Claudia am 21. Juni 2021 —

Medienabstinenz und die Suche nach dem Konstruktiven

Fast einen Monat kein Diary-Beitrag, das ist selten! Zum einen liegt das an viel Gartenarbeit, die in letzter Zeit angefallen ist – und auch richtig Freude macht. Aber nicht nur, denn gar keine Freude macht mir seit einiger Zeit das News-Geschehen und die sogenannte „öffentliche Debatte“ sowohl in den klassischen als auch „sozialen“ Medien.

News, Medien und TV-Formate, die auf Skandalisierung, Herausarbeiten der Widersprüche, Kritik um jeden Preis, Erzeugen von Angst und Ressentiment bis hin zum offenen Hass, sowie das Raffen von Aufmerksamkeit durch diese „Haltungen“ aus sind, vermindern die Chancen auf rationale Debatten, Konsensfindung und konstruktive Lösungen existierender Probleme.

Mehrheitlich kommen sie mir regelrecht asozial vor, geradezu darauf versessen, möglichst viel Dissenz und Spaltung zu erzeugen, scheißegal, was das in der Gesellschaft bewirkt. Den nächsten Blogpost daneben zu stellen, der dann auch wieder nichts anderes tut als in den Chor der negativen Stimmen einzustimmen, erscheint mir sinnlos.

Deshalb übe ich seit einiger Zeit Abstinenz und meide die mutwillige Inszenierung von Kontroversen. Eher suche ich konstruktive Beiträge, sachliche Berichte, Geschichten vom Gelingen, aussichtsreiche Bestrebungen zur Lösung von Problemen. Damit geht es mir deutlich besser, vor allem erschöpft sich mein Denken über die Welt nicht mehr im Mitsingen der Abgesänge.

Konstruktive Inhalte und Debatten

Um über das Weltgeschehen informiert zu bleiben, habe ich das Radio wieder entdeckt. Im Deutschlandfunk (DLF) kommen Nachrichten und Zusammenfassungen aktueller Pressemeldungen und Meinungen in einer sachlichen Art und Weise rüber, die nicht auf das Hochkochen von Erregungszuständen aus ist. Wohltuend!

Im DLF gibt es auch eine sehr hörenswerte Podcast-Serie „Essay und Diskurs“ – hier ein gutes Beispiel:

Inventur und Neustart: Überlegungen zur Zukunft des Staates
„Ob Klimakrise oder Globalisierung: Die Corona-Pandemie hat gleich mehrere Problemfelder offenbart. Kleinere Reformen reichen nicht aus, um sie zu bewältigen. Neue, zukunftsträchtige Modelle müssen her.“

Man hört da auch mal von sehr ambitionierten Konzepten, wie der Industriestaat Deutschland tatsächlich dekarbonisiert werden könnte:

„Vor einigen Wochen stellten der Forschungsverband Agora‑Energiewende und der Mannheimer Ökonom Tom Krebs ein Szenario zur Dekarbonisierung des Industrielandes Deutschland vor, in dem Wasserstoffwirtschaft eine zentrale Rolle spielt – ohne Wasserstoff kann es keinen grünen Stahl, keine grüne Chemie und keine grüne Zementindustrie geben. Darüber herrscht Konsens. Um in Europa grünen Wasserstoff in hinreichender Menge zu produzieren, muss man Solarstrom aus Südeuropa und Nordafrika importieren. Sonst reicht es nicht. Das Ganze ist ein faszinierendes Projekt, technisch wie ökonomisch komplex, innen- wie außenpolitisch kompliziert.“

Es gibt auch ein Transskript der Sendung, es zu HÖREN ist jedoch viel besser, jedenfalls für alle, deren Aufmerksamkeitsspanne bei sehr langen Texten auf dem Bildschirm deutlich nachlässt. Ich hatte es zunächst gehört, dann aber auf den Text geschaut und festgestellt: DAS hätte ich lesend nicht durchgehalten!

Mehr?

Wer ähnlich konstruktive, im weiten Sinne POSITIVEN Inhalte gefunden hat, möge sie gerne in den Kommentaren verlinken!

Diesem Blog per E-Mail folgen…

Diskussion

Kommentare abonnieren (RSS)
16 Kommentare zu „Medienabstinenz und die Suche nach dem Konstruktiven“.

  1. Tja, liebe Claudia, da geht’s dir wie mir. Ich will mich nicht mehr daran aufreiben, was man so an Quatsch den ganzen Tag über serviert bekommt. Deshalb halte ich ja auch – wie du weißt – den Ball flach, was meine Beteiligung an politischen Themen betrifft.

    Nein, ausgewogen ist anders. Ich weiß gar nicht mehr, wo es gekippt ist. Aber ich habe ehrlich gesagt keine Lust mehr, den Verbohrten zu erklären, dass sie mal falsch abgebogen sind. Ich habe mich damit lange Zeit aufgerieben.

    Und mein Nachrichtenkonsum hält sich auch in Grenzen. Auf Facebook habe ich den Algorithmus umgebogen, indem ich Landschaftsbilder vom Leipziger Tourismus-Marketing geteilt habe. Alternativ gehen auch Witze gut. So bekomme ich inzwischen kaum noch Miesmacherei angezeigt. Bei Twitter registriere ich, dass es irgendein Thema gibt. Aber ich beteilige mich nicht daran. Naja, und Nachrichten: Einmal am Tag, das reicht.

    Ich als Nachrichten-Junkie musste mich gehörig umstellen. Aber es funktioniert. Mitte Mai schrieb ich dazu mal was in meinem Blog. Wenn der Link nicht passt, einfach raus editieren.

  2. von mir: 100% zustimmung.

    was zu erwarten war, weil ich genau das seit jahren vorschlage und dieses asoziale medien zeuchs, also twatter und fakebook scheue wie die pest und erst gar nicht betreten habe. oki, twitter ganz am anfang 2 monate.

    um einen weisen aus dem frühen 21. jahrhundert zu zitieren:

    ich hab‘ besseres zu tun

    der hinweis auf „essay und diskurs“ ist zudem genau das, was ich seit 35 jahren so halte und ja seit 2007 als blog betreibe: wortradio statt den durch und durch korrumpierbaren MSM. man kann zuhören und muss auch nicht zu allem ne meinung haben, die man zwanghaft rausfeuern muss, bevor man über eine sache nachgedacht hat.

    auf der anderen seite nutze ich weiter reddit, weil ich dort für eine eher kleine ‚öffentlichkeit‘ gegen-frames setzen kann oder (neuestes baby) über die dinge posten, die ich halt für mindestens so wichtig halte wie den eher politischen teil. das leben ist ja auch kunst und kultur und nicht nur das aufschreien über irgendwelche pseudoskandale

    sorry für die vielen links und die eigenwerbung aber teile der sog. SM sind ja durchaus nutzbar, wenn es einem nicht um die five seconds of „fame/shame“ geht und natürlich sind gerade wir „alten“ vielleicht ganz nützlich, wenn es darum geht perspektiven zu erweitern oder andere frames zu setzen, weil wir aus dem hamsterrad raus sind und die pseudo zuneigung nicht mehr brauchen.

    lg aus der garage

  3. Hi Claudia, ja, das ganze „Medien-Hetze-Gedöns“ macht keinen Spaß, ich verfolge es aber trotzdem. Man muss ja schließlich seinen Feind kennen :-)

    Aber wo wir gerade beim Thema Wasserstoff sind: Das Thema „Wasserstoff als Treibstoff für Fahrzeuge“ ist meiner Meinung nach noch lange nicht auserzählt, ganz im Gegenteil. Leider wird oft nur auf das Thema Brennstoffzellen eingegangen und deren sehr geringen Wirkungsgrad. Wie es auch anders gehen kann, zeigt ein deutsches Unternehmen, das mittels einer beliebig oft wiederverwendbaren, ungiftigen und nicht brennbaren Flüssigkeit die Möglichkeit bietet, (durch Wind-, Solar- und Wasserkraft hergestellten) Wasserstoff zu speichern. Das nennt sich LOHC (Liquid Organic Hydrogen Carrier) und ist in meinen Augen total unterrepräsentiert in den Medien – obwohl es sogar in der Lage wäre, bestehende Verbrennerautos mit Wasserstoff als Treibstoff zu versorgen, mit nur minimalen Änderungen an der Technik.

    Hier mal ein Link zu einem Video von Breaking Lab, wo die Sache ziemlich gut erklärt wird.

  4. Das Video zu LOHC nochmal als ordentlicher Link ;-)

  5. Wenn sich alle Welt darüber Gedanken macht, wie disruptiv doch alles ist und die freibleibenden „Angebote“ keine halbwegs befriedigenden Perspektiven bieten, bleiben solche Phasen nicht aus.

    Mir fällt auf, dass in Blogs auffallend wenig passiert. Du bist also mit deiner Pause überhaupt nicht allein. So sehr mir an neuen, zumindest zum Teil positiven Perspektiven liegt, es gelingt mir nicht, sie zu finden. Was bringen Theorien, wenn man sie bloß als pure Utopie begreift ohne die geringste Wahrscheinlichkeit zur Umsetzung?

    In irgendeiner Talkshow (BR) erklärte ein älterer Herr, der sein Leben lang in der Autoindustrie (u.a. Audi) arbeitete. Er hat einen Antrieb via Methanol-Brennstoffzelle entwickelt hat. Dies verleiht dem Fahrzeug eine Reichweite von 800 km. Das Betanken dauert drei Minuten. Vermutlich ist die Autoindustrie darauf bisher nicht „angesprungen“, weil diese „Tanker“ – sind sie einmal in eine Richtung unterwegs (Elektro) – gar nicht in der Lage sind umzusteuern.

    Man könnte dieses eine Beispiel mit der fehlenden Einsicht der Leute vergleichen, die nicht auf die Kette bekommen, dass nur globale Maßnahmen gegen den Klimawandel evtl. erfolgversprechend wären. Immerhin sind die bayerischen Grünen offenbar wegen dieser (noch ziemlich frischen) Technologie im Gespräch mit dem Erfinder. Ich dachte nicht, dass die Grünen überhaupt technologieoffen sind. Anders als z.B. die FDP setzten sie doch bisher ausschließlich auf Elektroantrieb. Jedenfalls hält sich dieses Gerücht ziemlich hartnäckig.

  6. @Horst: Du meinst Roland Gumpert, den Ingenieur aus Ingolstadt. Er hat mit der „Nathalie“ einen Methanol-Brennstoffzellen-Sportwagen entwickelt, der durchaus sehr beeindruckend ist: nicht nur, dass er in 3 Minuten betankt ist, eine Höchstgeschwindigkeit von 320 km/h kann, Allradantrieb hat und eine beeindruckende Reichweite – wenn er mit biologisch erzeugtem Methanol betankt wird, ist er komplett klimaneutral. Der Verbrauch liegt bei ca. 7,9 l/100 km, was für einen Sportwagen wenig ist. Hier ist die Website der „Nathalie“.

    In meinen Augen ein irres Konzept, das sowohl umweltfreundlich als auch alltagstauglich ist (wenn man mal von der Tatsache absieht, dass es sich bei diesem Auto um einen Sportwagen handelt). Aber wie Du schon schreibst, es scheint schwierig zu sein, von dem Zug der Elektromobilität abzuspringen, weil man sich darauf eingeschossen hat. Echt schade; und ich würde mir wünschen, dass das Thema Methanol-Brennstoffzelle (und auch das superspannende Thema LOHC) mehr Aufmerksamkeit bekommen, weil es damit möglich ist, Umweltverträglichkeit mit Fahrspaß und Alltagstauglichkeit zu kombinieren.

    @Claudia: die Checkbox „Benachrichtige mich über nachfolgende Kommentare per E-Mail“ hat irgendwie keine Funktion. Schaust Du da mal nach?

  7. @Martin: bin dabei, den Fehler zu suchen und habe den Plugin-Autor angeschrieben. Als Alternative bietet sich an, den Kommentarfeed mit einem Feedreader zu abonnieren.

  8. @Claudia: Ich habe jetzt Benachrichtigungen zu Deinen Kommentaren per Mail bekommen :-)

  9. „Essay und Diskurs“ schätze ich seit langem, im Schwestersender gibt es das Pendant „Sein und Streit“. Diese essayistischen Formate sind ein wohltuender Gegenpol zu den Tageserregern, die nicht nur dir zurzeit so verleidet sind. Features, Reportagen und Sendungen wie die „Lange Nacht“ sorgen für viele, viele Stunden, in denen man Hören UND Nachdenken kann. Radio ist eine tolle Sache, die ich aus eigener Schwäche in letzter Zeit zugunsten von TV-Serien oft schmählich vernachlässige, so daß sich mein Linksammeln in Sachen Hörbeiträgen (Rubrik „Audiosammelsurium“) eher frugal ausnimmt. Als fruchtbarste Entdeckung außerhalb des DLF nenne ich die BR-Sendung „radio Wissen, eine Art Wikipedia für die Ohren.

  10. Hallo alle,
    ich danke Euch für Eure Beiträge, die mir sagen, dass ich mit meiner Unzufriedenheit mit den Aufregermedien nicht alleine bin – und danke für die Tipps zu Alternativen und positiven technischen Entwicklungen!

    Grade die Abendschau gesehen: Mit kommt es langsam so vor, als sei es zu deren Sport geworden, dem Rot-rot-grünen Senat am Zeug zu flicken. Ich behaupte keineswegs, dass da alles rund läuft, aber ich würde eine ausgewogenere Berichterstattung bevorzugen, die auch mal positive Entwicklungen berichtet. Schließlich gibts ja Gründe, dass R2G auch in der letzten Sonntagsfrage noch immer über eine stabile Mehrheit verfügt!

    Ja, mehr HÖREN statt sehen ist echt angesagt!

  11. Bei welchen Medien ist denn Abstinenz angesagt? Bei dubiosen Internetseiten, bei der Bahnhofspresse oder gar auf Youtube. Nun, die meisten leben von der Aufmerksamkeit und damit hat sich ein eigenes Geschäftsmodell gegründet. In der Anfangsphase des Netzes waren wir begeistert dass jeder Empfänger auch zum Sender werden kann. Inzwischen kann der begnadete Sender richtig Geld damit verdienen, so 40000€ sollten da pro Monat schon drin sein. Dann kann man auf die Korrektheit keine Rücksicht mehr nehmen, was zählt ist sind Erregungszustände die sich gewaschen haben. Das treibt die Informationswelt des Netzes momentan voran. Es lässt sich doch leicht darauf verzichten.

  12. @markus

    darf ich dich auf meinen täglichen reddit service locken? ichkönnte mir vorstellen, daß das was für dich wäre ;)

  13. @Claudia: Ich habe zu nachfolgenden Kommentaren auch immer eine Mail bekommen. Das klappt also.

    @ottmar: Wie meinen..?!

  14. @Ottmar: schön, dass du dich auch mal wieder meldest! :-)

    Ich schaue derzeit vermehrt Youtube und meide eher die „normalen“ Medien, die außerhalb der Paywall fast nur Aufreger-Journalismus bieten – immer irgendwem am Zeug flicken, an Stühlen sägen, und zum xten mal skandalisieren, was alles im Argen liegt.

    Klar, Kritik und „der Politik auf die Finger schauen“ ist Aufgabe der Presse und unverzichtbar, aber das gehässige „Herunter schreiben“, das viele als Sport zu betreiben scheinen, nervt mich einfach nur noch. Alles wird unsäglich personalisiert, über Konzepte und Alternativen wird kaum gesprochen – jetzt im Wahlkampf kommen immerhin die Programme gelegentlich vor, wenn auch nur mit den möglicherweise „brisanten“ Themen.

    Auf Youtube begegne ich immer noch sehr vielen Einzelnen, die sich für ihr Thema tief schürfend interessieren und es in vielen unterschiedlichen Formen darstellen, die mir oft besser gefallen als TV-Formate. In anderen Öffentlichkeiten werden leider immer nur die klassischen „Influencer“ wahrgenommen (von denen die wenigsten 40000/Monat machen!) oder irgendwelche Politextremisten (die ich gar nicht sehe, weil der Algo sie mir nicht vorschlägt).

  15. Hallo Claudia – Danke für die Begrüßung. Nun, ich denke, die Presse ist aktuell stark unter Druck. Die Verkaufszahlen dieser Medien gehen stark zurück, weshalb viele Mitarbeiter dort nur noch freiberuflich beschäftigt werden. Der erhöht nicht die Qualität die Aufgabe so wie du sie beschreibst noch richtig ausführen zu kommen. Na, und warum soll man dann noch dafür Geld ausgeben. Dazu kommt noch ein Selbstbewusstsein, das leider oft den Themen nicht gerecht wird. Da kann man sich auch leicht nach besserem umschauen. Doch ist das wirklich besser? Sie müssen sich auf jeden Fall besser lesen lassen. Sie müssen andocken an unser Gefühl, unsere Vorstellungen und Ängste. Das müssen auch die großen Medien, die kleinen Quellen sind um so mehr darauf angewiesen. Und das bedeutet wir erfahren dadurch mehr von uns und unseren Gefühlen als über die Dinge, die wir wissen wollen. Was hat das jetzt mit dem gesellschaftlichen Auftrag zu tun? Wenn sie diesem gerecht werden, erscheinen sie unsympathisch haben sie doch gar nichts mit uns zu tun. Nein, nein, ich habe hier keine Antworten – Ottmar

  16. @Ottmar: es gibt tatsächlich Medien, die vergleichsweise unaufgeregt und mit viel Hintergrund berichten und analysieren. Allerdings abseits der Tagespresse – z.B.: