Endlich wieder online! Seit Freitag funktioniert mein Telefonanschluß, die Telekom hat es im zweiten Anlauf nun doch geschafft, mich wieder mit der Netzwelt zu verbinden, wenn auch vorerst nur „analog“. Doch kaum ist diese letzte Hürde überwunden, die mich noch vom üblichen Alltag trennte, veranstalte ich eine neue Verwaltungskatastrophe: Mein Geldbeutel ist weg, am Ende eines langen Abends im Chamissokiez abhanden gekommen. Zwar konnte ich jeden Schritt nachvollziehen: Zahlen im Heidelberger Krug, Taxi rufen, Bezahlen des Taxifahrers, Ankommen in Friedrichshain – aber irgendwo auf diesem recht transparenten Weg ist das Teil verschwunden und auch tags darauf weder im Krug noch im Taxi aufzufinden gewesen.
Geld war nicht mehr drin, aber Ausweise, Geldkarten, Fahrzeug- und Führerschein, alles noch versehen mit meiner Gottesgabe-Adresse, da ich mich erst morgen ummelden wollte. Die Wiederbeschaffung bzw. Neu-Beantragung aller Papiere wird also ein Behörden-GAU, wie er nerviger kaum sein könnte. Und eine Woche muss ich wohl abwarten, bevor ich diesen Papierkrieg beginne, denn der Geldbeutel könnte ja wieder auftauchen, so uninteressant wie er für Spontan-Diebe ist. Wer in findet, könnte mit Recht auf Finderlohn spekulieren, also tu ich erstmal noch nichts.
Ausweise, Geldkarten, KFZ-Schein – diese Dinge sind das Zentrum meiner bürgerlichen Existenz. Ohne sie bin ich nichts und niemand, fühle mich nackt und nicht richtig in der Alltagswelt verankert. Glücklicherweise reagiere ich nicht mehr panisch, trag‘ es mit Fassung, wie man so sagt, ohne doch das Gefühl zu haben, dass da etwas „zu fassen“ wäre. Allenfalls eine gewisse Traurigkeit, dass immer wieder etwas geschieht, was meine Welt in Unordnung bringt – wo ich doch der Ordnung und Durchsichtigkeit immer näher zu kommen meine. Was für eine Illusion!
Das Verlegen und Verlieren physischer Gegenstände ist eine alte Macke, von der ich lange schon nicht mehr glaube, sie wirklich verändern zu können. Allenfalls gibt es kleine Work-Arounds: Weniger besitzen, durchschaubare Ordnung in der Wohnung, den Wohnungsschlüssel sicherheitshalber mit einer Kette an der Gürtelschlaufe verankern – nur für den Geldbeutel und all die Papiere war mir bisher nichts eingefallen. Ich bin gänzlich unfähig, immer diesselbe Tasche mit mir herumzutragen, wie es die meisten Frauen tun. Räume also alles, was ich brauche, ständig hin- und her, mal in eine Handtsche, mal in Jacken- und Jeanstaschen, schwöre mir immer, genau darauf aufzupassen, aber ein einziger sentimentaler Abend in der „alten Heimat“ zerstörte meine Aufmerksamkeit: alte Freunde, ein paar Weizenbier und weg ist sie, meine ganze behördenwichtige Papier-Identität!
Volle Disziplin, ununterbrochene Achtsamkeit und Wachheit. Langsam werde ich bereit, das als notwendige Voraussetzung zu akzeptieren. Wenn schon kleinste Versager solche Folgen zeitigen, bleibt gar nichts anderes mehr übrig, als sich zu beugen und auf Traumwelten zu verzichten; zum Beispiel auf dieses gefühlig-sentimentale Abdriften in die Vergangenheit, aber genauso auf das gelegentlich so erregende Abheben in interessante Zukunftsplanungen. Auf dem Boden bleiben, immer die Erde unter den Füßen spüren, während der Kopf seine Gedankenspiele spielt: Daß das so schwer ist, hätte ich nie geglaubt.
Diesem Blog per E-Mail folgen…