Claudia am 26. September 2009 —

Jetzt also die Wahl

So ein Mega-Thema, das über Wochen und Monate die Medien bestimmt, hat ja was: ob Katastrophe, Krise oder Bundestagswahl, die Verengung auf das EINE THEMA vermittelt das Gefühl, mit all den Anderen etwas gemeinsam zu haben – und sei es nur die Spannung, wer demnächst hierzulande den Schuldenberg in Sparmaßnahmen übersetzt. Dass es richtig aufregend wird, haben die Parteien ja nun im Vorfeld verhindert: kein Rot-Rot-Grün, kein Jamaika – also entweder schwarz-gelb oder weiter die große Koalition.

Wie bei jeder Wahl wundert es mich, mit welcher Verlässlichkeit sich aus recht klaren Ausgangsbedingungen dann doch noch ein „Kopf-an-Kopf-Rennen“ verschiedener Lager entwickelt. Als gäbe es eine Art Naturgesetz, dass sich im Laufe des Hochkochens einer Entscheidung immer alles auf „halbe-halbe“ zuspitzen müsste. Schade, dass es keine Möglichkeit gibt, zu wissen, ob das anders wäre, wenn man jetzt die Wahl einfach noch um drei Monate verschieben würde: würde das 50:50-Verhältnis nur immer exakter oder würde der Trend GEGEN schwarz-gelb sich fortsetzen?

Wir werden es nie wissen und vermutlich ist es auch nicht wichtig. Gespannt bin ich jedenfalls auf die Wahlbeteiligung: noch nie gab es so viele Apelle, doch wählen zu gehen. Heißt das, dass deutlich weniger Menschen zur Wahl gehen werden – oder das Gegenteil? Das zumindest werden wir am Sonntag abend wissen.

Zwei jeweils „anders schlimme“ Möglichkeiten

Ob es nun eine große oder schwarz-gelbe Koalition geben wird, lässt mich heute kälter als noch vor 10, gar 20 oder 30 Jahren. Beides hat Vor- und Nachteile. Setzt sich die große Koalition fort, wird das ein ziemlich angestrengtes Gewürge: die SPD kann sich nicht regenieren („ihr Herz wiederfinden“) und in der CDU wird ein Kampf um die Nachfolge Merkels ausbrechen, denn man wird ihr anlasten, dass es zum Bündnis mit der FDP nicht gereicht hat. Stabil wird das Ganze auch nicht sein, denn wenn rechnerisch Rot-rot-grün jederzeit möglich ist, wird es die SPD und die LINKE schier zerreissen im Streit darum, wann man das dann doch mal wagen soll. Positiv wäre evtl. die Kontinuität des „eingespielten Teams“, das im Umgang mit der Finanzkrise ja gar nicht so schlecht agiert hat, schaut man auf andere Länder zum Vergleich. Und natürlich die Hoffnung, dass der Sozialabbau nicht so heftig würde wie bei Schwarz-gelb – aber wer kann das wissen?

Reicht es grade so für Schwarz-gelb, womöglich nur mittels der umstrittenen Mehrheit aufgrund von Überhangmandaten, dann gäbe es in nächster Zeit zumindest klare Fronten. Es gäbe plötzlich wieder eine riesige Opposition und eine Bevölkerung, die die Regierung als nicht ganz legitim betrachtet: beste Voraussetzungen, allem, was da Ätzendes kommen mag, maximalen Widerstand entgegen zu setzen. Gemeinsam in der Opposition würden sich SPD und LINKE annähern, so dass in 4 Jahren die Chance groß wäre, die Schwarz-Gelben abzulösen (die allerlei aufgrund der Finanzlage evtl. unabwendbaren Zumutungen bereits durchgezoge hätten: wie einst Schröder die AGENDA 2010).

Keine Heimat

Anders als früher bin ich heute keiner Partei mehr so fest verbunden, dass ich sie IMMER wähle. Zwar fühle ich mich nach wie vor den GRÜNEN nahe, doch hindert mich das heute nicht, Stimmen-Splitting zu betreiben und auch den PIRATEN eine Chance zu geben. Nicht weil ich mit jeder ihrer Forderungen einverstanden wäre, sondern weil ich froh bin, dass sich endlich eine neue Kraft der brennenden Themen rund um Überwachung, Datenschutz, Urheberrechte, Patente und Copyrights, Netzzensur und Netzpolitik in ganzer Bandbreite annimmt.

Das tun zwar teilweise (!) auch die GRÜNEN, doch hat eine neue Partei, noch dazu eine, die viele junge Menschen mobilisiert, eine sehr viel massivere Wirkung auf das Bewusstsein der Altparteien und der Allgemeinheit – auch wenn sie, was ja zu erwarten ist, nicht jetzt schon die 5%-Hürde packt. Die sehr „netzigen“ internen Strukturen der Piratenpartei, bei denen (noch) jede/r mitreden und mitmachen kann, gefallen mir: mittels der heute zur Verfügung stehenden Kommunikationsmöglichkeiten wäre ja evtl. auch insgesamt mehr Bürgerbeteiligung und Mitbestimmung machbar – es muss nur jemand wollen!

„Klar machen zum ändern“ ist ein sympathischer Slogan. Dass die PIRATEN dafür erst noch selber an Klarheit gewinnen müssen und sich auf dem politischen Parkett noch etliche Fehler leisten, sehe ich nicht als Hindernis an, sie zu wählen. Sie werden professioneller und im Sinne althergebrachten Parteienverständnisses stromlinienförmiger werden – ob sie mir dann noch gefallen, wird sich zeigen.

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Diskussion

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10 Kommentare zu „Jetzt also die Wahl“.

  1. „Positiv wäre evtl. die Kontinuität des “eingespielten Teams”, das im Umgang mit der Finanzkrise ja gar nicht so schlecht agiert hat, schaut man auf andere Länder zum Vergleich.“

    Wie kommst Du denn da drauf? Ich hab kaum ein Land erlebt, das mehr von seinen Bankern an der Leine geführt wurde als Deutschland, auch wenn das nur graduelle Unterschiede waren. Es gab auch kaum ein Land, das unentschlossener, waberiger und getriebener von den anderen und der eigenen Ideologie agiert hat. Man darf Steinbrücks Wichtig-Miene nicht für wahr nehmen. Der Mann hat – wie die ganze Regierung – keinerlei Plan und bewegt sich weit jenseits seiner eigenen Fähigkeiten. Ganz zu schweigen von Merkels „Keine Sorge, alles wird gut“-Getue.

    Was die Wahl zwischen Teufel und Beelzebub angeht hast Du natürlich recht, das macht keinen großen Unterschied. Aber Stimmensplitting zwischen Piraten und Grünen? Wenn Du nicht grad in Kreuzberg wohnst ist da wohl nur die Zweitstimme entscheidend.

  2. Ich wohne in Friedrichshain-Kreuzberg (und kann da Ströbele in den Bundestag schicken).

  3. du bestätigst meinen eindruck, dass noch nie so viel an die nichtwähler appelliert wurde, doch wählen zu gehen… dann bilde ich mir das also nicht ein.

  4. “Klar machen zum ändern” ist ein sympathischer Slogan.

    „Frech wie Oskar“ aber auch – oder ?

  5. Ich selber schwanke dieses Jahr wie viele zwischen „strategisch“ wählen (man kann versuchen, die FDP oder die SPD von der Regierung fernzuhalten) und Gesinnungsmässig zu wählen.

    Wir hatten letztes mal, daß stimmt, keine starke Opposition, was nicht gut war. Wir hatten aber auch keine starke Regierung. Und auch die brauchen wir, denke ich.

    Man könnte(!) die Hoffnung haben, daß eine Neuauflage der großen Koalition (die ja im Raum steht, ob wir es uns wünschen oder nicht) bei der nächsten Runde merkt, daß dies keine Übergangslösung sein wird, und dann endlich mal zügiger arbeitet. Sich einspielt sozusagen.

    Sich eine Regierung für schwach zu hoffen, nur weil, auch ich, nicht so mit ihr einverstanden bin… ich glaube viele sind das rumgeeiere leid.

    Mir selber kommt es so unspannend vor, weil egal was rauskommt… es ist immer der Geruch des gepansche dabei, ohne das ich mich richtig wieder finden kann.

    Ich denke übrigens nicht, das Frau Merkels Stuhl bei Schwarz-Rot wackeln würde. Im Gegenteil. Leute, die sie aus der Partei weg haben wollen, würden sich denken: soll die sich die nächsten vier Jahre weiter verschleissen, ich tu mir diese schweren Arbeitsbedingungen mit der schlingernden SPD nicht an.

    Ich bin sehr gespannt, ob der Atem der Piraten für eine APO-Zeit von vier Jahren langt, und zwar für die anfassbaren Welt außerhalb der Kommuniaktionswege des Netzes. Protest IM Netz um Leute außerhalb des Netz(Gedankens) zu erreichen zählt für mich nicht. Aber im entgegen gehen tun die sich, wie ich ja bekanntermassen finde, sehr schwer.

  6. Du bist der Pimp Du bist der Held. SteiniSteini, bist geballte Männlichkeit, SteiniSteini, bringst mich ausser Rand und Band….

    http://www.youtube.com/watch?v=kfIBc5PG3LI

  7. Wie sehr sich die Bedeutung eines Wortes doch im Lauf der Zeit ändert. Heute geht man zu einer „Wahl“, ohne wirklich etwas zu wählen

    Auf die Frage: „Welche Nase soll für Dich Entscheidungen treffen und damit Deine Gegenwart und die Zukunft Deiner Kinder bestimmen?“, würde ich gerne antworten: „Eigentlich keine dieser mir fremden Nasen aber kein Problem, ich mache das gerne selbst.“ Wo soll ich das Kreuzchen machen, für diese Antwort?

    „Herrschaft des Volkes“ klingt nur gut für Leute, die sich nach Generationen der Fremdbestimmung etwas anderes als „Macht“ und „Herrschaft“ nicht mehr vorstellen können. Was aber machen Leute, die der Ansicht sind, daß „Herrschaft“ generell ein überholtes und liebloses Konzept ist? Wo ist die Wahlmöglichkeit, für „keine Herrschaft“?

    „Wer die Wahl hat, hat die Qual“, hieß es mal. Heute dagegen ist wählen ganz leicht, weil es eben keine Wahl ist und weil es einfacher ist, seine Stimme abzugeben, als sie zu erheben.

  8. So, jetzt sind wir schlauer. Ganz offensichtlich hat es den von den Medien verbreiteten Trend gegen schwarz-gelb gar nicht gegeben. Wenn es aber immer mehr schreiben, fangen offensichtlich auch immer mehr Leute an, daran zu glauben.

  9. Damit hat dieses Land die Regierung gewählt die es verdient.
    Soll mir nur keiner mehr mit Gejammer kommen.
    Ich habe die Linke gewählt.