Die neue Virusvariante mischt die Karten neu: Auch Geimpfte und sogar Geboosterte können sich und andere anstecken, über die Schwere der Verläufe weiß man noch nicht viel. Auch sind Lockdown-Maßnahmen in Arbeit, die auch Geimpfte/Geboosterte treffen. Damit entfällt m. E. die Verhältnismäßigkeit der Regeln, die Ungeimpfte von vielem ausschließen.
Der Plan war, durch die Impfung „Freiheit zu erimpfen“, doch hat sich gezeigt, dass das schon mit der Delta-Variante nicht funktioniert hat. Nicht nur, weil die Impfquote zu niedrig blieb, sondern weil sich immer mehr Impfdurchbrüche ereigneten und auch immer mehr Geimpfte auf den Intensivstationen landeten.
Quelle: wöchentlicher Lagebericht des RKI, S.24
Natürlich bei dieser Statistik zu bedenken, dass es weit mehr Geimpfte als Ungeimpfte gibt! So relativieren sich die hohen Anteile der Durchbrüche bei Geimpften deutlich. Das erläutert auch ein Faktencheck von Correctiv detailreich und überzeugend.. Aber: Wer fühlt sich denn JETZT noch sicher in einem Raum, in dem sich nur Geimpfte (G2) treffen dürfen?
Denn jetzt kommt Omikron, sehr viel ansteckender, auch für Geimpfte. Aktuell schätzt das RKI das Risiko wie folgt:
„Die Infektionsgefährdung wird für die Gruppe der Ungeimpften als sehr hoch, für die Gruppen der Genesen und Geimpften mit Grundimmunisierung (zweimalige Impfung) als hoch und für die Gruppe der Geimpften mit Auffrischimpfung (dreimalige Impfung) als moderat eingeschätzt. Diese Einschätzung kann sich kurzfristig durch neue Erkenntnisse ändern.“
Wie extrem ansteckend Omikron sein kann, zeigt der bekannt gewordene „Oslo-Ausbruch„.
„117 Menschen waren am 26. November bei einer Weihnachtsfeier in einem Restaurant im norwegischen Oslo. 96 Prozent waren vollständig geimpft, alle haben zuvor einen Schnelltest oder einen PCR-Test gemacht, alle waren negativ. Ein Partygast war zwei Tage zuvor aus Südafrika wiedergekommen und hatte sich mit der Omikron-Variante des Coronavirus infiziert……..
Am Ende der Feier haben sich mindestens 66 Menschen mit der Omikron-Variante angesteckt, bei 15 weiteren Positiv-Getesteten ist die Variante noch unklar….. …….Das Norwegian Institute of Public Health hat nun in einer Kohortenstudie herausgefunden, wie der Ausbruch abgelaufen war. Im Schnitt war die letzte Impfung bei den Gästen 79 Tage her, eine Auffrischungsimpfung hatte zuvor kein Partygast erhalten. Das Partyvolk war relativ jung, im Schnitt 38 Jahre alt. Die Infektionen zeigen, dass Omikron auf der Osloer Weihnachtsfeier eine Gesamtbefallsrate von 74 % hatte. …….
Keiner der Fälle musste bislang ins Krankenhaus (Stand: 13. Dezember). Doch trotz der vollständigen Impfung verlief die Infektion bei 91 Prozent symptomatisch. Am häufigsten war Husten (83 %), gefolgt von einer verstopften Nase (78 %), Müdigkeit (74 %), Halsschmerzen (72 %), Kopfschmerzen (68 %) und Fieber (54 %).“
70 weitere Personen, die im selben Restaurant waren und offenbar Kontakt mit den Gästen der Feier hatten, haben sich ebenfalls infiziert.
Das Geschehen zeigt eines deutlich: Die Beschränkung auf Geimpfte und Genesene (G2) schützt nicht gegen Omikron. Ebenso wenig hilft 3G, denn der kostenlose Schnelltest erkennt Omikron nicht während der sehr kurzen Inkubationszeit, wie Oslo zeigt. Dennoch gilt derzeit noch großflächig G2 (und G3), obwohl das Ansteckungsrisiko der Geimpften, Genesenen (und sogar Getesteten) jenes der Ungeimpften nicht mehr wesentlich übersteigt.
Und die Geboosterten? Dazu meldet Focus heute:
„Sandra Ciesec von der Uni-Klinik Frankfurt hat mit ihrer Arbeitsgruppe einen der weltweit ersten Datensätze vorgelegt, der die Infektionsgefahr mit Omikron unter Geimpften und Geboosterten erfasste: …..Den Daten zufolge erreichte die Impfung selbst bei Personen mit Drittimpfung nur eine Schutzquote zwischen 58 und 78 Prozent, je nach Impfstoff.“
Immerhin etwas, aber „sicher“ ist anders!
Aber der Krankheitsverlauf?
Es besteht zumindest die Hoffnung, dass der Krankheitsverlauf mit Omikron weniger schwer bzw. seltener schwer verläuft. Es gibt aber auch andere Prognosen, die ähnliche Verläufe mit entsprechend hoher Hospitalisierungsrate vorhersagen. Weil die Zeit seit Entdeckung und symptomatischer Erkrankung der Infizierten noch recht kurz ist und die Übertragbarkeit der Daten z.B. aus Südafrika nicht 1:1 auf die hiesige (viel ältere) Bevölkerung übertragen werden kann, liegen dazu wirklich gesicherte Erkenntnisse derzeit noch nicht vor. Ich erspare mir also das Herauspicken und gegeneinander Stellen entsprechender Zitate, das kann tagesaktuell besser über Google, Twitter, Presse erkundet werden.
Maßnahmen müssen immer geeignet und verhältnismäßig sein
Fakt ist, dass praktisch alle erkranken können: Ungeimpfte, Geimpfte und sogar Geboosterte – wobei nur letztere ein derzeit schon erfassbares geringeres Risiko haben. Die Booster-Kampagne ist so „nur ein Baustein“, der alleine nicht ausreicht, um die kommende Omikron-Welle zu verflachen, gar ganz abzuwenden. Deshalb empfiehlt die Expertenkommission und jetzt auch das RKI neben dem Boostern mehr Kontaktbeschränkungen – und die Politik folgt dem zumindest zu großen Teilen, wie die heutigen Beratungen (Corona-Gipfel) zeigen, deren Ergebnisse allerdings noch nicht in Gänze vorliegen.
Selbst bei minder schwerem Verlauf wird derzeit eine Krankheitswelle befürchtet, die unsere „kritische Infrastruktur“ lahm legen könnte. Es gilt also, möglichst viele Ansteckungen zu verhindern, wofür Kontaktbeschränkungen das beste Mittel sind. Aber warum wird die Ausgrenzung der Ungeimpften nach wie vor aufrecht erhalten? Ihr Verlaufsrisiko mag derzeit noch etwas größer sein, aber wie sich das bei Omikron entwickelt, ist noch völlig unklar. Ein Gesetz, das Grundrechte beschränkt, muss in jedem Fall „geeignet“ sein, um das jeweilige Ziel zu erreichen, sowie verhältnismäßig. Kann das dieser Tage für die massiven Ausgrenzungen von Ungeimpften wirklich noch angenommen werden?
G2 im Einzelhandel wurde bereits vom OVG Niedersachsen ausgesetzt, weil die Regierung leiglich Studien aus dem Sportbereich zur Begründung eingereicht hatte. In Geschäften könnten FFP2-Masken getragen werden, was die Lage ja verändere. Dagegen hat das OVG Schleswig-Holstein die 2G-Regel gebilligt und den Antrag der Kläger zurück gewiesen. (Wikipedia sammelt die Gerichtsentscheidungen zu 2G). Bisher also ein Patt, weitere Verfahren sind in allen Bundesländern anhängig.
Warum G2 weg muss
Neben rein rechtlichen und epidemologischen Argumenten müssen aus meiner Sicht auch sozialpolitische Argumente bei der Beurteilung beachtet werden. Schließlich sind noch viele Millionen Menschen ungeimpft, wie aus dem offiziellen Impfdashboard tagesaktuell zu ersehen ist. Hier der Impfstatus vom 20.12.:
„61,1 Mio. Menschen (73,5 % der Bevölkerung) haben bisher mindestens eine Impfdosis erhalten. Davon sind 58,5 Mio. Menschen (70,4 %) bereits vollständig geimpft. 27,1 Mio. Menschen (32,6 %) haben zusätzlich eine Auffrischungsimpfung erhalten.
Aktuell sind 22,1 Mio. Menschen nicht geimpft (26,5 % der Bevölkerung). Für 4,0 Mio. dieser Menschen im Alter von 0 bis 4 Jahren (4,8 %) steht bisher kein zugelassener Impfstoff zur Verfügung.“
Abzüglich der Menschen, für die kein Impfstoff zugelassen ist (hauptsächlich Kinder), sind also 18,1 Millionen ungeimpft und aus dem gesellschaftlichen Leben ausgegrenzt. Das sind bei weitem nicht alles Corona-Leugner, umsturzwillige Querdenker und Verschwörungstheoretiker. Viele haben echte Angst vor der Impfung, vertrauen offiziellen Verlautbarungen nicht mehr, haben es schlicht verschusselt oder hören auf Leute des persönlichen Umfelds, die sie mit FakeNews füttern oder sonstwie gegen Impfung agitieren. Agitatoren, die das Impfthema für ihre Zwecke missbrauchen, werden umso mehr Menschen erreichen, je ungerechter die Ausgrenzung wirkt. Für einen nurmehr kleinen Unterschied in Sachen Infektionsrisiko und einen derzeit nicht ausreichend belegbaren Unterschied beim Krankheitsverlauf unter Omikron (!) wird mit Aufrechterhaltung der Ausgrenzung sehr viel Schaden angerichtet.
Darf man Ladenpersonal zu Türstehern machen?
Gegen das Argument, dass G2 und G3 sowie weitere G-Varianten nicht flächendeckend kontrollierbar seien, wird gerne eingewendet, dass auch der Führerschein kaum kontrolliert werde und man deshalb ja nicht etwa die Führerscheinpflicht aussetzt. Das Beispiel hinkt gewaltig, denn niemand erwartet von irgendjemandem außer von KfZ-Verleiern und der Polizei (bei Verdacht), Führerscheine zu kontrollieren.
Anders bei G2 / G3 et al: Hier sollen die Geschäftsinhaber die Zugangsvoraussetzungen kontrollieren (hier z.B. die InfektSchVO Berlin), es drohen sogar hohe Geldbußen, wenn sie das unterlassen. Das ist leicht verordnet, aber eine große Zumutung für die Beschäftigten, die sich nun ständig mit Leuten auseinander setzen müssen, die die geforderten Nachweise nicht vorzeigen und womöglich aggressiv werden bis hin zur Körperverletzung.
- Prompt haben sich die Betreiber von Bussen und Bahnen auch geweigert, die nun auch im ÖPNV geforderten Kontrollen durch ihre Fahrscheinkontrolleure vornehmen zu lassen. Kontrolliert wird stichprobenartig, begleitet von der Polizei.
- Wir sehen derzeit auch fast täglich, wie Polizisten unangemeldete „Spaziergänge“ und angemeldete Demos., deren Teilnehmer die Auflagen nicht einhalten, nur am Rande stehend beobachten. Sie wollen die Dinge „nicht eskalieren“, sie fürchten also, dass sie auf Widerstand treffen, dass es Ärger und handgreifliche Auseinandersetzungen gibt.
Aber das Personal der Läden und Geschäfte soll Impfzertifikate von jedem kontrollieren und auch noch mit dem Ausweis abgleichen!
Gleiche Maßnahmen für alle!
In einem 2G-Geschäft fühle ich mich weniger sicher als in einem Laden, der alle rein lässt, aber auf eine begrenzte Personenzahl, Abstände und FFP2-Masken achtet. Dass sich die große Mehrheit sinnvoll verhält, sieht man derzeit auch an den sinkenden Inzidenzen (noch Delta!) und den Klagen der Läden und Geschäfte über „mangelnde Kauflust“. Veranstalter berichten von massenhaften Absagen von Festen und Zusammenkünften aller Art. Geboostert wird in hoher Geschwindigkeit und in großer Zahl, obwohl auch das nicht die volle Sicherheit bietet und die Wirkung nach drei Monaten wieder drastisch nachlässt. Und heute werden diverse Lockdown-Maßnahmen (Schließungen) verkündet werden, die alle treffen, nicht nur Ungeimpfte.
Mein Fazit (als vollständig Geimpfte und Geboosterte): Weil Omikron alles umstößt, was bisher gegolten hat, sollte man nicht nur verschärfte Kontaktbeschränkungen „auch für Geimpfte und Genesene“ verordnen, sondern die Ausgrenzung der Ungeimpften beenden. Weil sie unverhältnismäßig geworden ist und mehr Schaden anrichtet als sie der Allgemeinheit noch nützt..
Diesem Blog per E-Mail folgen…
Diskussion
Kommentare abonnieren (RSS)
14 Kommentare zu „Gleichmacher Omikron: G2 muss weg!“.