Wie gut, dass es vorbei ist! Selten hat mich ein Wahlkampf so angekotzt wie dieser. Die „Trumpisierung“ war schier nicht auszuhalten, von FakeNews und FakeFotos bis zum punktgenauen in Bewegung setzen williger Staatsanwaltschaften; einfach nur gruslig.
Die extreme Personalisierung, die Konzentration auf irgendwelches, auch marginales Fehlverhalten der politischen Gegner, das an die Wand malen des angeblich drohenden Sozialismus, aber auch die Bereitwilligkeit, die Wahlbürger einzulullen mit dem Versprechen auf ein „weiter so“, das es faktisch nicht geben kann, egal wer regiert – all das beleidigt den Verstand, macht wütend – und mich hat es dazu gebracht, den Wahlkampf weitgehend zu ignorieren.
Was natürlich nicht ganz gelungen ist, über Twitter bekommt man ja doch mit, was passiert. Ebenso über die aggregierten Headlines der Nachrichtenmedien auf Google-News (wo es immer öfter vorkommt, dass im Artikel das Gegenteil von dem steht, was die Schlagzeile erwarten lässt).
Selbst bin ich in den 80gern an der Stelle aus der Parteipolitik ausgetreten, als mich ein Funktionär vor versammelter Mitgliedschaft angriff, BEWUSST über die klare Faktenlage hinweg lügend ohne rot zu werden. Die Fähigkeit, wider besseres Wissen über politische Gegner etwas zu behaupten, was nicht stimmt – sogar noch dabei zu bleiben, wenn es erneut klar widerlegt ist, das ist für mich eine der schmutzigsten Verhaltensweisen im politischen Kampf. „Es bleibt immer etwas hängen“, weil das Wahlvolk sowieso zu blöd und träge ist, um den Dingen auf den Grund zu gehen und derlei Angriffe ins Leere laufen zu lassen.
Die Richtungsentscheidung schwänzen?
Diese Wahl nach dem Abgang Merkels ist nicht nur in meinem Empfinden die wichtigste Wahl seit langer Zeit. Dennoch verhalten sich immer noch viele, als wäre es recht egal, was bei dieser Richtungsentscheidung heraus kommt. Dabei ist doch die übliche Kritik, dass sich am Ende doch nichts ändere und alle etablierten Parteien gleich seien. Jetzt aber ist doch so klar wie nie zuvor, dass das nicht stimmt! Oder behauptert irgendwer allen Ernstes, dass die sogenanne „Deutschlandkoalition“ (CDU/SPD/FDP) diesselbe Politik machen würde wie Rot-Rot-Grün (SPD, GRÜNE, LINKE) oder die Ampel (SPD, GRÜNE, FDP) ?
Was mich wundert: Die vielen „Unentschlossenen“ in den Umfragen. Gefühlt gab es noch nie so viele Möglichkeiten in klassischen und anderen Medien, sich über die Personen, Parteien und ihre Inhalte kundig zu machen. Das scheint es aber nicht leichter zu machen, sondern eher schwerer. Mich irritiert es jedenfalls, dass viele die Entscheidung „aus dem Bauch heraus“ beim Ausfüllen des Wahlzettels treffen. Ebenso die Wähler/innern der chancenlosen Kleinstparteien und erst recht die Nichtwähler: Ist die persönliche Übereinstimmung mit einer Partei in allen erdenklichen Punkten wirklich so viel wichtiger als die Entscheidung, in welche Richtung es nun nach dem Abgang Merkels gehen soll? Warum verzichtet man darauf, in dieser superwichtigen Wahl die Richtung mitzubestimmen oder gar dafür, die Wahl zu schwänzen?
Es geht immerhin um die Zukunft
Nun gut, ich kann’s nicht ändern und übe mich in Gelassenheit. Für mich persönlich (wäre ich noch unentschlosssen) würde eine einzige Grafik reichen, um zu wissen, wo ich mein Kreuz mache. Das sind die Studienergebnisse vom DIW Econ, die zeigen, wie gut die Parteiprogramme geeignet sind, um die Klimaziele aus dem Klimaschutzgesetz zu erfüllen. Für jeden Sektor waren bis zu 4 Punkte erreichbar.
Abgesehen von den Inhalten, die derzeit immerhin diskutiert werden, habe ich Forderungen für die Zukunft, die das Wahlverfahren betreffen:
- Senkung des Wahlalters auf 16 oder 14: weil es die Jungen sind, die noch am meisten Zukunft ertragen müssen. Wenn es mehr 70plus gibt als U30 ist das dringend erforderlich, um den -Jungen mehr Gewicht zu geben.
- Begrenzung des Bundestags auf 600 Abgeordnete: derzeit droht ein BT mit über 900 Mitgliedern! Es kostet nicht nur Unsummen, sondern behindert auch die Entscheidungsfindung, alles wird langwieriger und träger. Kappung der Verrechnung jener Direktmandate, die in ihrem Wahlkreis relativ am wenigsten Stimmen bekommen haben erscheint mir als effektive Lösung. Dass nicht nur die GRÜNEN, sondern später auch die AFD den Vorschlag gemacht haben, ist mir egal. Was sinnvoll ist, entscheidet sich nicht nach Parteizugehörigkeit.
Gengug für jetzt, ich komme grad wieder von diesem zu jenem… wünsche einen schönen Wahlsonntag!
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Boris Stumpf: Stimme zu verschenken – eine gute Idee für Nichtwähler
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3 Kommentare zu „Zum Wahlkampfende und zur Wahl 2021“.