Da hier schon Kommentare unter anderen Blogthemen zum Eklat des Tages einlaufen, braucht es diesen Blogpost. Normalerweise benötige ich ein paar Tage, um wesentliche Ereignisse zu verarbeiten, bevor ich schreibe, aber sei’s drum, heute ist nichts mehr normal. Alsdenn, Gerhard schrieb:
„Russland-Machthaber Wladimir Putin (69) hat die selbst ernannten „Volksrepubliken“ Donezk und Luhansk als unabhängige Staaten anerkannt. Putin unterzeichnete nach einer knapp anderthalbstündigen Ansprache einen „Freundschaftsvertrag“ mit den besetzten Gebieten.
Mit der Anerkennung der besetzten Gebiete ebnet Putin den Weg für einen möglichen militärischen Einmarsch in die Ukraine. Brisant: In seiner Ansprache sagte Putin, die Ostukraine sei historisch ein Teil Russlands.
Völlig irre: Putin sprach dem souveränen Staat ab, eine Staatstradition zu haben. Dem Land sei es nie gelungen, einen stabilen Staat zu schaffen. Die ukrainischen Behörden seien von Nationalismus und Korruption verunreinigt, das Land befinde sich in den Händen oligarchischer Clans.
Putins Wahnfantasie: Die Ukraine sei ein Marionettenregime und auf das Niveau einer US-Kolonie reduziert worden. „Verstehen denn die Ukrainer, dass sie nicht nur ein Protektorat, sondern Marionetten sind?“, poltert der russische Machthaber.“
Wie es soweit kommen konnte, dass Putin alle diplomatischen Initiativen der letzten Tage in den Wind schlägt, zeigt diese ARTE-Doku:
Derart zusammen hängend habe ich die Putinschen Aktivitäten in Europa, NahOst, den arabischen Staaten und Afrika der letzten Jahrzehnte noch nie aufbereitet gesehen! Nervig ist, dass Putin zwar mehrere Male ausgiebig zu Wort kommt, aber NICHT übersetzt wird. Zwar kann man aus den Zusammenhang ahnen, was er in etwa sagt, aber dennoch wirkt es seltsam. Dass am Ende auch ein französischer Politiker nicht übersetzt wird, macht es nicht besser. Wer kann schon russisch?
Und ich? Bin überrascht, dass die „Anerkennung“ der Donbass-Gebiete als Szenario eines Einmarsches vorab nicht schon vorher gesehen und öffentlich debattiert wurde. Oder habt Ihr irgendwo gelesen oder gesehen, dass diese Donbass-Leute letzte Woche in der Duma um die Anerkennung „gebeten“ hatten? Putins Vorgehen ist insofern trickreich, als seine Truppen nun als „Friedenstruppen“ gelabelt in die anerkannten Staaten und nicht „in die Ukraine“ einmarschiert sind. Dabei kann er sich bezüglich des Vorwurfs des Völkerrechtsbruchs sogar auf das Kosovo-Beispiel des Westens beziehen, der ebenfalls eine „abtrünnige Region“ als Staat anerkannt hat.
Was aber gar nicht mehr in dieses „Narrativ“ passt, ist der Anspruch auf weitere Gebiete, letztlich auf die ganze Ukraine, den Putin in seinen Reden erhebt.
Bleibt die Frage: Was tun?
Gleich die ganze angedachte Sanktionspalette umzusetzen, wird schwierig. Sanktionen gegen die Bewegungsfreiheit und Vermögen der beteiligten Politiker ist zu wenig und ist denen egal. Nordstream 2 absagen geht locker, schließlich fließt da noch gar kein Gas durch. Russland nimmt andrerseits da auch noch nichts ein, was schmerzhaft wegfallen können. Die schärfste Waffe, den Ausschluss aus dem SWIFT-Abkommen, lässt sich nicht „mal eben so“ machen, denn das würde zum sofortigen Stopp der Gaslieferungen führen, weil die Europäer es nicht mehr bezahlen könnten. 40 Prozent des in der EU verbrauchten Erdgases kommen aus Russland, ca. 20 EU-Staaten sind nach Kommissionsangaben von russischen Einfuhren abhängig. Dass man jetzt meint, man käme mit den geschrumpften Vorräten über den Winter, ist ja tröstlich, aber ob das stimmt? Und was danach?
Im DLF hat jemand vorgeschlagen, Sanktionen gegen die russischen Oligarchen zu verhängen. Die sind offenbar weltweit zum Shoppen und Feiern unterwegs, fahren mit ihren Jachten herum und haben Vermögen im Ausland. Würde man ihnen ihre Bewegungsfreiheit nehmen und ihre Habschaften im Ausland beschlägnahmen, wäre der Unmut sicher groß und würde sich gegen die Putin-Politik richten.
Auf Twitter trendet „Weltkrieg“. Dazu schrieb jemand: „Ein Weltkrieg wird nicht kommen, dazu ist der Westen viel zu sehr Schisser.“ Sowas schockiert mich! Ich schrieb dazu, was den Weltkrieg angeht, sei ich gerne Schisser!
Soweit für jetzt.
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4 Kommentare zu „22.2.22: Putin sendet Truppen in den Donbass“.