Claudia am 08. September 2009 —

Wahlkampf – die „lange Nacht“ der Demokratie

Da nun die „heiße Phase“ des Wahlkampfs eingeläutet ist und man kaum mehr irgend ein Medium ansehen kann, ohne gleich von einschlägigen Neuigkeiten und kämpferischen Statements überschüttet zu werden, wundere ich mich, dass mein Interesse eher nachlässt als steigt.

Nein, ich bin gewiss nicht „politikverdrossen“, im Gegenteil, die Zeiten sind ja doch ungewöhnlich spannend, so dass ich den ganzen Frühling und Sommer die Ereignisse und Diskussionen allüberall mit großem Interesse verfolgte: Wirtschaftskrise, Geldsystem und Schulden, Internet-Kulturkampf – und sogar eine spritzige neue Partei, die „klar machen zum ändern“ auf ihre Fahnen schreibt und massenhaft Zulauf hat. Als „Krisenvorsorge“ hatte ich mir sogar Vorräte für 14 Tage angeschafft, falls mal die Banken ausfallen und der Warenfluss stockt. (Da bin ich den Katastrophen-Szenarien der Kassandra-Blogs aufgesessen und nun mit zwei Kilo zusätzlichem Körpergewicht gestraft: wo Vorräte sind, greift man auch mal öfter zu. :-)

Und doch neige ich in diesen Tagen zum Wegschalten bzw. gar nicht erst einschalten. „Wahlkampfarena“ ist ein Wort, dass mich sogar irgendwie anwidert. Vielleicht liegt es ja nur am Wetter, an der Melancholie der letzten Spätsommertage, dass mich die aktuellen Aufreger nicht so erreichen. Vielleicht ist es aber auch die Inszenierung selbst, diese so selbstverständliche VERANSTALTUNG, die vor der Wahl einen „Kampf“ vorsieht, in dem Politiker und Bürger gefordert sind, nun ein paar Wochen lang forciert Demokratie zu zelebrieren. Danach, wenn dann eine neue (evtl. alte) Regierung steht, dürfen, ja SOLLEN alle wieder einschlafen. Die Politik zieht sich in ihre Gremien zurück und der Bürger widme sich bittschön dem Konsum, damit wir „aus diesem tiefen Tal“ mittels Wachstum wieder heraus kommen – na was denn sonst?

Der Wahlkampf erscheint mir quasi als  „lange Nacht der Demokratie“ – und ich mag das „lange-Nacht-Format“ nicht, denn wenn ein Thema erstmal so verpackt und verdichtet daher kommt, bedeutet das immer: etwas liegt damit schwer im Argen!

Nun, war es nicht schon immer so? Warum nervt es mich auf einmal mehr als gewöhnlich? Weil es eben nicht mehr so sein müsste, denn mittlerweile haben wir mit dem Internet eine Kommunikations- und Partizipationstechnologie, wie sie die Welt noch nicht gesehen hat. Und KEINE der Altparteien, auch nicht die GRÜNEN, versuchen ernsthaft, etwas daraus zu machen, dass den Bürgern strukturell MEHR Mitwirkung und Mitbestimmung erlaubt – und zwar IMMER, fortlaufend, quasi „in Echtzeit“, nicht immer nur ein paar Wochen alle vier Jahre.

Politische Willensbildung in Zeiten des Internet

Parteien sind laut Grundgesetz „Organe der politischen Willensbildung“. Die Art, wie sie diesen Willen bilden bzw. kanalisieren, nämlich in ihren weitgehend abgeschotteten Parteigremien, in denen die Mitglieder ein „Wir-Gefühl“ entwickeln und Weltanschauungen im Bündel übernehmen, ist ungefähr so zeitgemäß wie das Bündeln von Musikstücken auf einer CD, die man nur „im Ganzen“ kaufen kann.

Alle Jubeljahre werden umfangreiche Parteiprogramme voller unkonkreter Allgemeinplätze in langwierigen und aufwändigen Verfahren erarbeitet und verabschiedet, während die Politiker im Amt dann doch „auf Sicht agieren“, weil die Ereignisse es so erfordern. Über komplexe Sachfragen lässt man kleine Expertenrunden befinden, oft von den Lobbys gestellt (Telekommunikationskonzerne erarbeiten Telekommunikationsgesetze, die Pharma-Lobby schreibt die Gesundheitsreformen mit, etc. usw.) oder beauftragt gar gleich eine Anwaltskanzlei. Interaktion mit dem Bürger bleibt auf platte Sprüche und hehre Versprechungen beschränkt – ich vermisse die Ansätze, die Weisheit der Vielen zu nutzen und sie mittels neuer Strukturen in sinnvolle, konstruktive Bahnen zu lenken. Ein „Parteiprogramm“ (vielleicht eines Tages auch ein „Regierungsprogramm“) könnte auch eine Community-Plattform sein, an die jeder „andocken“ kann und die eigene Expertise in der einen oder anderen Sache beitragen – ganz ohne den Zwang, auch gleich alle anderen bereits vorhandenen Sichtweisen zu anderen Fragen mittragen zu müssen.

Ich rede hier nicht einer platten, mehrheits-entscheidenden direkten Demokratie das Wort, in der ja z.B. die Einführung der Todesstrafe locker durch ginge, wenn mal wieder ein besonders übles Verbrechen die Gemüter erregt. Nein, es muss natürlich Mechanismen geben, die Partizipation der Vielen in vernünftige Bahnen zu lenken – da muss viel nachgedacht und auch experimentiert werden, doch außer den Piraten denkt niemand im Ernst daran, mit dem Netz tatsächlich „mehr Demokratie zu wagen“.

Ja, die Piratenpartei wurde gescholten, weil sie lediglich zu ein paar zentralen Punkten (Internet, Überwachung, Datenschutz, Bürgerrechte, Bildung) Stellung bezieht und eben NICHT mit einem glatten Gesamtprogramm antritt. Man werde in fortlaufenden Diskussionsprozessen ermitteln, wie im Fall des Falles zu entscheiden sei, hieß es. DAS empfinde ich nicht als Mangel, sondern als zukunftsweisendes Verfahren in einer Zeit, die insgesamt viel zu schnellebig ist, um mit den wolkigen Formulierungen der abgesegneten Verlautbarungen von vorgestern tatsächlich Politik zu machen (tatsächlich wird das ja auch in den Altparteien nicht gemacht, sondern es entscheiden letztlich Funktionäre und Hinterzimmerrunden aus eigener faktischer Macht).

Mein FAZIT: Wahlkampf ist ein Relikt wie der Sommerschlussverkauf, der ja auch immer noch stattfindet, obwohl es ihn EIGENTLICH nicht mehr bräuchte. Und mehr als je zuvor zeigt er auf, wie defizitär eine Demokratie ist, deren Personal sich nur alle vier Jahre mal an den Bürger wendet, bzw. medienhörig in „Arenen“ steigt, um unterhaltsame Gladiatorenkämpfe zu geben.

Denn man KÖNNTE ja jetzt anders, wenn man nur wollte. Aber sie wollen eben nicht!

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Diskussion

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7 Kommentare zu „Wahlkampf – die „lange Nacht“ der Demokratie“.

  1. Hallo Claudia,
    gehst Du nicht einfach von falschen Voraussetzungen aus? Nämlich denjenigen, dass Politiker zum Wohle ihrer Wähler wirken?

    – Politiker lügen – ohne Ausnahme – wenn dies für sie nützlich ist.
    – Politiker habe immer nur den eigenen Nutzen im Auge.
    – Es geht ausschließlich um Macht.

    Nach Karl Jaspers gibt es kein Machtvakuum – wenn das Volk weiterhin mehrheitlich die momentanen Zustände zulässt, dann werden die Politiker freiwillig nichts ändern.

    Gruß Hanskarl

  2. Nein, Hanskarl. Ich weiß, dass dieses gängige Vorurteil eben NICHT stimmt, denn ich war selber mehrere Jahre nahe genug dran und auch selbst engagiert, um zu wissen, dass es viele gibt, auf die das nicht zutrifft. Die sich wirklich den Arsch aufreißen, um in ihrem jeweiligen Bereich was zu bewegen und dort definitiv etwas zu verbessern.

    Wem es nur um persönlichen Vorteil geht, der geht doch in die Wirtschaft und ist nicht so blöd, sich – ein entgegen der Vorstellung recht ohnmächtiges – Politikerleben zuzumuten!

    Traurig eigentlich, dass ein sonst so besonnener Mensch diesen Stammtisch-Parolen zustimmt! „Die da oben machen ja doch, was sie wollen, Politik ist ein schmutziges Geschäft“ – ein altbekanntes, demokratieverdrossenes Lied, das ich noch nie mitgesungen habe.

    Deinem letzten Absatz stimme ich durchaus zu: es gibt kein Machtvakuum. Ich erwarte allerdings von einem Politiker nicht, dass er „freiwillig etwas ändert“, sondern dass er/sie demokratische Diskussions- und Abstimmungsprozesse zwischen vielerlei Gruppen (Interessenten, Betroffenen, Fachleute, einfache Bürger…) moderiert und zu einem möglichst befriedigenden Ende führt.

    Ich wünsche mir keine starken Männer oder Frauen, die „ihr Ding durchsetzen“ und quasi „für ihre Überzeugung sterben“. Interaktive Politiker, die die Stimmungslagen im Land aufnehmen und zwischen den jeweiligen Interessen einen Ausgleich zu schaffen suchen, sind mir durchaus recht.

    Und ich glaube sogar daran, dass wir in Sachen demokratische Mitbestimmung noch nicht das Ende der Möglichkeiten erreicht haben: dass MEHR möglich ist, als nur alle vier Jahre ein Kreuz zu machen, merken ja gerade wieder mal viele, die vorher eher passiv waren: Toll!

  3. Hallo Claudia

    ich muß doch eher Hanskarl zustimmen.
    Gerade weil ich über’s Internet, die letzten Jahre „querlesen /mich querinformieren“ konnte, hat sich bei mir der Eindruck stark verdichtet:
    – Politiker sind der verlängerte Arm von mächtigen Interessengruppen, meist aus der Wirtschaft (siehe z.B. Öffnung der BRD für Hedgefonds unter Schröder, Gesetze werden von den Wirtschaftsverbänden und deren verkappten „neutralen“ Instituten vorformuliert und aufgrund der (gewollt) immer komplizierteren Sachzusammenhänge letztlich von den Politikern durchgewunken.
    – an einem aufgeklärtem Volk ist die Politik (Wirtschaft) nicht interessiert, es wird alles getan um die Bevölkerung dumm und träge zu halten (TV-Flachsinn einschl. ARD/ZDF wo der kritische Journalismus über die Jahre immer mehr abgebaut wurde, weil man sich ja der privaten „Konkurrenz“ zu stellen hatte; es wäre auch die Chance dagewesen als Gegenpol zum Privat TV-Dünnsinn hochkarätiges Programm zu produzieren, unabhängig von Einschaltquoten. Aber da kommt wieder die politische (wirtschafts-Machtinteressen) Komponente ins Spiel, die das nicht wollen darf)
    – um das Volk ruhig zu halten werden an allen Ecken und Enden Ängste geschürt (Schweinegrippe, Klimaerwärmung,Rentenängste, Zukunftsängste, Arbeitsplatzängste, Existenzängste, Gesundheitsängste, TERRORängste,usw.)
    Wer sich da nicht mit Alk zudröhnt und vor der Glotze wegdämmert muß schon ziemlich stabil sein.
    – es gibt keine Politiker mit Rückgrat, die unabhängig von der Parteilinie oder anderen Zwängen für „ihre Sache“ und Überzeugung stehen, alle sind beliebig und austauschbar, ich kenne oft nicht mal mehr die Namen der ganzen Minister, weil ich kaum einen als Persönlichkeit wahrnehme, sondern als Worthülsen-Plauderer erlebe.
    – sicher GIBT ES SIE: die anfänglich an der Basis „kämpfenden“, noch mit Idealen im Kopf lebenden politisch Aktiven.
    Wir hatten auf dem Gymnasium in der 11. Klasse einen wunderbaren Physiklehrer, ganz jung, kämpferisch, unkonventionell, neue Ideen usw.
    In der 13. Klasse sagte er schon desillusioniert zu uns (in etwa):
    Ich hab’s versucht, man kommt gegen das herrschende System nicht an, das System (Schulleitung, Schulrat, Kultusministerium) macht einen mürbe.Man muß so viele Kompromisse machen, sodaß von der ursprünglichen Idee nichts mehr übrigbleibt.
    Ich denke, das ist auf die Politikerkarrriere übertragbar.

    So genug,
    dies noch:
    Für mich erschütternd:
    Selbst die Generation meiner Eltern (75 und älter) die extreme Obrigkeitsgläubigkeit gelebt haben (die da oben wissen schon, was für uns gut ist)und die immer, immer ein idealisiertes Politikerbild in sich trugen, sind in den letzten Jahren „vom Glauben“ abgefallen und haben ihr „Weltbild“ um 180 Grad gedreht (siehe Hanskarl).
    Die „Poltiker“ haben quer durch die Gesellschaft überhaupt keine Glaubwürdigkeit mehr.
    Vielleicht sagt Ihnen das jemand mal.
    Gruß
    Achim

  4. Dass es kein Spass und überhaupt nicht leicht ist, „im System“ irgend etwas zu verändern, ist mir klar. Ich wehre mich nur gegen die Pauschalverurteilung ALLER Politiker/innen als bloß eigennützige Partei-Apparatischiks, die nichts im Kopf hätten außer persönliche Macht und Bereicherung!

    Künast und Trittin find ich z.B. sehr in Ordnung, der Hans Christian Ströbele wird in meinem Kiez seit Jahren sogar direkt gewählt – in einem von jungen Leuten/Studies dominierten Stadtteil, die gewiss nix obrigkeitshöriges an sich haben.
    Den STIL der A.Merkel als Bundeskanzlerin find ich weit besser als den ihrer Vorgänger: unaufgeregt, sachlich, mehr moderierend als Macho-mäßig Macht-ausübend. Und Steinbrück hat die Lange in Sachen Finanzkrise gar nicht so schlecht gehandelt – vor allem, wenn man bedenkt, dass es da kein Programm/Rezept und oft nur sehr sehr wenig Bedenkzeit gab.

    Für mich ist ein Dreh- und Angelpunkt dieser ganzen typischen Verurteilungen die Machtfrage: die Leute glauben tatsächlich, die Politiker könnten einfach so, wie sie wollten (und ja, viele wollen wirklich was!), doch das ist ein großer Irrtum. Es müssen lange Zeit dicke Bretter gebohrt werden, endlose Streitereien, Gremienverfahren, Auseinandersetzungen mit den Lobbys – es ist nämlich keinesfalls selbstverständlich, dass man einfach so ein Gesetz machen könnte und alle sind brav und akzeptieren das. Dem IST NICHT SO – das konnte man z.B. unter Andrea Fischer als grüner Gesundheitsministerin sehen: ihr ist es nicht gelungen, die „Positivliste“ durchzusetzen – also trag sie zurück. DAS ABER ist doch keine LÖSUNG! Es können doch nicht einfach alle nach hause gehen! Lafontaine hat das auch gemacht, als er „am Ruder“ war und geschnallt hat, dass die Leute ihn weltweit auslachen mit seinen radikalen Forderungen und er NICHTS, aber auch GAR NICHTS derartiges durchsetzen kann.

    MACHTLOSIGKEIT ist sehr viel mehr Normalzustand eines Politikers als Macht. Aber die Leute checken es nicht und rechenen ihnen sämtliche bösen Zustände der Welt zu, weil die ja noch immer da sind. Wir leben aber nicht in einer Diktatur und sollten froh darüber sein, denn die Zwangsbeglückung von oben durch ein solches Regime ist weit schlimmer als alles, was wir uns hier vorstellen können.

    Die Vorwürfe an „die Politiker“ fallen im Grunde auf „die Gesellschaft“ zurück – die immer genau DIE Politiker hat, die sie verdient!

  5. Ich glaube, wenn es etwas mit Deinem Alter zu tun hat (verzeih, Du sprachst das selbige ja an ;-)) dann vielleicht die Ungeduld. Denn: es wird sich etwas ändern. Es ändert sich ja schon. Nur das wird dauern. Und wir werden nur den Anfang der Veränderung erleben.

    Unsere Gesellschaft hat sich immer mehr stark individualisiert. Die politischen Parteien versuchen, naturgemäß, aus möglichst alle aktuellen Fragen ein Gesinnungspaket zum abkaufen zusammen zu schnüren, nur: die Kundschaft ist nicht mehr da. Früher gabs „den Arbeiter“ – den „Mittelschichts Angestellten“ – den „Ökobewussten Umlwelter“ etc. Man wußte, wo man steht, man wußte was man wählt.

    Heute sind wir gesinnungstechnisch individueller, nur „Komplettsystemverweigererparteien“ haben noch eine Chance einigermaßen treu ergebende Randgruppen zu bedienen, und aufgrund der vielen normalsterblichen, aber irritierten schockerstarrten Bürger die am liebsten gar nicht mehr wählen gehen würden, haben die einen Altweibersommer bei den Umfragen.

    Aber letztendlich: das drei-einhalb Parteienprinzip funktioniert in der Tat nicht mehr (lange).

    Nun ist die Idee, daß Internet einmal da mehr als Entscheidungswiki ein zu setzen, eine nicht un-nahliegende. Aber: das wird dauern. Lange. Sehr lange.

    Würde man das heute einbinden, schließen wir gleich eine ganze Menge Bürger aus, die noch gar nicht im Netz angekommen sind, und das meine ich nicht technisch.

    Außerdem: es fehlt eine funktionierende Moderation. Denn wenn ich in den „Expertenforen“ dieses Netzes so reinsehe, dann funktionieren die nur entweder leidlich gut, weil sie doch abgeschlossene Räume sind und da ist man sich halt einig, oder es sind endlose Rechthaber-Diskussions-Stränge wo die Leute sich gegenseitig wortweise zitierend zuklugscheißern.

    Das alles sind spannende und wichtige Entwicklungsschritte, aber zur Klärung tagesaktueller Probleme noch kaum ausgegoren.

    Also: erst einmal muß das ganze Volk mental im Netz angekommen sein, und das wird noch eine oder zwei Generationen dauern, und bis dahin kann man dann hoffen, daß sich lebensstilübergreifende Sachdiskussionen und Entscheidungssysteme entwickelt haben, die dann auch wirklich funktionieren.

    Zur Zeit ist es so: letztendlich muß immer einer oder eine entscheiden. Bis sich das ändert, dauert es noch ein paar Generationen – auch mit Rückschlägen.

    Ich prognoziere mal locker aus dem hohlen Bauch heraus: erst einmal werden noch mehr das jetzige Angebot der Gesinnungspaket-Parteien leid sein. Wir bekommen mehr Ein-einhalb-Themen-Lobbyparteien wie die Piraten, blähen also den Bundestag auf und drücken die gesinnungsparteien auf Koalitionsunmögliche Werte.

    Wir kommen ja jetzt schon von zwei Parteien-Koalitionen zu drei-Parteienkoalitionen, dann werden wir 8 Parteienkoalitionen erleben – dann ist dem Volk alles wurscht, weil das nie klappen wird und nichts mehr entschieden wird, und dann bekommen wir erst einmal, wie in Italien ja genau so passiert, einen „starken Mann“ oder „einestarke Frau“ (das wird die grausige Epoche der Wandlung) und dann(!) rutschen wir eines Tages vielleicht in eine sachorientierte Basisdemokratie fürs Volk.

    Da leben dann meine Enkel aber nicht mehr. Von jetzt auf übermorgen wird das aber nicht abgehen.

    Da kann man freilich drüber jammern. Oder im hier und jetzt eben kleine Nischen finden, wo man jetzt schon gesinnungsparteiübergreifend sachweise sich engagieren kann. Kommunalpolitik ist dafür ein Feld, da wählt sogar ein Chräcker mal die [dafür-schmore-ich-in-der-Hölle] Partei. Hauptsache es stimmt in der Sache. ;-)

  6. Hi Claudia

    du schreibst
    „Es müssen lange Zeit dicke Bretter gebohrt werden, endlose Streitereien, Gremienverfahren, Auseinandersetzungen mit den Lobbys“

    Is klar‘. Das war vom Grundgedanken mal gut gemeint, das ein Gesetz eben nicht mal eben hoppla hopp beschlossen werden kann.
    Ich meine nur, das diejenigen, die nachher vom Gesetz „betroffen“ sind, heutzutage gar nicht mehr in den Gremien, geschweige denn als Lobbypartei, in der ihnen entsprechendden Gewichtung in Erscheinung treten können.
    Denn um Gremien zu unterwandern, zu bearbeiten, mit Infos zu bombardieren,den Politikern nach Ablauf ihres Mandats mit lukrativen Posten in der Wirtschaft zu ködern (Herr Wissmann),
    um Lobbyisten in Heerscharen in der Hauptstadt und in Brüssel auf die Entscheidungsträger loszulassen,
    braucht es in erster Linie viel Geld; ist so!
    Und die Ökoszene, Foodwatch und viele Kleinere (wo ist die Interessenvertretung der Pflegeberufe) haben eben nicht das Geld um die Politik zu beeinflussen.
    In den Wirtschaftskreisen wird genung Geld verdient (Wir Alle finanzieren über die Preise oder Lohnverzicht diese Lobbyarbeit der Finanz- und Kapitalwelt).
    Mit kurzen Worten:
    Seitdem der Kommunismus als Konkurrent zum Kapitalismus weggefallen ist, braucht der Kapitalismus nicht mehr zu beweisen, das er für das Volk die bessere Variante ist, sondern darf zu seinem Kerngeschäft zurückkehren:
    Raff für Wenige auf Kosten der Übrigen.
    (Wäre auch ein ehrlicher Slogan für die FDP)

    Dazu diese Youtube Empfehlung aus der Sendung Mitternachtsspitzen zum Thema Wahlbeteiligung:

    http://www.youtube.com/watch?v=QnV-NDHdyeA&feature=player_embedded

    Gruß
    achim

  7. Hallo Claudia,

    als Erstes: Bitte verachte mir die Stammtische nicht! Hier bilden sich immerhin noch im Gespräch verschiedene Meinungen, zum Unterschied zu „Nurfernsehern“.

    Zum Zweiten: Halte die Stammtische nicht für dumm – Schwarmintelligenz. Deren Klugheit hat sich bei einigen Wahlen bereits gezeigt.

    Zum Dritten: Wenn Du weißt „dass dieses gängige Vorurteil eben NICHT stimmt“ – dann, bitte Claudia, ist dies Dein Wissenssegment – es könnte aber trotzdem sein, dass dieses gängige Urteil stimmt, deshalb ist es so gängig, oder?

    Zum Vierten: Die Wirtschaft nimmt bevorzugt FÄHIGE Mitarbeiter, den Blöden bleibt oft nur die Politik – schau sie Dir einfach mal an.

    Zum Fünften: “Die da oben machen ja doch, was sie wollen, Politik ist ein schmutziges Geschäft” – stimmt solange, wie wir sie lassen.

    Im Übrigen stimme ich den Aussagen von Armin zu, der meine Meinung etwas ausführlicher darlegte, als dies oben getan habe.

    In meinem Bekanntenkreis gibt Leute die sich seinerzeit über den Kohl aufregten, wegen der Spendenaffäre und der nicht genannten Spendernamen. Als sie mit Kohl zufällig anlässlich einer Veranstaltung konfrontiert wurden, sind sie ihm sozusagen „hinten rein gekrochen“ – bitte entschuldige diese Vulgarität. Solange den Politikern in solchen Fällen nicht verbal unverblümt entgegengetreten wird und die Buckelei vor den „Oberen“ nicht aufhört, wird sich nichts ändern. Es fehlt an Couragierten.

    In diesem Sinne finde ich Dein Engagement erfreulich, aber ( noch ) nutzlos.

    Gruß Hanskarl