Tue Gutes und rede darüber? Oder doch lieber nicht, um nicht der eitlen Selbstdarstellung verdächtigt zu werden? Diese Bedenken schiebe ich jetzt mal beiseite, denn ich halte sie für kontraproduktiv, wenn es darum geht, Armutsbetroffene zu unterstützen.
In den letzten Wochen ist es Menschen, die in krasser Armut leben, gelungen, auf Twitter „eine Welle zu machen“. Unter dem Hashtag #ichbinarmutsbetroffen liest man herzzerreissende Geschichten aus dem Alltag armer Menschen, die ihre Kinder am Monatsende nur noch mit Nudeln ernähren können, die kein Geld haben, um kaputte Schuhe zu ersetzen und ständig Angst haben müssen, dass irgend etwas „Unbezahlbares“ auf sie zukommt. Die aktuellen Preissteigerungen treiben sie zur Verzweiflung, wen wunderts! Es zeigt sich da ein unglaubliches Elend mitten im angeblich so wohlhabenden Deutschland, ein „Sozialstaat“, dessen Hartz4- und Grundsicherungsbeträge für ein Kind gerade mal 3,59 am Tag fürs Essen vorsieht.
Aber genug davon! Wer interessiert ist, kann sich zur Lage z.B. im Armutsbericht 2022 informieren – oder #ichbinarmutsbetroffen mitlesen.
#IchUnterstützeArmutsbetroffene – wie komme ich darauf?
Auf die Idee zu diesem Hashtag bin ich gekommen, weil Betroffene darüber klagten, dass ihr Hashtag #IchBinArmutsbetroffen zu wenig weiter getweetet wird. Andere waren enttäuscht, dass in ihrer Gegend nur der Bekanntenkreis zu den aktuellen „Smartmobs“ gekommen ist, die derzeit in vielen Städten stattfinden. Das Anliegen dieser Minidemos ist es, Armutsbetroffene sichtbar zu machen, sich nicht mehr zu verstecken, sondern lautstark mehr Unterstützung einzufordern.
Mir ist aufgefallen: Obwohl unterstützungswillig, würde ich da nicht hingehen – einfach weil ich als Teilnehmende ebenfalls als „armutsbetroffen“ wahrgenommen würde. Zwar habe ich persönlich keine Diskriminierung zu befürchten, aber es wäre eine Anmaßung, denn mir geht es gut. Ich verdiene genug für meinen bescheidenen Lebensstil, sogar ausreichend, um etwas zurück zu legen. Also leite ich auch keine Tweets weiter, die den Eindruck erwecken, ich würde mich selbst über eigene Armut beklagen.
In Zukunft werde ich diese Tweets zitierend weiter reichen, versehen mit dem Hashtag #IchUnterstützeArmutsbetroffene – und weg ist das „Problem“. (Und wäre ich noch besser zu Fuß, würde ich mit einem solchen Schild zu den Smartmobs gehen). Es wäre auch keine bloße Behauptung, denn ich unterstütze tatsächlich, indem ich gelegentlich eine „wishlist“ (früher: Wunschzettel) sichte und Armutsbetroffenen etwas daraus kaufe und zusenden lasse. Das mache ich natürlich nicht blind, sondern angeregt durch Berichte als dem aktuellen Alltag – und nach Profil-Check derjenigen, wo ich mir ein Bild mache, ob die Angaben auch wahrscheinlich sind.
#IchUnterstützeArmutsbetroffene: ein paar Ideen, wie das gehen kann
Abgesehen von der ganz individuellen Unterstützung per Wishlist gibt es viele Möglichkeiten, die Bewegung #IchBinArmutsbetroffen zu unterstützen:
- Spendet oder werdet Paten bei der gemeinnützigen Organisation „Eine Sorge weniger„
- Zeichnet die aktuelle Petition „Wir wollen in Würde leben -schafft Armut ab“
- Verschafft dem Thema Reichweite: Schreibt selbst über die aktuelle Bewegung, über eigene Armutserfahrungen, über die zu geringe Hartz4- und Grundsicherung in Zeiten der Inflation und explodierenden Gaspreise.
- Verbreitet hilfreiche Informationen, z.B. darüber, wie man sich gegen zu restriktive Ämter wehren kann – (ungefragte Spartipps an Einzelpersonen, deren Schicksal man nicht kennt, kommen weniger gut an)
- Verteilt überschüssige Ernte aus Eurem Garten an Bedürftige – oder lasst Armutsbetroffene mitgärtnern.
- Redet und schreibt über unterstützende Aktivitäten (natürlich unter Beachtung der Privatsphäre unterstützter Einzelpersonen!) Nutzt das Hashtag „IchUnterstützeArmutsbetroffene„, vielleicht motiviert Ihr dadurch Andere, ebenfalls aktiver zu werden.
- Achtet auf Menschen im Bekanntenkreis, die auf einmal „keine Zeit“ mehr für gemeinsame Aktivitäten haben – vielleicht haben sie den Job verloren, sind krank / arbeitsunfähig geworden und schämen sich, das zuzugeben.
- Wer ein Blog hat: Ladet Armutsbetroffene ein, Gastartikel zur eigenen Situation zu schreiben. Das öffentliche Bild von Hartz4- und Grundsicherungsempfängern, das das private Demütigungs-TV zeichnet, ist grauenhaft und entspricht bei weitem nicht der Lebensrealität vieler Betroffenen.
- Unterstützt die politischen Forderungen nach einem Existenzminimum, das den Namen auch verdient.
Soweit für jetzt. Das Thema ist sooo riesig, dass ein einzelner Blogartikel sowieso nicht reicht. Freue mich über Kommentare, Tweets und Links – und über alle, die #IchUnterstützeArmutsbetroffene mittragen und verbreiten helfen.
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Mehr dazu?
Lesen: Noch nie wurde ein höherer Armutswert für Deutschland gemessen
Hören: Denkfabrik 2022: Von der Hand in den Mund – Wenn Arbeit kaum zum Leben reicht
Sehen: #IchBinArmutsbetroffen auf Youtube
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7 Kommentare zu „#IchUnterstützeArmutsbetroffene – und hab‘ dazu ein paar Ideen!“.