Kürzlich zappte ich in eine Doku-Sendung, in der das Elend eines Spielsüchtigen gezeigt wurde: ein Familienvater, der alles Geld verspielte, in die Beschaffungskriminalität abglitt, zeitweise in den Knast und dann wieder auf Entzug und in Therapie ging.
Man sah ihn dann nach so einer Therapie-Phase, wie er wieder mit den Kindern spielte, kochte und Stein und Bein schwor, nie wieder in den alten Status zu verfallen. Und die Frau sagte zum Interviewer: Ich kann gar nicht mehr begreifen, wie ich sein Doppelleben so lange übersehen konnte!
Durch insistierende Nachfragen kam heraus, dass die Frau durchaus bemerkt hatte, dass etwas nicht stimmt. Doch auf ihre Fragen wurde der Mann ruppig und aggressiv, woraufhin sie sich „in ihre eigene Welt zurück zog“ und weiteres Bohren unterließ.
Warum ich das erzähle? Beide Personen in diesem Drama eignen sich gut, die menschliche Sehnsucht nach dem Abenteuer bei gleichzeitiger Angst davor zu thematisieren: Der Mann verfiel der Spielsucht, weil er „sich von der Arbeit ablenken“ wollte, die ihn nicht ausfüllte, aber ohne Ende in Stress versetzte. Er riskierte nicht etwa die Suche nach einer neuen Arbeit oder konfliktreiche Bemühungen um deren Veränderung, sondern suchte den vermissten „Kick“ im Leben an den Spielautomaten. Die Frau scheute die Auseinandersetzung, weil sie Angst davor hatte, dass das ganze Konstrukt „heile Familie“, das einzig noch in ihrem Kopf existierte, auseinander brechen würde. Sie fürchtete, verlassen zu werden (obwohl sie lange verlassen worden war!) und ihr Leben in eigener Verantwortung ändern zu müssen. Beide schlossen die Augen vor der Realität, wodurch sich die Probleme zur Katastrophe aufschaukeln konnten.
In der TV-Doku wurden diese Ursachen selbstredend NICHT angesprochen: die Sucht war einfach Krankheit, ein Unglück, das Menschen leider zustößt – und die Reha-Situation am Ende (sorgender Familienvater beim Kuchenbacken) wurde als Heilung und Lösung betrachtet, die – toi toi toi!- hoffentlich anhalten werde.
Es wird NICHT anhalten. Denn nichts hat sich geändert, man versucht nur, wieder in den gesellschaftskompatiblen Lebensstil VOR der Katastrophe zu gelangen. Sobald die schlimmen Erinnerungen verblassen, wird die Suche nach dem Abenteuer den Mann in einen Rückfall treiben und die Frau wird aufs Neue schweigen, hoffen und bangen…
Wir alle wollen, dass das Leben auf irgend einer Ebene spannend ist, dass unser Tun Bedeutung hat und sich nicht in bloßen Routinen und Gewohnheiten, Sachzwängen und ökonomischen Notwendigkeiten erschöpft. Wer sich ein Leben aufbaut, dass nur noch „weiter funktionieren“ als Perspektive bietet und alle Risiken meidet, die im Versuch, das zu ändern liegen, dessen Unbewusstes übernimmt irgendwann die Steuerung. Sucht, psychische und physische Krankheiten oder gar Unfälle ereignen sich und machen dem faulen Frieden früher oder später den Garaus.
Es hilft nichts: wir müssen jeder selbst einen bewussten Weg in den „Abenteuer-Modus“ suchen und finden. Eine Ebene des Handelns, auf der wir uns mit ganzer Kraft einsetzen für Dinge, die uns wirklich wichtig sind. Das kann sich mehr im Äußeren, in der Welt des arbeitenden Engagements abspielen, oder mittels einer forcierten Innenschau auf der Suche nach den Abenteuern des Bewusstseins – darauf verzichten und „nur noch funktionieren“ führt nirgendwohin bzw. direkt in die persönliche Katastrophe.
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27 Kommentare zu „Der Abenteuer-Modus“.