Nach dem 9.11.2001 hat es mir erst einmal die Sprache verschlagen. Ich konnte und wollte nicht bloggen. Das Ereignis war zu groß für mich, das mediale Geschehen sowieso überwältigend.
Eine Woche ging ins Land, bevor die Blog-Starre von mir wich und der Eintrag „Vom Glück mitten im Grauen“ erschien. 20 Jahre nach 9/11 poste ich ausnahmsweise daraus ein Selbstzitat:
„Es gibt nämlich ein großes GLÜCK mitten im Grauen, eines, das an den Ausnahmezustand gebunden ist: Auf einmal steht die Welt still, das gewöhnliche Geschäft ist tot, das Rattenrennen setzt aus, endlich! Der Mensch da drüben ist plötzlich Mitmensch, Nachbar, Bruder, Schwester, alle sind wir Gefährten im Entsetzen und nicht mehr potentielle Gegner oder einander vollkommen gleichgültig wie sonst. Wo normalerweise jeder ganz in sich versunken seiner Wege geht, um sich her nichts sehend und nichts hörend, stracks von A nach B strebend, um den Erfordernissen des rechnenden Denkens zu entsprechen, eröffnet sich eine andere Dimension. Nichts Fremdes, sondern etwas immer Ersehntes, ein Raum der Gemeinschaft, des spontanen Miteinanders, ein Stück Paradies und echte Heimat, in dem wir die Lizenz zum Miteinander reden nicht erst kaufen müssen. Gefühle nicht mehr voreinander verbergen, sich schwach und weich, geängstigt und traurig zeigen zu können – ohne Angst, vom Anderen deshalb gleich in die Pfanne gehauen zu werden! Das schlägt schnell um in hintergründige Euphorie, Freude, ja, für kurze Zeit sind wir Liebende mit heißen Herzen – und genießen es, genießen unser eigenes Bestes und Menschlichstes, mitten in der Katastrophe.“
Es ist ein Phänomen aus dem „Real Life“, das ich hier beschreibe. Online ging es massiv in die andere Richtung, in Foren und Mailinglisten stritten sich die Leute wie nie zuvor. Ein Forum, das ich als Admin betreute, stellten sogar den Betrieb ein, weil die Deutungen des Geschehens zu weit auseinander drifteten.
Heute findet das „Glück mitten im Grauen“ im Ahrtal statt. Kein Terror, „nur“ Naturgewalt kostete viele Leben und zerstörte viele Ortschaften entlang der Ahr. Noch immer fahren Menschen weite Strecken, um dort zu helfen und es werden weiterhin Leute gebraucht. Es gibt mittlerweile eine Webseite mit Infos zu den Helfereinsätzen, einen Shuttle-Dienst und ein Camp.
Einen Eindruck, wie es da zugeht, gab gestern nacht Stefan bei „Domian Life“, der seit Wochen immer wieder hin fährt, um zu helfen und auch seinen Urlaub dafür opfert. Wer Stefan zuhört, erkennt in seiner Schilderung neben all den furchtbaren Katastrophenfolgen auch das zwischenmenschlich herein brechende Glück.
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3 Kommentare zu „In Memoriam 9/11“.