Claudia am 19. März 2022 —

Energie: Jetzt rächt sich Jahrzehnte lange Ignoranz

Eigentlich sollte es ein sanfter Übergang werden: Mit der CO²-Abgabe auf Energie die Preise langsam anheben, während der Umbau bei den Energieversorgern eher gemächlich voran schreitet. Aber mach nur einen Plan… Die aktuellen Preise für Gas, Benzin und Strom laufen allen Prognosen davon. Heute hat jemand eine Nachricht seines Gas-Lieferanten auf Twitter gepostet:

Und das, obwohl wir nach wie vor das meiste Gas aus Russland beziehen und (noch) nicht reduziert oder gar gestoppt haben. Benzin/Diesel kosten deutlich über 2 Euro/Liter und langsam wird auch klar, dass das nicht alles ist. ALDI erhöht die Preise von 400 Produkten, die Bäcker in Berlin müssen ebenfalls nachziehen. Sie haben neben der Energie auch noch Preissteigerungen beim Weizen (wg. Ukraine, Russland) zu verkraften. Kurzum: Alles wird teurer – und nicht zu knapp!

So langsam müsste jedem klar werden, dass die Energiepreiswende, die gerade über uns herein bricht, alles andere als sanft verläuft und sich auch mittelfristig nicht entschärfen wird. Der Ausbau der Erneuerbaren läuft nur schleppend. Auch da, wo eigentlich klar ist, was passieren soll, nämlich bei der Südlink-Trasse, gibt es auch jetzt noch (!) massiven Widerstand. Und zwar ungeachtet der Tatsache, dass die Leitungen wegen der Bürgerproteste nicht über Land laufen, sondern tief eingegraben werden – die teuerste Version, die wir alle über den Strompreis zahlen werden.

Kohle-Renaissance?

In Berlin verzeichnen die letzten Kohle-Händler gerade eine massiv steigende Nachfrage. Wer noch einen Kohle- oder Holzofen hat, deckt sich gerade mit Vorräten ein. Auch bei mir steht noch ein funktionierender Kachelofen im Wohn-/Arbeitszimmer, dank meinem weisen Vermieter, der die Öfen nicht hat abreissen lassen, trotz Gas-Etagenheizung. Sogar ein paar Briketts liegen hier aus früheren Zeiten noch ‚rum, ich werde aber vorläufig nicht kaufen. Es ist immerhin beruhigend, dass der Ofen noch da ist – da könnte ich auch Holz und Pappe verheizen, wenn die Lage wirklich krass wird.

Energie sparen? Nicht wirklich…

Hätte die Groko den Ausbau der Erneuerbaren nicht massiv ausgebremst, stünden wir heute anders da. Aber auch auf anderen möglichen Regulierungsbereichen glänzte die deutsche Politik durch Untätigkeit: Bloß nicht den Konsum antasten, der muss ja jedes Jahr steigen, weil wir unbedingt Wachstum brauchen: Kein Tempolimit, kaum Anreize für den Kauf kleiner PKWs mit weniger PS und weniger Verbrauch, keine Vorgaben für den Neubau zur Nutzung der Wärmepumpentechnologie, keinerlei Versuche, die massenhafte „kostenlose Rücksendung“ von Online-Bestellungen zu unterbinden – und wir alle sind mehr oder weniger mit Schuld, denn abgesehen von den immer mehr werdenden Menschen an oder unter der Armutsgrenze hat sich doch kaum jemand ums Energie-Sparen gekümmert!

1992 / 1993 war ich mit der Durchführung einer Klimakampagne für Mieter beschäftigt. Wir haben die Mieter eines riesigen Plattenbaus dazu bewegt, ihren Energieverbrauch zu senken: 20 bis 30 Prozent waren locker drin. Insgesamt aber zeigte sich bei solchen Aktionen regelmäßig: Das energiesparende Verhalten bleibt nicht stabil, sondern bewegt sich nach Wegfall der Anreize und der Dauerkommunikation wieder zurück auf den alten Level.

Allein die Elektro-Geräte, die in deutschen Haushalten stehen: Für jeden Pipifax ein extra Gerät: Brotschneidemaschine, Gemüsezerkleinerer, Rührgerät, Mixer, Kaffemühle, Toaster, Brotbackautomaten, Waffeleisen, Eierkocher, Tischgrills, selbstverständlich elektrische Zahnbürsten / Mundduschen und neuerdings jede Menge Vakuumiergeräte, damit man den Trend zum Sous Vide Garen mitmachen kann.

Ich nehme mich dabei nicht aus, besitze einen Hochleistungsmixer, der satte 3 PS bringt – immerhin nutze ich den nicht oft. Und beim Kaffee bin ich zur Mechanik zurück, nachdem die E-Mühle den Geist aufgegeben hat.

Kaffeemühle mechanisch
Pro Mokkakanne (Espresso, 10 Tassen) muss ich 150 mal drehen, mit einigem Druck, damit das Ding nicht wegrutscht. Bringt immerhin täglich ein kleines Workout für die Armmuskeln, oft sogar zweimal täglich.

Energetischer Umbau der Häuser?

Immer wieder verweisen Experten darauf, dass die größte Einsparung bei der Heizenergie stattfinden müsse. Die Häuser müssen wärmegedämmt werden und es sollten Wärmepumpen eingebaut werden. Diese sind vor allem dann effektiv, wenn auch eine Fußbodenheizung installiert wird, sowie eine Solaranlage auf dem Dach. Bei bewohnten Mehrfamilienhäuser also ein riesiger und sehr kostenintensiver Umbau. Bereits jetzt werden viele Mieter allein durch die Kosten der Wärmedämmung „heraus modernisiert“ – und ehrlich gesagt bin ich froh, dass mein Hauseigentümer bisher keine Anstalten in dieser Richtung macht.

Fazit:  Es wird richtig ungemütlich und sehr teuer! Individuell bleibt uns nur, den eigenen Verbrauch (und all die Gerätschaften) zu reduzieren, wo immer möglich. Politiker/in möchte ich in diesen Zeiten wirklich nicht sein!

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Diskussion

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13 Kommentare zu „Energie: Jetzt rächt sich Jahrzehnte lange Ignoranz“.

  1. Ja, wenn wir eins mit unseren Politikern teilen, dann ist das wohl Ignoranz. Ich habe in den Medien oder sonst wo kaum Klagen darüber gehört, dass wir (Deutschland) uns abhängig von russischen Energiequellen machen. Doch, es gab vereinzelte Stimmen. Aber waren die ernstzunehmen? Nun, aus heutiger Sicht offenbar schon. Aber das ist bloß ein Teil der Probleme, die wir uns irgendwie selbst eingehandelt haben. Deutschland geht voran und setzt sich an die Spitze der Energierevolution. Und? Die Welt lacht über uns. Keiner zeigt sich angetan oder versucht gar, es uns gleichzutun. Jetzt stehen wir für alle sichtbar mit kurzem Hemd da.

    Energiesparen heißt verzichten. Und der Deutsche verzichtet nicht mal angesichts der Katastrophe, die Putin über die Ukraine gebracht hat. Tempolimit, Sonntagsfahrverbote, womöglich frieren für den Frieden? Mit uns doch nicht. Und zur Not halten AfD und FDP all denen die Stange, für die solch „Freiheitseinschränkungen“ grundsätzlich ebenso wenig infrage kommen wie Masken und Impfpflicht. Wir sind an einem Punkt angelangt, an dem alle nur noch frustriert sind. Viele Blogartikel zeugen davon. Die meisten weisen die Schuld der deutschen Politikelite (also den Abgeordneten in Bundestag und Ländern) zu. Das ist bequem, aber es steckt auch viel Wahres drin. Wo sind die Politiker, die mal was riskieren, den Leuten eingehend erklären, was Phase ist? Robert Habeck empfinde ich gegenwärtig als echten Lichtblick. Er sagt, was ist. Trüge er nicht seine manchmal etwas seltsame Partei huckepack, wäre er in dieser Beziehung noch freier. Was er macht, ist mutig und vor allem, man versteht seine Argumente und ist willens, ihm zuzustimmen.

    Die Deutschen sind (anderes als andere Völker?) nicht an Wohlstandsverluste gewöhnt. Merkel und die Union haben dafür gesorgt, dass sich alle politischen Entscheidungen hauptsächlich an den Interessen der Wirtschaft orientiert haben. Dem Volk reichten die Bröckchen in Form von verdammt aufgeblasenen aber gleichwohl ineffizienten Sozialetats, die die Reichen und Eliten uns ließen.

    Es gab zwei Ausnahmen, in denen Merkel nicht ewig zugewartet hat, um eine möglichst populäre Entscheidung zu treffen: Energiewende und Flüchtlinge. Ihre große Popularität erlangte sie, weil sie trotz der Krisen mit ihrem unnachahmlichen Abwarten und Zaudern durchregiert hat. Die SPD darf sich vorwerfen, alles mitgetragen zu haben. Die jetzige Regierung wirkt in ihren Handlungen noch dilettantischer als die alte. Aber ich erinnere mich, dass das in der Anfangsphase der Schröder/Fischer-Regierung und auch zu Beginn der ersten Amtsperiode Merkels nicht anders gewesen ist. Ich sage nur Westerwelle.

    Nie hatten wir mehr Bundestagsabgeordnete als in dieser Legislaturperiode. Nicht einmal die Größe haben die gewählten Abgeordneten gehabt, diese grundgesetzwidrige Überziehung zu verhindern bzw. endlich für Abhilfe zu sorgen. Viele Köche verderben den Brei, heißt es. Das wäre am Ende vielleicht die Erklärung dafür, dass in diesem Land einfach gar nichts mehr funktioniert. Ich sehe schwarz für unsere Zukunft.

  2. Nach wie vor sind die Energieverträge so ausgelegt, dass es billiger wird, je mehr verbraucht wird. Frage mal ein lokales Geschäft in der Nähe – oder hast Du schon mal eines gesehen, das Nachts die Schaufensterbeleuchtung abdreht (Bäcker & Fleischer zählen nicht)?

    Kohle ist auch nur eine Option, solange sie nicht alle verwenden. Ansonsten hast Du auch dort das gleiche Preiskartell.

    Ich finde es immer wieder lustig, wie sich die Leute von den Narzissten im deutschen Führungswesen einreden lassen, sie seien selber Schuld an der Situation und müssten entsprechend handeln, während sie selber drauf Scheißen und sich königlich über den blinden Aktionismus der Leute amüsieren.

    Mit Konsum steuert man nix. Es sei denn man produziert für sich selbst.

  3. @Horst:

    „Wo sind die Politiker, die mal was riskieren, den Leuten eingehend erklären, was Phase ist?“

    Richtig, aber da gibt es – weniger sichtbar – noch viel mehr Versagen.

    Die Landesregierungen scheinen es gar nicht mehr zu kennen, dass ihnen hier und da eigene Gestaltungen abverlangt werden! Es ist m.E. völlig normal, dass der Bund Gesetze verabschiedet, die NICHT bis ins Kleinste Detail vorschreiben, WIE die Länder das umsetzen sollen. Wozu sind sie denn bittschön da? Aber nein, immer wieder die Anklage, der Bund habe nichts zur Durchführung vorgegeben. So geschehen bei der berufsbezogenen Impfpflicht und jetzt wieder bei der Durchsetzung der Sanktionen. Wozu haben wir denn den gelobten Föderalismus, wenn die Länder ihre Eigenverantwortung gar nicht mehr wahrnehmen wollen?

    Der Rundumschlag bei Post von Horn ist grandios! Es ärgert mich schon lange, wie ignorant hierzulande viel Geld verteilt wird, ohne dass der intendierte Nutzen zum vereinbarten Preis in der versprochenen Zeit auch zustande kommt. Es ist zum Haare raufen!

    Ganz ebenso der Umgang mit Bundeswehrgeldern, immerhin 50 Milliarden pro Jahr. Es „fehlen Munition, Waffen, Ersatzteile, Ferngläser, Helme und sogar warme Unterhosen“ (Ulrich Horn), aber man leistet sich die Gorch Fock, deren Sanierung von 10 Millionen auf 135 Millionen Kosten anstieg – und bei einer Werft in Autrag gegeben wurde, die bereits Jahre vorher Insolvenz anmelden musste und deren Verantwortliche nachweislich korrupt waren. Wenn das mal nicht eine „versteckte Werft-Subvention“ im Sinne der SPD (Arbeitsplätze!) war, fresse ich einen Besen!

    Seit wir im Krisenmodus sind, zeigt sich bei einer etwas vertiefenden Befassung mit Einzelthemen immer dasselbe: Eine Schicht sehr gut bezahlter Berater und Gutachter, hohe Beamte und Funktionäre, die Verantwortung abschieben und vor allem nicht kontrollieren wollen, unglaublich lange / langsame Prozesse, ausgeuferte Bürokratie – und eine Digitalisierung weit weit hinter den Möglichkeiten.

    Als ich „objektorientierte Programmierung“ und dann auch das Web kennen lernte, fragte ich mich, warum man das nicht nutzt, um Prozesse zu beschleunigen: 1 Bauvorhaben als Datenpaket im Netz, zu dem die jeweils Beteiligten unterschiedliche Zugangsrecht haben, um dort ihre Beteiligung zügig abzuarbeiten. Statt dessen geht vieles nicht voran, weil man viele Monate wenn nicht Jahre darauf warten muss, bis alle beteiligten Behörden endlich das Ihre getan haben!

    Na, ein Fass ohne Boden…

  4. @Juri: Bin mit dir der Meinung, dass etliche nötige Regulierungen von der Politik gescheut werden. Dass man als Konsument aber gar keinen Einfluss hätte, sehe ich nicht so. Würde sich die Einstellung vieler in Richtung „sparen“ ändern (womit jetzt eigentlich zu rechnen ist), dann wird vieles, was nicht wirklich gebraucht wird, auch nicht mehr in nennenswerten Mengen gekauft.

  5. @Claudia Dafür brauchst Du Milliarden an Menschen, die das so handhaben würden. Das Gegenteil ist der Fall. Nicht mal die Juneited Stehts, von denen wir uns alles versuchen abzuschauen, kriegen da nur entfernt was auf die Kette. Welches ist das meistgefahrene Mobil? Welches ist das meistbegehrte Wohneigentum? Welches ist die meistbegehrteste Küchenmaschine? Welches ist das meistbegehrteste Klugfon?
    Welches ist der meistbegehrte Sport? Wurde Bitcoin verboten? Ist Insiderhandel noch das begehrteste Motiv aller reichen Deutschen?

  6. Reduziert wird rein garnichts.
    Es wird immer mehr.
    Randthema Verpackung.. da habe ich unlängst Sünden für mich dokumentiert, die nicht glaubhaft erscheinen.

  7. @Juri, @Gerhard
    Na, und was ist mit „der Markt wird es richten“? Wenn alles teurer wird und solche Preissprünge wie im Artikel gezeigt bei allen angekommen sind: Die Einkommen steigen nicht im gleichen Tempo und irgendwoher muss das Geld für die NÖTIGEN Dinge ja kommen. Also ist es doch nicht besonders abseitig, anzunehmen, dass dann beim eher Überflüssigen, beim Nice-to-have-Konsum gespart wird. Und wenn dann noch das Embargo kommt…

    @Gerhard: grade ein StartUp gesehen (sendmepack.de), das gebrauchte Kartons von Logistikern einsammelt, sie aufbereitet und wieder verkauft. Auch DHL und andere müssten ihre Vorschriften für Verpackungsgrößen ändern, damit nicht ein kleines Medikament in einem riesigen Karton versendet werden muss.

  8. @Claudia Das ist, was die Marktradikalinskis damit meinten. Der Markt wird es für sie richten und für die Armen: Hinrichten.

    Das war nie anders gemeint!

    Von daher: Wie bestellt, so geliefert!

  9. @Claudia, das werde ich mir mal anschauen mit sendmeback.

  10. @Juri: immerhin „ringt“ die Ampel um ein Entlastungspaket. Aber „bestellt“ hat die aktuellen Preissteigerungen niemand! Es ist auch völlig unrealsitisch, anzunehmen, die Politik könnte alle Teurungen ausgleichen – von was denn? Einfach immer mehr verschulden zu Gunsten des privaten Konsums? Nicht im Ernst!
    Hier eine aktuelle Umfrage zur Veränderung des Kaufverhaltens. Wie man sieht, ist schon jetzt die Wirkung durchaus drastisch.
    Auch ging es hier um die Wirkung veränderten Konsumverhaltens, dessen Möglichkeit Du und Gerhard erstmal abgeleht habt. Ob sich das Verhalten nun aus Einsicht oder wg. Teurung ändert, ist für die Diskussion der Wirkung doch egal.

  11. „Es ist auch völlig unrealsitisch, anzunehmen, die Politik könnte alle Teurungen ausgleichen – von was denn?“
    Die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen gibt eindeutig die Politik vor. Wäre dem nicht so, wäre VW oder Siemens der Staat, nicht Deutschland, was für viele offenbar ein feuchter Traum zu sein scheint.

  12. @Claudia Ich schmiere Brötchen für die Heilsarmee. Hast Du das mal gemacht? Es könnte ein Augenöffner für die Fragen sein.

  13. @Juri: für welche Frage?

    „Die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen gibt eindeutig die Politik vor. “
    Sie könnte – da es aber „die Politik“ nicht gibt, sondern immer nur eine nationalstaatliche mit je eigenen Interessen (auf die man sich oft nur mühsam einigt), gibt es mangels Weltstaat auch nur diese um Standards und Einflüsse ringenden Staaten und Staaten-Konglomerate.