Wieder mal bin ich dabei, meine Art, zu arbeiten, genauer zu betrachten. Jeden Sonntag erfasse ich gemeinsam mit einem lieben Freund die „Aktionsfelder“, mache mir klar, was da anliegt und erstelle dann einen Wochenplan. Das ist neu, denn bisher war die niemals endende To-Do-Liste mein einziges „Planungsinstrument“: ein Gefühl, fertig zu sein, vermittelte sie mir nie, nur ein großes Durcheinander unverbundener Aufgaben, ohne Prioritäten, ohne Zielvorstellung und Übersicht.
Jetzt erlebe ich Woche für Woche 60 bis 80 Prozent „Planerfüllung“. Die erste Erkenntnis, die mir der Plan verschafft, heißt also: ich unterschätze die jeweilige Arbeit, unterschätze die Zeit, die ich dafür benötige – und das wirkt sich direkt auf meine Kostenvoranschläge aus.
Was ist wichtig? Was ist ARBEIT?
Durch die Beschäftigung mit dem „Plan“ wird mir endlich klarer, warum ich trotz einer 50 bis 60-Stundenwoche nicht auf einen grünen Zweig komme. Es gibt da Grundhaltungen und tief sitzende Überzeugungen, nach denen ich immer schon unbewusst handelte. Überzeugungen, die mit großer Sicherheit dazu beitragen, materiell arm zu bleiben, mir aber das Gefühl geben, „bei den Guten“ zu sein. Zum Beispiel: Das Eigene kommt immer zuletzt, nämlich dann, wenn alles Wichtigere erledigt ist. „Wichtiger“ ist die konkrete Auftragsarbeit für Kunden, klar – aber diese hört ja niemals auf! Wenn ich sämtliche Vorhaben, die mir später einmal neue Kunden bringen können, als unwichtig nach hinten schiebe, ändert sich nichts am Status Quo. Es ist ja so simpel, eine Plattheit eigentlich – und doch fällt es mir recht schwer, hier umzusteuern.
Ein anderer, weniger offensichtlicher Punkt ist die Frage: Was ist eigentlich ARBEIT? Ich stelle fest, dass ich oft nur die Arbeit am konkreten Werk als solche empfinde und berechne – alles organisatorische Drumrum, nämlich Vorbereitung, Planung, Recherche, Konzept und Beratung sehe ich gar nicht als „echte Arbeit“ an. Verrückt! In einer Agentur wären das alles ordentliche Gewerke, die unter Umständen von verschiedenen Mitarbeitern erledigt werden und die selbstverständlich in die Rechnungen und Kostenvoranschläge einfließen.
Dass ich mit dem Entwurf einer Website erst mal eine Zeit lang „schwanger gehe“ und der kreative Prozess eher einem „Gebären“ ähnelt als einem Erschaffen in Anwendung rationalisierbarer Methoden, sehe ich verrückter Weise eher als Defizit denn als Qualität. Meine Vorstellungen von Qualität und Stimmigkeit erlebe ich als etwas, das ich dem Kunden kaum vermitteln kann und eher mühevoll aufdränge, da er ja vom Metier keine Ahnung hat. Fast fühle ich mich „schuldig“, dass ich nicht einfach den Homepage-Baukasten bemühe, nicht links, nicht rechts und schon gar nicht in den Code sehe, und ein schnelles, billiges Ergebnis vorzeige, wie es ja tatsächlich viele machen, die sich Webdesigner nennen. Anstatt stolz auf meine Methoden und die nun schon zehnjährige Erfahrung zu sein, hab ich glatt ein schlechtes Gewissen, dass ich keine „Homepagebaukasten-Preise“ nehmen kann – und rechne meine Honorare nach unten, wo immer es geht.
Glück nur im Kostenlosen?
Dann gibt’s da noch den nonkommerziellen Sektor. Wer seine Arbeit plant, merkt ja dann doch, wie viel Zeit da rein fließt! Ich hab das jetzt „Arbeit für Freunde“ genannt und will sie nicht etwa abschaffen. Erstens macht es Freude, zweitens arbeiten auch für mich immer mal wieder liebe Menschen kostenlos, wenn ich für ein Eigenprojekt Hilfe brauche, sie aber nicht bezahlen kann. Und ich hab‘ die schöne Erfahrung gemacht, dass es da immer einen „Return on Invest“ gibt, auch wenn man nichts erwartet. Manchmal erst sehr viel später, doch wer schenkt, wird auch wieder beschenkt, das scheint ein „Gesetz des Universums“ zu sein.Trotzdem ist es gut, zu wissen, welchen Umfang diese Tätigkeiten annehmen, dann weiß ich nämlich auch Bescheid, wenn mal nichts mehr geht, weil sonst mein kommerzieller Sektor zu sehr leidet.
Je mehr ich mich mit den Gründen und Rahmenbedingungen meiner Arbeit befasse, desto tiefer steige ich hinunter in die Abgründe des Unbewussten und finde Überzeugungen, deren Herkunft und Sinn mir auf den ersten Blick schleierhaft ist. Zum Beispiel: Arbeit ist Mühe und ungeliebte Pflicht, was Spass macht, kann nicht Arbeit sein! Das ist mein „urtümliches“ Empfinden und es setzt sich nahezu unbemerkt in die finanzielle Minderbewertung sämtlicher Tätigkeiten um, die mir Freude machen. Je mehr Selbstverwirklichung, desto weniger „Recht auf Bezahlung“. Klar, es macht ja Spass! Und Spass und Selbstverwirklichung sind unbezahlbar, jedenfalls nicht „käuflich“. Also hauen wir’s raus, beglücken wir die Welt mit freudig erschaffenen Ergebnissen -Geld verlangen und Rechnungen schreiben ist dann allerdings immer mit einem Gefühl von „Sünde“ verbunden.
Ziemlich verrückt, das Ganze! Wer es dann auch noch lebenslänglich vermeidet, mit langweiligen und nervigen Tätigkeiten sein Geld zu verdienen, sondern nach Freude bei der Arbeit strebt, muss sich nicht wundern, ständig in Sorge um die Finanzen zu leben.
Selbst ohne Wert = minder-wertige Arbeit?
Wie ich sehe, leide ich unter einem lebensphilosophischen Defizit: Weil ich „mir selbst“ keinen Wert zuordnen will, bewerte ich auch den Teil der Arbeit ungenügend, der aus diesem Selbst erwächst. Lobt mich jemand, denke ich: „Ach, das ist doch nichts Besonderes! Das kann doch jeder, der sich mal intensiv damit befasst!“. Fakt ist aber: ICH habe mich schon „befasst“, und zwar intensiv und mit Liebe. Wer meine Leistungen einkauft, bekommt mehr Qualität als von jemandem, der gerade mal einen Kurs hinter sich gebracht hat und nun Webdesign anbietet. Warum zum Teufel soll das in die finanzielle Bewertung nicht einfließen?
Es geschah alles wie „von selbst“ – das ist mir Grund genug, dass es „nichts wert“ ist. Immer dem eigenen Dämon folgen, tun, was Freude macht, tief einsteigen in die Dinge, nicht nur für Kunden, sondern immer auch am Eigenen arbeiten, dessen Ergebnisse wiederum den Kunden zu Gute kommen – warum sollte das keinen WERT darstellen, der sich auch in Euro ausdrücken lässt? Wenn das Selbst auch nicht bewertbar ist (und dabei bleibe ich!), so ist doch ein solcher Weg auch mit Mühen und Kosten, mit Luxus- und Freizeitverzicht, mit Akzeptanz von Unsicherheit und Investitionen aller Art verbunden, die für sich nicht „Selbstverwirklichung“ sind, sondern durchaus „Mühe und Arbeit im Schweiße meines Angesichts“, mal biblisch gesprochen. Dass ich in dieser Mühe lächle und mich schwitzend freue, dass das Ergebnis nun da ist und zwar genau SO, wie ich es gut finde, kann doch kein Grund sein, einen finanziellen Abschlag einzurechnen!
Es mal so klar aufzuschreiben, ist schon ein Zeichen der Besserung – toi, toi, toi! Ich glaube an die „Kraft zur Veränderung“: nichts muss bleiben, wie es ist, bloß weil wir in falschen Haltungen tendenziell festkleben, die ihre eigene Geschichte haben, jedoch heute schädlich und nicht mehr nützlich sind.
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7 Kommentare zu „Vom Geldwert und Selbstwert“.