Wenn ein politisch interessierter Mensch, der fast jeden Tag Blogposts zu aktuellen Themen raushaut, nicht mehr zur Wahl gehen will, finde ich das verstörend. Von allerlei Staatsverächtern, Verschwörungsgläubigen, Resignierten und sich komplett abwendenden „Idioten“ (ursprüngl. Wortbedeutung „Privatmensch“) erwarte ich das – aber doch nicht von engagierten Bloggern!
Was ich gut verstehe: Dass keine „etablierte“ Partei derzeit ein so rundum stimmiges Bild abgibt, dass man sie vorbehaltlos wählen könnte. Auch abgesehen von der aktuellen Performance ihrer Akteur/innen gibt es wohl keine Partei, der ich aufgrund ihres Programms den Durchmarsch zur Alleinregierung aus voller Überzeugung wünschen würde. Das pro Partei durchzudeklinieren, mache ich mir jetzt nicht die Mühe, denn dazu finden sich quer durchs politische Spektrum mehr als genug Analysen und Kommentare.
ABER: Gar nicht wählen ist doch keine sinnvolle Alternative! Unter realistisch Denkenden war es immer schon üblich, das „kleinere Übel“ zu wählen, wenn man nicht wirklich hinter einer Partei, all ihren Akteuren und ihrem gesamten Programm stehen konnte. Was spricht dagegen, das weiterhin zu tun? Nicht-Wählen wird doch erst nachvollziehbar, wenn es völlig egal ist, wer an die Macht kommt, weil alle Parteien dasselbe wollen. Davon sind wir derzeit aber weit entfernt, sogar deutlich weiter als bei vergangen Wahlen!
Bei der letzten Europawahl habe ich (genau wie meine Nächsten) DIE PARTEI gewählt. „Das kommt jetzt nicht in Frage“, sagte kürzlich ein lieber Freund, „denn bei dieser Wahl geht es um was!“.
Die Parteien sind nicht alle gleich! Sie haben sehr verschiedene Schwerpunkte und Zielsetzungen. Keine von ihnen wird in die Situation kommen, ihr Programm durchzuziehen, aber es wird einen großen Unterschied machen, ob CDU-FDP zusammen eine Koalitionsmehrheit bilden können oder nicht. Ich will das nicht, also werde ich entsprechend wählen.
Wer sich zu einem solchen Standpunkt nicht durchringen kann, muss nicht gleich ins Lager der Nichtwähler abdriften, was einer Absage ans parlamentarische System gleich kommt (so sind ja viele Nichtwähler motiviert, die nur ein „Umsturz“ zufrieden stellen könnte, wohin auch immer). Es gibt immer noch DIE PARTEI, die Tierschutzpartei und viele andere „nicht Etablierte„, denen man zumindest ein wenig Wahlkampfkostenrückerstattung gönnen könnte.
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Infos zur Wahl 2021:
- Bundestagswahl 2021: alle teilnehmenden Parteien
- Mögliche Koalitionen nach der Bundestagswahl 2021
- Alle Wahlprogramme für die Bundestagswahl 2021
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20 Kommentare zu „Nicht mehr wählen? Falsch!“.