So ein Mega-Thema, das über Wochen und Monate die Medien bestimmt, hat ja was: ob Katastrophe, Krise oder Bundestagswahl, die Verengung auf das EINE THEMA vermittelt das Gefühl, mit all den Anderen etwas gemeinsam zu haben – und sei es nur die Spannung, wer demnächst hierzulande den Schuldenberg in Sparmaßnahmen übersetzt. Dass es richtig aufregend wird, haben die Parteien ja nun im Vorfeld verhindert: kein Rot-Rot-Grün, kein Jamaika – also entweder schwarz-gelb oder weiter die große Koalition.
Wie bei jeder Wahl wundert es mich, mit welcher Verlässlichkeit sich aus recht klaren Ausgangsbedingungen dann doch noch ein „Kopf-an-Kopf-Rennen“ verschiedener Lager entwickelt. Als gäbe es eine Art Naturgesetz, dass sich im Laufe des Hochkochens einer Entscheidung immer alles auf „halbe-halbe“ zuspitzen müsste. Schade, dass es keine Möglichkeit gibt, zu wissen, ob das anders wäre, wenn man jetzt die Wahl einfach noch um drei Monate verschieben würde: würde das 50:50-Verhältnis nur immer exakter oder würde der Trend GEGEN schwarz-gelb sich fortsetzen?
Wir werden es nie wissen und vermutlich ist es auch nicht wichtig. Gespannt bin ich jedenfalls auf die Wahlbeteiligung: noch nie gab es so viele Apelle, doch wählen zu gehen. Heißt das, dass deutlich weniger Menschen zur Wahl gehen werden – oder das Gegenteil? Das zumindest werden wir am Sonntag abend wissen.
Zwei jeweils „anders schlimme“ Möglichkeiten
Ob es nun eine große oder schwarz-gelbe Koalition geben wird, lässt mich heute kälter als noch vor 10, gar 20 oder 30 Jahren. Beides hat Vor- und Nachteile. Setzt sich die große Koalition fort, wird das ein ziemlich angestrengtes Gewürge: die SPD kann sich nicht regenieren („ihr Herz wiederfinden“) und in der CDU wird ein Kampf um die Nachfolge Merkels ausbrechen, denn man wird ihr anlasten, dass es zum Bündnis mit der FDP nicht gereicht hat. Stabil wird das Ganze auch nicht sein, denn wenn rechnerisch Rot-rot-grün jederzeit möglich ist, wird es die SPD und die LINKE schier zerreissen im Streit darum, wann man das dann doch mal wagen soll. Positiv wäre evtl. die Kontinuität des „eingespielten Teams“, das im Umgang mit der Finanzkrise ja gar nicht so schlecht agiert hat, schaut man auf andere Länder zum Vergleich. Und natürlich die Hoffnung, dass der Sozialabbau nicht so heftig würde wie bei Schwarz-gelb – aber wer kann das wissen?
Reicht es grade so für Schwarz-gelb, womöglich nur mittels der umstrittenen Mehrheit aufgrund von Überhangmandaten, dann gäbe es in nächster Zeit zumindest klare Fronten. Es gäbe plötzlich wieder eine riesige Opposition und eine Bevölkerung, die die Regierung als nicht ganz legitim betrachtet: beste Voraussetzungen, allem, was da Ätzendes kommen mag, maximalen Widerstand entgegen zu setzen. Gemeinsam in der Opposition würden sich SPD und LINKE annähern, so dass in 4 Jahren die Chance groß wäre, die Schwarz-Gelben abzulösen (die allerlei aufgrund der Finanzlage evtl. unabwendbaren Zumutungen bereits durchgezoge hätten: wie einst Schröder die AGENDA 2010).
Keine Heimat
Anders als früher bin ich heute keiner Partei mehr so fest verbunden, dass ich sie IMMER wähle. Zwar fühle ich mich nach wie vor den GRÜNEN nahe, doch hindert mich das heute nicht, Stimmen-Splitting zu betreiben und auch den PIRATEN eine Chance zu geben. Nicht weil ich mit jeder ihrer Forderungen einverstanden wäre, sondern weil ich froh bin, dass sich endlich eine neue Kraft der brennenden Themen rund um Überwachung, Datenschutz, Urheberrechte, Patente und Copyrights, Netzzensur und Netzpolitik in ganzer Bandbreite annimmt.
Das tun zwar teilweise (!) auch die GRÜNEN, doch hat eine neue Partei, noch dazu eine, die viele junge Menschen mobilisiert, eine sehr viel massivere Wirkung auf das Bewusstsein der Altparteien und der Allgemeinheit – auch wenn sie, was ja zu erwarten ist, nicht jetzt schon die 5%-Hürde packt. Die sehr „netzigen“ internen Strukturen der Piratenpartei, bei denen (noch) jede/r mitreden und mitmachen kann, gefallen mir: mittels der heute zur Verfügung stehenden Kommunikationsmöglichkeiten wäre ja evtl. auch insgesamt mehr Bürgerbeteiligung und Mitbestimmung machbar – es muss nur jemand wollen!
„Klar machen zum ändern“ ist ein sympathischer Slogan. Dass die PIRATEN dafür erst noch selber an Klarheit gewinnen müssen und sich auf dem politischen Parkett noch etliche Fehler leisten, sehe ich nicht als Hindernis an, sie zu wählen. Sie werden professioneller und im Sinne althergebrachten Parteienverständnisses stromlinienförmiger werden – ob sie mir dann noch gefallen, wird sich zeigen.
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10 Kommentare zu „Jetzt also die Wahl“.