Erst das Gute: Dass gleich zu Beginn der Verhandlungen das Schonvermögen der Harzt4er verdreifacht und das absurde „Zugangserschwernisgesetz“ um ein Jahr ausgesetzt wurde, hat mich gefreut. Erstere Regelung schützt vor allem die derzeit und demnächst arbeitslos werdenden, die nicht gleich alles verlieren sollen, wenn sie keinen neuen Job finden und dann doch bald ALG2 beziehen. Und das „Löschen statt Sperren“-Moratorium ist ein Teil-Sieg der Bewegung, die sich rund um die E-Petition („Zensursula“) entwickelt hat: die FDP will sich da gegen die Piratenpartei profilieren, die durch dieses Thema großen Aufwind bekommen hatte.
Insgesamt enthält der Koalitionsvertrag viel Wischiwaschi: Unterschiedliche Meinungen wurden mit Formelkompromissen übertüncht und in unzählige Prüfungskommissionen vertagt. In Sachen Wirtschafts- und Finanzkrise folgen die Koalitionäre wie die Lemminge dem Zug in die Überschuldung: es wird immer mehr geliehenes Geld ausgegeben, in der Hoffnung, ein Aufschwung mit ordentlichem Wachstum werde es schon richten. Dass Wachstum heute etwas ist, das man sich angesichts der Lage der Welt gar nicht wünschen sollte, ficht sie in ihrem „weiter so!“ nicht an. Schäuble, der einst nicht mal erinnerte, ob er 100.000 Mark erhalten hat oder nicht, wird Finanzminister – na, klasse!
Nun aber zu den beiden Punkten, die ich als die größten Übel im Detail ansehe:
- Erstens die von der FDP vehement geforderte Einführung der für alle gleichen „Kopfpauschale“ als gesetzlicher Krankenkassenbeitrag. Dass Arbeitgeber künftige Steigerungen nicht mitzahlen ist eine Schweinerei, doch schlimmer noch ist die Tatsache, dass dann eben alle erstmal den vollen Beitrag aufbringen müssen, egal, wieviel sie verdienen. Als Selbständige kenne ich von vielen Wäre-gerne-Selbständigen das Problem, sich den bereits in der Vergangenheit auf einen fiktiven Durchschnittsverdienst berechneten teuren Mindestbeitrag gar nicht erst leisten zu können. Dieses Problem werden in Zukunft viele haben, insbesondere Freiberufler, die bisher vor dem Mega-Beitrag durch die KSK bewahrt werden und ihre Steuererklärung fürs ganze Jahr im nachhinein machen: erstmal muss die Kopfpauschale gezahlt werden, irgendwann lange später erfolgt – vielleicht! – der versprochene „Sozialausgleich“ über die Steuern. Da werden nicht wenige Hartz4 beantragen müssen oder aufgeben. Toller Erfolg einer angeblich „wirtschaftsfreundlichen“ FDP.
- Zweitens: das sogenannte „Leistungsschutzrecht“ für Presseverlage. Wie man aus vielen Forderungen und Veröffentlichungen einschlägiger Kreise weiß, verbirgt sich dahinter das Vorhaben, in Zukunft für Links zu Artikeln kassieren zu dürfen. Was sich auf den ersten Blick „nur“ gegen die Grundfunktion von Suchmaschinen wie Google richtet, greift in Wahrheit die wichtigste Säule des Web an: die Freiheit, auf alles, was als Webseite allgemein zugänglich wird und nicht gegen Gesetze verstößt, auch mit einem Link hinweisen und Leser dahin weiter leiten zu dürfen. Aus dem Web (=Gewebe) würden zusammenhanglos nebeneinander stehende, abgeschottete Einzelmedien, die bei jedem Link anderswohin erst um Erlaubnis fragen, bzw. etwas zahlen müssten. Eine Horror-Vorstellung! Und – sollte es sich so tatsächlich konkretisieren – eine Zukunftsinvestitition in die Piratenpartei, die angesichts einer derart eingreifenden und entrechtenden „Leistungsschutzgesetzgebung“ sehr viel schneller als einst die GRÜNEN so richtig groß werden dürften!
Beide Punkte versprechen bewegte Zeiten! Was meint Ihr?
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11 Kommentare zu „Die zwei übelsten Vorhaben der Koalition“.