Da ist er also wieder mal heftig abgestürzt, der Neue Markt! Ich sehe es mit einer gewissen Genugtuung, denn während der euphorischen Phase im letzten Jahr, die bis in dieses Frühjahr reichte und unendliche Gewinne versprach, war ich nicht dabei: Zu dumm, zu ängstlich, zu arm, meine Steuerrücklage vergammelte „arbeitslos“ auf einem Konto und andere sahnten gewaltig ab. Das heisst, wenn sie reichtzeitig ausgestiegen sind, was vermutlich kaum jemand geschafft hat.
Das „große Spiel“ hat mir schon gefallen, wenn ich mich letztlich auch nicht aufraffen konnte, dabei selber Geld zu riskieren. Abgesehen von der gewissen Feigheit, die sich jetzt als Klugheit darstellen läßt, hat einfach keine Firma des neuen Markts mein Herz erobern können. Das Herz? Ja, lacht nur, es ist einfach Tatsache: Wenn ich einer Firma mein Geld geben, mich an ihrem ureigenen RISIKO beteiligen soll, muss ich sie auch mögen, muss an sie glauben.
Zu Anfang des Hype hat es damit noch ganz gut ausgesehen: die rücksichtslose Art, in der Internet-StartUps alle Gepflogenheiten der traditionellen Arbeitswelt ausser Kraft setzten, hat mir imponiert. Schliesslich war ich auch mal 20 und erinnere micht gut, wie ich das gelangweilte 9-to-5-Jobben gehasst habe – aus der Ferne, faktisch bin ich nie in so einen quadratisch-vorgestanzten Lebenslauf eingetreten. Kurzum: Arbeiten mit Begeisterung, fasziniert sein von dem, was man tut, keinerlei Einschränkungen akzeptieren, sondern immer voran stürmen: die neuen Internet-Firmen waren mir symphatisch, so ähnlich, wie ich dereinst Pop-Musiker bewunderte.
Die Ernüchterung kam im Konkreten, schließlich agierten diese StartUps nicht im luftleeren Raum, sondern im selben Feld, in dem ich mich bewege. Und genau da sind sie mir verdammt unangenehm aufgefallen – ob nun als Provider oder Hersteller von Soft- und Hardware oder mit ganz besonders abgefahrenen Web-Projekten: in der Regel konnte man mit ihnen nicht kommunizieren, sondern wurde per Robot-Mail abgefertigt oder völlig ignoriert. Im besten Fall stiess man als Kunde auf die regelmäßig ahnungslosen Call-Center-Figuren, die gern das blaue von Himmel herunter versprachen, aber eigentlich nur endlich den Hörer auflegen wollten. Auch Dinge wie das Auswechseln der Geschäftsbedingungen „on the fly“ ist typisch für die „Lernfähigkeit“ der New Economy, die mir insgesamt immer kälter, verrückter und kurzatmiger vorkam.
Und das mag ich nicht. Ich will NACHHALTIG Geld verdienen und mit Firmen zu tun haben, die auch morgen noch verläßlich ihr Ding machen, nicht Luftschlösser und Fantasien unterstützen (die mach‘ ich mir nämlich selber!), sondern hieb- und stichfeste Geschäftsmodelle von Leuten, denen nicht nur das Dollarzeichen im Auge glimmt. Und obwohl das in heutiger Zeit verdammt altmodische Gedanken sind, steh‘ ich damit vielleicht nicht alleine. Wie könnte der neue Markt sonst derart ins Nichts stürzen? Es gibt einfach keinen „Boden des Vertrauens“, den sich diese Firmen erworben hätten, nichts hindert also den freien Fall.
Gerne würde ich in der Presse Artikel lesen, wie es um die Stimmung bei den Mitarbeitern JETZT bestellt ist: Ob die Feldlager-Bedingungen (Groß-WG als Unternehmensmodell) noch immer so faszinieren, wenn man genau weiss, dass es keinen Tag der Ausschüttung geben wird, an dem alle persönlichen Entbehrungen auf einen Schlag in klingende Münze umgewandelt werden. Derzeit läuft im Fernsehen ein erstaunlich gut gemachter Gewerkschaftsspot: Ein StartUp-Chef läuft durchs poppige Grossraumbüro, ein Mitarbeiter spricht ihn an: „Ich hab‘ das Screendesign heut‘ nicht fertig bekommen“. „Kein Problem“, meint der Chef, „machs zuhause und schick’s mir per E-Mail“. Dann schreitet der gnädige Fürst weiter zu einem Schreibtisch im Hintergrund, an dem ein Mädel sitzt: „Du solltest dich doch verpissen“, fährt er sie an, „warum hängst du hier noch immer‘ rum?“. Und Abspann, Kamera blendet ab, es erscheint der Spruch: „Damit Arbeiten menschlich bleibt….“. Hat mir gefallen, wirklich.
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