Da ich gerade wieder mal über den Sinn des Bloggens für mich persönlich nachdenke, freue ich mich, dazu andere, auch kritische Aussagen zu finden – insbesondere über das Bloggen im vorgerückten Alter. Bei Horst Schulte bin ich nun auf einen Blogpost von Wolfgang v. Sulecki gestoßen mit dem Titel „Viel Einfalt in Vielfalt: „Junge Alte“ Blogbetreiber …!!“, in dem er über die Blogger/innen des Netzwerks blogs50plus schreibt:
„…fast nie handelt es sich bei den Artikeln in den unzähligen Blogs älterer Blogger um Auseinandersetzungen mit der aktuellen politischen Weltlage, der politischen Situation im europäischen Raum, und schon gar nicht um eine Beschäftigung mit der konkreten Politik in Deutschland.“
Entsprechend vorwurfsvoll geht es weiter:
„allen, nein, nur ‚fast‘ allen Blogs gemeinsam ist gleichwohl diese fröhlich-heitere, unbeschwert-positive Ignoranz, die genau darin besteht „schwere“ Themen wie Politik, Umwelt, und Religion total zu vermeiden. Wenngleich es doch genau diese Themen sind, die nicht nur das Rentnerleben, sondern das der nachfolgenden Generationen bestimmen. Wenn es den Großeltern also tatsächlich wichtig wäre wie es ihren Enkeln einmal ergehen wird, dann müssten sie genau da ansetzen und ihre ganze Kraft und Überzeugungsfähigkeit einsetzen um dieses Ziel zu erreichen.
Hingegen: Wegducken, wegsehen, wegleugnen!“
Tja… wie berechtigt ist diese Kritik? Horst hat in seinem Artikel „Wenn Ü50-BloggerInnen nicht den Vorstellungen jüngerer Blogger entsprechen“ dagegen angewettert, aber für mein Empfinden versteht er die Kritik falsch:
„Ich finde es vermessen, pauschal die Themenauswahl anderer Blogger zu kritisieren und das nur aufgrund ihres Alters…..Der Artikel richtet sich unmittelbar an das Portal »blogs50plus», bei dem ich mit meinem Blog schon seit Jahren gerne Mitglied bin…… Dass ein Blogger überhaupt auf die Idee kommt, sich in einem Artikel gegen eine Bloggergruppe von zurzeit 354 BloggerInnen zu wenden und in den Mittelpunkt seiner Vorwürfe das Alter der jeweiligen Blogbetreiber zu stellen, ist nicht in Ordnung.“
Wirft er ihnen denn IHR ALTER vor? Nein, es ist vielmehr die Enttäuschung über so viele unpolitische Themen, die Wolfgang v. Sulecki bewegt. Er erwartetet gerade von den Älteren, dass sie ihre Lebensweisheiten und Einsichten in die mediale (in diesem Fall bloggende) Politikdebatte einbringen. An brennenden Themen fehlt es dieser Tage ja nicht, eigentlich schon lange lange nicht! (Dass Horst den Kritiker „jünger“ einordnet, ist übrigens witzig, denn das Selfie mit Rauschebart auf RELAtief lässt gerade nicht an „Jüngere“ denken. Zudem ist Wolfgang als „Biologe im Ruhestand“ selbst Mitglied bei Blogsd50plus!)
Ich verhehle nicht, dass mich genau die gleiche Enttäuschung überkam, als ich die Blogs50plus erstmalig sichtete. Und auch jetzt: Schaut man auf die Seite blogs50plus live, werden die 50 letzten Blogposts angezeigt, darunter nur EINER („Natur als Turnhalle„), den man als „politisch“ zählen kann. Ansonsten: Reisen, Hobbys, Kochen, die Enkel, Tierliebe, Häkeleien und PC-Tipps.
Frage: Würde sich unter den Texten einer x-beliebigen Anzahl Blogger/innen zwischen 30 und 50 eine höhere Dichte an politischen Themen finden? Ich bezweifle das! Die schreiben massenhaft über Mode, Kochen, Technik, Sport, Reisen, Konsum aller Art – nicht etwa sehr viel mehr Tiefsinniges, gar Politisches. Und: Sind wir Älteren in der Pflicht, politisch zu bloggen?
Politik ist nicht alles
Wir leben (noch) in einer Zivilisation. „Zivil“ bedeutet „nicht militärisch“ und in diesem Kontext: Wir haben einen Alltag, sind nicht ständig im Kampf, auch nicht in dem um die öffentliche Meinung in Sachen Politik. Das Rentenalter wird auch „Ruhestand“ genannt, was bedeutet: mensch darf sich von den Fronten zurück ziehen und eigene Wege gehen. Oder auch einfach sitzen bleiben: vor dem TV, auf der Parkbank oder am Strand irgend einer Rentner-Location in der Ferne.
Dass heute viele nicht mehr diesem Bild vom Alter entsprechen, sondern „sich nochmal neu erfinden“, heißt nicht zwingend, politischer zu werden. Als ich damals beim Eintritt in „Blogs50Plus“ die 20 letzten Anmeldungen sichtete, kam es mir vor, als sei ich in einen StartUp-Pool für Mode-Influenzerinnen geraten. Blogs über Klamotten, Schminktipps und Gesundheit, viele Coaching- und Beratungsangebote, kaum echte Blogger/innen, die einfach schreiben wollen. (Wie die „letzten Beiträge“ zeigen, hören solche Blogs meist nach kurzer Zeit wieder auf, wenn sich heraus stellt, dass der Erfolg auf sich warten lässt.).
Tja, wir sind halt nicht so viele „politische“ Blogger! Auf Dauer erfüllend ist das aber auch nicht. Ich suche grade wieder die Balance, will mal wieder weg von den „brandheißen“ Themen und Trending Topics hin zu…. ja wohin eigentlich? Weiß ich auch nicht, das wird sich schon zeigen! :-)
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19 Kommentare zu „Wegducken, wegsehen, wegleugnen? Zur Kritik an Blogger/innen im vorgerückten Alter“.