten der Superkonzentriertheit. Verloren geht, was eigentlich inspiriert. Unter Ritalin wäre ich kaum zwei Stunden lang durch den Friedhof Montparnasse in Paris flaniert, und ich hätte meinen Schatten, der in der Abendsonne auf die Grabsteine fiel, nicht mal bemerkt. Flirten wäre nicht wie ein Schmetterling, den man zu fangen versucht, sondern angestrengt und aggressiver. Ich würde mich nicht mehr gedankenlos verlieben mit einem schon fast körperlichen Wissen, sondern mit Verstand. Scharf denken macht unfrei: rumblödeln, absurde Ideen entwickeln? Nein. Auf sich selbst zurückgeworfen, wird auch das Schreiben eng. Man hinterfragt sich nicht, tritt keinen Schritt zurück; die Kehrseite der fehlenden Selbstzweifel.“

Im Artikel kommen alle wichtigen Aspekte vor: Die Frage nach der Gerechtigkeit und Legitimität des „Hirndopings“, die Bemäntelung der Smart Drugs als Therapeutikum, die Argumente der Pharmaforscher und natürlich die Nebenwirkungen: auf das leicht euphorisierte Arbeits-High folgt das entsprechende „Down“, der Sturz ins Energieloch, wenn nicht nahtlos die nächste Pille folgt. RITALIN zeigt sich als „Speed light“ und hat bei Gesunden ebensolche Wirkungen: Appetitlosigkeit, gefolgt von Heißhunger, wenn die Wirkung nachlässt – und ein Gefühl des Ausgebrannt-Seins und der mentalen Erschöpfung:

„Obwohl es an müden Tagen von Vorteil sein kann, sich an die Arbeit zu setzen, ohne einen Sinn zu hinterfragen, hat das Gefühl der Hyperfokussiertheit rückblickend etwas Erschöpfendes. Das Medikament eignet sich dann, wenn man sich an eine Tätigkeit peitschen muss und sich von jeder Mücke ablenken lässt. Aufgeputscht, erlebte ich das Zwischenmenschliche als eher mühsam.“

Ich empfehle, auf jeden Fall auch die interessanten Kommentare unter dem Artikel zu lesen: hier treffen sehr kontroverse Meinungen aufeinander und die dunklen Seiten der Medaille kommen deutlicher heraus als im Text selbst. Schließlich benebelt so eine Erfahrung ja auch das übliche kritische Denken – es wundert nicht, dass das Ganze ein wenig zu positiv ausgefallen ist.

Offene Frage: wie entsteht ein Flow ohne Dopamin?

Gleich zu Beginn des Selbstversuchs heißt es zur beginnenden RTALIN-Wirkung: „In den nächsten Minuten wird der Wirkstoff Methylphenidat die Wiederaufnahme des Neurotransmitters Dopamin in meinen Nervenzellen hemmen.“ Was mir fehlt, ist eine weitere Darstellung des Wirkungsmechanismus. Dazu heißt es nur recht allgemein, der Wirkstoff stimuliere jene Bereiche im Gehirn, die für die Aufmerksamkeitskontrolle und Wahrnehmung zuständig sind. Dadurch könne man sich besser konzentrieren, klarer denken und jeder Anflug von Müdigkeit sei verscheucht.

Wie kann das sein? DOPAMIN gilt doch als das „Glückshormon“, das für das Empfinden eines „Flows“ im jeweiligen Tun zuständig ist. Wie kann also die Hemmung der Dopamin-Rezeption Flow-ähnliche Zustände der Versunkenheit verursachen?

Wenn ich dann noch auf Wikipedia lese, in welche Wirkungszusammenhänge Dopamin ebenfalls eingreift, kann einem angesichts der lockeren Medikation heutzutage schon ein wenig mulmig werden:

Dopamin ist aber auch ein Neurotransmitter in einigen Systemen des vegetativen Nervensystemes und reguliert hier die Durchblutung innerer Organe. Es wird für eine Vielzahl von lebensnotwendigen Steuerungs- und Regelungsvorgängen benötigt.
Unter anderem beeinflusst Dopamin die extrapyramidale Motorik (hier besteht möglicherweise ein Zusammenhang mit der Parkinsonschen Erkrankung). Ebenso steht der Dopaminhaushalt im Zusammenhang mit den neurobiologischen Aspekten von Psychosen und verschiedenen Störungen. Auch in die Regulation des Hormonhaushaltes greifen dopaminerge Systeme ein. So hemmt Dopamin aus Neuronen, die entlang des 3. Hirnventrikels lokalisiert sind, an der Hypophyse die Ausschüttung des Hormones Prolaktin. Weiter regelt es die Durchblutung der Bauchorgane, insbesondere ist Dopamin an der Steuerung der Nieren beteiligt.

Und da geht man also her und hemmt mal eben die Zufuhr bzw. den Dopamin-Stoffwechsel, bloß um sich besser konzentrieren und effektiver arbeiten zu können? Mir kommt es vor wie ein weiteres Öffnen der Büchse der Pandora: wegen eines singulären positiven Effekts wird ein ganzes System mittels chemischer Gewalt in den Griff genommen – OHNE dass man genau wüsste, was alles langfristig darunter leiden mag. Wieder mal typisch für unsere „herrschende Medizin“!

All meine Lebenserfahrung zeigt: nutzt du eine Krücke, kannst du bald nicht mehr ohne sie leben. Das gilt sogar für die täglich aufgetragene Gesichtscreme: die Haut verlernt schnell, das Gleichgewicht aus Fett und Feuchtigkeit eigendynamisch aufzubauen und man ist zur Freude der Kosmetik-Hersteller von den teuren Tages- und Nachtcremes abhängig.

Mit dem Glückshormon würde ich also ganz gewiss nicht mutwillig herum spielen, nur um eine wenig effektiver arbeiten zu können. Kann ja gut sein, dass jegliches „natürliche“ Glück dann einfach ausbleibt.

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Diskussion

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20 Kommentare zu „Ritalin: Über einen journalistisch motivierten Selbstversuch“.

  1. Ich hab für das SuchtMagazin (2005, Nummer 3) eine Artikel zu Ritalin und ADHS aus psychologischer Sicht geschrieben, wobei es mir hauptsächlich um den Gebrauch zur Ruhigstellung von Kindern ging. Bei meinen Recherchen fand ich, dass es offensichtlich schon als eine Form von Erziehungsmittel betrachtet wird, wenn sich Eltern überfordert fühlen. Die Ursachen von Hyperaktivität sind übrigens trotz mancher Behauptungen noch immer weitgehend ungeklärt.
    Ich habe auch eine Webseite mit allgemeinen Informationen zu der Droge: http://arbeitsblaetter.stangl-taller.at/SUCHT/Ritalin.shtml

  2. Hallo Claudia,

    für mich nicht verständlich. Wenn ich mich auf etwas nicht konzentrieren kann, dann ist der Grund immer Desinteresse, wenn nicht gar Langeweile ( im Text ). Auch im fortgeschrittenen Alter ( mit 70 ) kann ich stundenlang am Rechner sitzen – wenn mich etwas fesselt und ich z. B. ein Programm schreibe oder einen Fehler suche.

    Ein gutes Glas Wein oder seltener auch ein Weinbrand müssen genügen, wenn nicht eine Tasse Kaffee oder Tee ausreicht – meinetwegen auch mal ein Stück dunkle Schokolade. Alles was darüber hinausgeht ist brandgefährlich – wie kann man nur?

    Den Eltern, die so etwas ihren Kindern verabreichen, um sie „ruhig zu stellen“, gehört Prügel.

    Gruß Hanskarl

  3. @werner: danke für den Link! Da werd‘ ich mal schauen, ob ich der Antwort auf meine „offene Frage“ näher komme.

    @Hanskarl: Du musst in Betracht ziehen, dass DEIN Gehirn noch anders funktioniert als das von später Geborenenen und mit weniger Buch Sozialisierten! Und: man kann sich auch locker ins Zerstreuungsregime hinein entwickeln: die Anreize sind ja zuhauf vorhanden!
    Mich interessiert VIELES und gerade deshalb bin ich ablenkungsgefährdet (wie sowas geht, steht z.B. hier). Auch ganz unabhängig von eigenen Dokumentations- und Verbreitungstätigkeiten ist ja jeder Link in einem Text die Verführung, anderswo weiter zu lesen. erst recht, wenns ein guter Text ist und der Link ’nen echten Sinn in Bezug zum Ganzen hat.
    Viele sind auch durch Privatfernsehen schon an Aufmerksamkeitsspannen von max. 10 – 15 Minuten gewöhnt. Es gibt viele, viele Einflüsse, die konzentriertes Handeln erschweren!

    Wenn dann noch nicht mal Zeiten der Muße eingelegt werden, in denen GAR NICHTS getan wird (also auch keine „Freizeitaktivitäten“, sondern NUR rumsitzen, liegen, dösen, in den Himmel schauen), dann findet das Gehirn auch niemals Zeit, all die strömenden Assoziationen zur Ruhe kommen zu lassen, wobei sich die WICHTIGEN Dinge, die WAHREN BEDÜRFNISSE und Wünsche wieder zu Wort melden und Orientierung geben.

  4. to be sung to the melody of Gershwins „Summertime“

    „Ritaliiiiiiihn,
    And the workin‘ is easy
    feeling empty
    concentration is high

    Your daddy’s rich
    And your mamma’s not lookin‘
    So hush little baby
    Don’t you cry

    One of these mornings
    You’re going to rise up thinking
    Then you’ll take your pills
    And you’re loosing the sky

    But till that morning
    There’s a’lot that can harm you
    With daddy and mamma standing by

    Ritaliiiiiiihn,
    And the livin‘ is easy
    feeling empty
    concentration is high

    Your daddy’s rich
    And your mamma’s not lookin‘
    So hush little baby
    Don’t you cry

  5. Super! :-)

  6. Psychopharmaka für Leute, die die gar nicht brauchen, finde ich widerlich. Und es gibt so viele Kranke, die froh wären, müssten sie sie nicht mehr nehmen.

  7. Wenn die Wiederaufnahme von Dopamin gehemmt wird, ERHÖHT sich der Dopaminspiegel!

    Oder?

  8. ich habe den artikel auch mit großem interesse gelesen und mir dabei ein paar fetzen gedacht. zum beispiel, daß ich das kenne, diese konzentriertheit. ohne jedoch jemals ritalin konsumiert zu haben. und daß die müdigkeit fehlt, die erschöpfung. zustände also, die für viele schaffensprozesse so unendlich wichtig sind.

    p.s. den vergleich mit den hautcremes finde ich höchst amüsant und so verständlich. wenn man mich fragt, warum denn meine haut mit mitte 40 noch derart faltenfrei sei, dann sage ich immer: bloß nix draufschmieren! ;-)

  9. Hanskarl meint, denk ich, die Frage „Wie konzentriere ich mich auf das, was ich will?“, sei unsinnig. Dem schlösse ich mich an. Sie stellt sich nie. Die Frage „Wie konzentriere ich mich auf das, was ich soll?“ kommt im fremdbestimmten Leben dauernd vor. In der Schule z.B. erfährt man, was man sich merken soll. Wären es Antworten auf eigene Fragen, es klappte.

    Bei mir geht das so weit, dass ich an einem Tag aus einer Laune heraus zehn Seiten tippe zu einem Gegenstand, zu dem mir am anderen Tag nichts einfällt für eine Seite, die ich abzuliefern habe. (Mein ‚freiwilliges Produkt‘ ist auch stets besser.)

    Da bieten die Krücken sich an. Nicht nur Drogen, man „motiviert“ sich selbst, Lohn winkt, Sanktionen schrecken. Die Katze döst, der Mensch muss effektiv sein. Es ist wohl gleich, ob ich mir Sinn und Furcht einrede, mich sonst wie austrickse, zwinge oder Drogen nehme, wenn es ohne nicht geht, muss es eben etwas davon sein.

    Das zum ‚gesunden‘ Menschen. Hau ich einem aufs Hirn, dass er sich nicht mehr sammeln kann, hat er Grund, Hilfe zu suchen. Ritalin aber ist Alltagsdroge. Ich bin übrigens nicht gegen die Verbesserung des Menschen, habe da keine ‚heilige Scheu‘, und nicht gegen Krücken (ich:Brillenträger) oder Drogen (ich:Raucher), finde es nur gut zu wissen, was man tut, und mag es nicht, wenn Drogen & Co. anderen verabreicht, aufgenötigt werden, wie hier den Kindern. – Alle Jahre eine neue Mode, was Eltern ihnen antun sollen, ‚gute Eltern‘ zu sein. (Böse meinen sie es nicht.)

  10. Hallo Karlheinz
    warum soll sich der Dopaminspiegel erhöhen? Wenn die Zelle kein Dopa mehr aufnimmt sinkt er und kann keins mehr ausschütten. In dem Medium wo das Dopa ausgeschüttet wird, da steigt er, aber was hilfts.

    Übringens, wie ne Synapse funktioniert ist gut bekannt. Wie motorische Steuerungen gehen ist auch gut bekannt. NUr, was das Denken ausmacht, wie das von diesen elementaren Mechanismen funktioniert, das ist noch recht wenig bekannt. Das ist, wie wenn du bei einer CPU weist wie ein PN-Übergang geht, warum du damit im Netz surfen kannst ist dann doch noch ein Rätsel.
    Ottmar

  11. Ja, wäre Glück Substanz, dann wäre es bald Ware.

    Buy two, get one for free. Mothers little helper will as well help her daddy through the day.

    Ich erstarre immer wieder vor Wut, lese ich von Menschen, denen ihr Denken suspekt und jedes Waschmittel adamant ist.

    Prost!

  12. Wut – gewichtet…

    10 Milligramm Arbeitswut.

    Mittwochmorgen, neun Uhr, ich schlucke die ersten 10 Milligramm Arbeitswut und Selbstdisziplin. In den nächsten Minuten wird der Wirkstoff Methylphenidat die Wiederaufnahme…

  13. Vor allem Leute wie Hanskarl sollten wenigstens einmal den Beipackzettel von Ritalin lesen (zum Thema „ruhig stellen“). Schlimm genug sich mit Alk dopen zu müssen um etwas auf die Reihe zu bringen.
    Im Übrigen kann er gerne zu mir kommen zum „Verprügeln“. Mir und meinem Sohn ist es lieber ein Leben zu führen, in dem er die ihm zustehenden Erfolge (und die braucht vor allem ein Schüler) auch erringen kann, als mit ansehen oder erleben zu müssen, wie er spätestens mit 25 (auf Grund seiner fast ausschließlich negativen Erfahrungen die er bis dahin gemacht hat) aber so richtig auf Droge oder am Baum zu hängen. Vielleicht vorher ein bischen besser und breiter gefächert informieren, bevor man Drohungen ausstößt.

  14. @violine: das Erkenntnisinteresse (vulgo: Neugier) ist eben auch bei den „Gesunden“ (wer ist das schon?) da. Ich finde es nicht soooo schlimm, mal mittels Selbstversuch auszuprobieren, um welche Wirkung es sich eigentlich handelt. (Bei solchen Versuchen in meiner Jugend schnitten klassische Psychopharmaka als komplett langweilig ab).

    @engl: ein Hautarzt sagte mal in irgend einer dieser Sendungen mit Experte, dass diejenigen, die nie regelmäßig Kosmetik angewendet hätten, ab Mitte 40 wirklich davon profitieren könnten – im Gegensatz zu „Immer-Cremerinnen“, bei denen meist nichts mehr normal funktioniere.

    @Dirk: ich vermute auch, dass der Hund da begraben liegt. Der Druck in den Schulen und die Stoffmenge ist ja viel mehr als früher – ich vermute mal, das überfordert einfach jede Menge Kids.

    @Sumuze: zum Glück kann Glück nie Substanz sein – dank der Anpassungsfähigkeit des Menschen, der sich an jeden noch so tollen Zustand gewöhnt, womit er seine Glücksqualität verliert. Wir sind eben in die Dualität gebannt: ohne Schatten kein Licht.

    @elke: was steht denn im Beipackzettel? Schön, dass sich mal jemand äußert, der die „normale Anwendung“ kennt. Erzähl doch mal mehr, wie man so zu dieser Medikamentierung kommt! (Und nimm die „Prügel“ von Hans nicht so wörtlich, ich denke, er macht sich falsche Vorstellungen von den Realitäten in der Schule).

  15. ähm sorry, aber das ist doch ein wenig viel Klische, was hier geschrieben wird.
    Ich erinnere mich noch gut daran, dass vor der Wirtschaftskrise Ende 2008 die Foren voll waren mit beißenden Kommentaren über Hartz4-Bezieher. Heute sind die Kommentare dazu auf einen Bruchteil zusammengeschrumpft, da plötzlich die Angst umgeht und ein Teil anfängt nachzudenken.

    Heute ist es bei ADS/ADHS genauso. Scheinbar ist hier keiner selbstbetroffen, wobei es mehr von uns gibt, als allgemein bekannt sein möchte.

    Wo MPH und Co. richtig eingesetzt wird, da ist es eine sehr hilfreiche Sache, gerade bei Kindern. Aber ich denke, dass es Euch lieber ist, dass hochbegabte ADS-/ADHSler in Sonderschulen landen, als auf Realschule/Gymnasium, wo sie eigentlich hingehören. Lieber ein seelisch verkrüppeltes Kind ohne MPH als ein wesentlich zufriedeneres ADS-Kind mit MPH. Es geht dabei immer ums Kind und nicht um die Eltern, denn MPH hilft in erster Linie den Kindern und nicht den Eltern, außer sie nehmen es selbst ;-)).
    Zudem ist MPH nur ein Hilfmittel, damit ADS/ADHS-Kids für sich Regeln lernen können, wie sie ihr Leben in einer Welt von ADS-Verneinern und -Bekämpfern auf die Reihe bekommen. Das Hauptproblem dieser Kids wie deren Eltern und den betroffenen Erwachsenen seid eigentlich ihr, die sie und ihr ADS negieren. Wieder bekommen sie gesagt: Ihr seid anders, ihr seid nicht wie wir…

    Einfach mal recherieren, wie viele Wissenschaftler/Nobelpreisträger ADS/ADHS und welche Nöte sie hatten, bis sie da waren, wo sie letztendlich hingelangt waren – und wie viele andere auf der Strecke geblieben sind.

    Euer glücklicher ADSler mit MPH…

    PS: „All meine Lebenserfahrung zeigt: nutzt du eine Krücke…“ – haben Sie schon einmal darüber nachgedacht, dass Sie ständig Krücken benutzen? So z.B. Ihr Computer, Auto, E-Herd, Erkältungsmittel, Wecker, Handcreme, Sonnencreme etc… – was ist denn überhaupt ein menschliches Leben ohne Krücken??

    Das erinnert mich an einen Menschen, der sich über Behinderte auslies und dabei vergass, dass wir alle irgendwie behindert sind – jeder auf seine Art.

  16. @mph: danke für den langen Kommentar! Ist MPH ein anderes Wort für Ritalin?

    Hast du denn den Artikel tatsächlich gelesen? Es ging doch gar nicht darum, den „echt Betroffenen“ ihr Mittel madig zu machen, sondern um die ausufernde Medikation zur chemischen „Selbstverbesserung“ (Hirndoping) Gesunder!

    Im übrigen klingst du so, als wärest du der Meinung, ADS-Medikation sei bei Schulkindern selten. Mir erzählte neulich ein Vater, in der Klasse seines Sohnes hätten sich mal auf Nachfrage alle melden sollen, die Ritalin etc. einnehmen. Es war die MEHRHEIT! Mancherorts soll es schon so sein, dass diejenigen auffallen, die es NICHT nehmen. (für die tröstliche Hochbegabten-These ist das natürlich schlecht..)

  17. […] link […]

  18. „“Wie kann das sein? DOPAMIN gilt doch als das “Glückshormon”, das für das Empfinden eines “Flows” im jeweiligen Tun zuständig ist. Wie kann also die Hemmung der Dopamin-Rezeption Flow-ähnliche Zustände der Versunkenheit verursachen?““

    „“Und da geht man also her und hemmt mal eben die Zufuhr bzw. den Dopamin-Stoffwechsel, bloß um sich besser konzentrieren und effektiver arbeiten zu können? Mir kommt es vor wie ein weiteres Öffnen der Büchse der Pandora: wegen eines singulären positiven Effekts wird ein ganzes System mittels chemischer Gewalt in den Griff genommen – OHNE dass man genau wüsste, was alles langfristig darunter leiden mag. Wieder mal typisch für unsere “herrschende Medizin”!““

    Da hat wohl einer auch beim Lesen nicht ganz verstanden was Ritalin in Verbindung mit Dopamin eigentlich auslöst.

    Vielleicht kann ich das einfacher erklären:

    Bei ADHS ist die Verfügbarkeit der Dopamin Transporter im Striatum erhöht. Bei einem Abbau
    bzw. Rücktransport in die Zellen steht für diese Menschen dann viel weniger zur Verfügung um „ausgeglichen“ zu sein als es bei normalen der Fall ist.

    Ritalin oder MPH blockiert den Rücktransport in die Zellen damit auch wir dank genügend verbleibendem und zwischenzeitlich neu produziertem (während der Wirkdauer) Dopamin im Hirn normal aufmerksam sein können.

    Die Funktionen die im Artikel (schei** Wikipedia) beschrieben sind, betreffen das Dopamin und genau diese Funktionen/Aufgaben sind es die Leute mit ADHS dann unruhig, nervös, hyperaktiv machen weil einfach mehr Dopamin in die Zellen gepumpt wird und weniger im Hirn vorhanden ist. Diese Form der Interaktion im Körper ist bei jedem Menschen völlig normal und gewollt.

    Dieser „flow“ wie eingangs beschrieben kann also nur entstehen solange das Dopamin Niveau im Kopf ausreichend hoch ist.

    Diese Form der gutgemeinten Kritik über einen Artikel einer Person die versucht hat Vorarbeit zu leisten und ihren Artikel selbst bereits selbstkritisch verfasst hat, ist zwar nett aber wenig hilfreich. Um Kritik üben zu können sollte man selbst besser informiert sein oder andere Informationen aufbringen können um einen Beitrag zu leisten.

    (Die Abkürzung MPH steht für Methylphenidathydrochlorid und ist der in Ritalin enthaltene Wirkstoff.)

    MPH ist für Menschen die an dieser Form von mangelnder Reizfilterung und ständiger Getriebenheit (innerer Unruhe) leiden, ein Segen!

    Ob dies auch für Lernende der Fall ist, sollte jeder selbst entscheiden können. Ich denke ausgebrannt zu sein weil man sich bewusst dafür entschieden hat (Selbstmedikation) ist wahrscheinlich für den Einzelnen weniger dramatisch als dem Druck und Leistungsdenken nicht gewachsen zu sein, am Erreichen eines Ziels zusammenzubrechen und sich als Versagender zu fühlen auch wenn man mindestens gleich viel (oder mehr) Anstrengung unternommen hat wie die anderen.

    (Vielleicht hat man dadurch für sich eh schon die Notwendigkeit einer Behandlung erfahren und geht zu einem professionellen Behandelnden.)

    Was in den Staaten (90% des Absatzes von Ritalin) passiert ist definitiv schon schwerer Missbrauch, würden viele sagen.

    Diese User jedoch sehen eine Notwendigkeit darin die IHR Leben betrifft und SIE haben sich bewusst dafür entschieden. Welche Hintergründe (Erwartungshaltungen der Familie, Geldmangel für weitere Studienjahre, soziale Akzeptanz, etc.) dahinterstehen, können nur Betroffene SELBST beurteilen.

    Kleine Notiz am Rande:
    Möglicherweise wird uns Ritalin sogar helfen, die heute bestehende Gesellschaftsausprägung der sogenannten Leistungsorientiertheit zum Umdenken zu bewegen.

  19. Hey,
    Ich habe dasselbe Experiment vor einem Jahr durchgeführt und bin auch zu interessanten Ergebnissen gekommen.

    Ich bin selbst Student und habe das ganze während der regulären Studienzeit durchgeführt. Würde mich freuen wenn du dir den Artikel mal anschaust und vielleicht ein kleines Kommentar hinterlässt!

    Hier der Blogpost zu meinem Ritalinexperiment:

    http://www.synapsic.de/ich-bin-ein-roboter-und-lerne-wie-eine-maschine/

  20. […] […]