Claudia am 25. November 2023 —

Geldbeutel verloren: Miese Digitalisierung, unterbesetzte Ämter und ein Held des Alltags

Bekommt man die Mitmenschen vor allem über die sogenannt „sozialen“ Medien mit, drängt sich der Eindruck auf, dass für allzu viele nurmehr die „Werte“ der Ellenbogengesellschaft gelten: Ich zuerst – und nach unten wird getreten. Es ist deprimierend, so dass ich meine Aktivitäten dort eingeschränkt habe. Man verliert zu leicht den Glauben an das Positive in den Mitmenschen, obwohl es auch dort Ausnahmen gibt, die sich kümmern und eher liebevoll rüber kommen.

Richtig glücklich gemacht hat mich gestern ein ehrlicher Finder, der mir mein Portemonnaie zurück brachte, das ich tags zuvor auf dem Weg ins Fitness-Center verloren hatte. Es war mir unbemerkt aus der vorderen Hosentasche gerutscht. Kleine Änderungen in den Routinen können ins Desaster führen: Meine Jeans in Größe 46 hatte ich gegen 44er getauscht, die aus früheren Zeiten noch im Kleiderschrank auf weniger gewichtige Zeiten warteten. Toll, dass das geklappt hat, nur leider war mir die kleinere Hosentasche nicht wirklich bewusst. Shit happens! Was für eine Erleichterung, als es klingelte und ein sympathischer jüngerer Mann mit meinem Geldbeutel vor der Tür stand – sogar die 80 Euro Bargeld waren noch drin! Total begeistert hab‘ ich ihm 50,- als Finderlohn regelrecht aufgedrängt – das musste einfach sein!

Kontakt mit Berliner Polizei und Verwaltung: Zum Glück brauch ich die nicht oft!

Der Verlust eines Geldbeutels mit allen Bankkarten und Ausweisen (Perso, Gesundheitskarte, u.a.) zieht nämlich jede Menge Kosten und unerfreuliche Behördenkontakte nach sich. Es war ein richtiger Schock und ich musste mir regelrecht „Gelassenheit verordnen“: Ist doch nur Papier, nur Geld…. Die Bankkarten habe ich gleich sperren lassen und neu bestellt – aber damit ist es nicht getan. Eine „KUNO-Meldung“ bei der Polizei ist erforderlich, inkl. persönlichem Erscheinen auf der Wache.

Schon am Telefon stellte mir der Beamte Wartezeiten in Aussicht, da er „seit 15 Uhr keinen Anzeigenaufnehmer mehr habe“. Ich wartete dann immerhin nur ca. eine halbe Stunde, dann wurde ich von einer Beamtin abgeholt, die erstmal gar nicht wusste, „ob wir Kuno auch bei nur verlorenen Ausweisen machen“. Ja, müssen sie machen, wie eine Nachfrage bei Kollegen ergab. Als nächstes gab es Probleme mit dem Formular am PC, mindestens 10 Minuten tippte sie herum, bevor erneut ein Kollege zu Rate gezogen wurde, der erklärte, wie die „Bearbeiten-Funktion“ ins digitale Leben gerufen wird. Als es endlich geschafft war, bekam ich noch die Info, ich müsse den Ausweisverlust bei der Polizei melden, damit niemand damit „Unsinn machen“ könne. Ich sagte: „Sie sind doch die Polizei!“, worauf sie mir erklärte, sie habe dafür jetzt keine Zeit, da sie – eigentlich – jetzt Funkwagen fahren muss, ich solle es online bei der Internet-Wache machen.

Das war mir natürlich sehr recht und zuhause suchte ich sofort diese Online-Wache auf. Leider gab es gar keine Kategorie für mein Anliegen und auch das Formular „Sonstige Anzeigen“, das ich schließlich nutzte, war für die Meldung von Straftaten konzipiert. Ich musste es ziemlich zweckentfremden, aber egal: Verlustanzeige abgegeben! Ist doch nicht mein Problem, dass die Formulare nicht passen. Hach, Deutschland digital mal wieder! Das Bürgertelefon der Polizei Berlin, angeblich „rund um die Uhr zur Verfügung“, hatte ich zuvor fragen wollen, doch dort gab es nur die automatische Auskunft, dass es ab 15 Uhr nicht besetzt sei. Tja…

Noch abstruser dann die Verlustmeldung beim Bezirksamt: Man sei verpflichtet, den Verlust schnellstmöglich zu melden, persönliches Erscheinen Pflicht! Ein Blick auf die Öffnungszeiten meines nächstliegenden Amts ergab: An allen Tagen „nur mit Termin“. Aha, wie soll „schnellstmöglich“ dann gehen, wenn es doch viele Wochen dauert, dort einen Termin zu bekommen? Kurzum schrieb ich dem BA das Ganze per Email, um zumindest meinerseits „schnellstmöglich“ gemeldet zu haben. Allerdings sah ich schon Probleme mit einem geplanten Urlaub im Frühjahr – es kann da durchaus Monate dauern, bis ein neuer Ausweis beantragt und ausgeliefert ist!

Das Glück der Erleichterung

Nachdem ich den Geldbeutel von diesem netten jungen Mann zurück bekommen hatte, schwebte ich wie auf Wolken vor Glück und Erleichterung! Was für ein großartiger Finder, ein wahrer Held des Alltags! Das Bargeld hätte er ja herausnehmen können und sagen, er habe das Portemonnaie so gefunden – und ich wäre immer noch begeistert gewesen.

Einzelne Menschen im realen Kontakt sind oft wunderbar: Freundlich, hilfsbereit, kooperativ! Es war nicht das erste Mal, dass mir sowas passiert ist. Vor einigen Jahren verlor ich den Geldbeutel ZWEIMAL während einer Radfahrt. Erst ist mir ein netter Mitmensch (mit Migrationshintergrund) nachgefahren, hat mich überholt und mit dem Geldbeutel gewinkt! Den steckte ich dann in eine andere Hosentasche und verlor ihn erneut, was ich erst zuhause bemerkte. Es dauerte dann genau 15 Minuten bis es klingelte und mir ein freundliches Paar das Ding überreichte. Sie hatten es an der nächsten Ecke gefunden, die Adresse im Perso gesehen und gleich hergebracht. Wow!

Als Konsequenz all dieser Verluste werde ich jetzt wohl eine Bauchtasche tragen. Ständig eine frauen-typische Handtasche mitzuführen, ist mir einfach zuwider, ich brauche nun mal nicht viel Zeug: Schlüssel, Geldbeutel, Handy – mehr nicht. Leider haben z.B. Frauenjacken entweder keine oder viel zu kleine Innentaschen. Das sparen sich die Hersteller, genau wie genügend tiefe Hosentaschen.

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Diskussion

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6 Kommentare zu „Geldbeutel verloren: Miese Digitalisierung, unterbesetzte Ämter und ein Held des Alltags“.

  1. Na ein Glück, dass es so einen ehrlichen Finder gibt UND er es dir persönlich abgegeben hat. Hätte er vielleicht den Weg über die Behörden gewählt, wer weiß, was er sich da hätte anhören können/ müssen. Irgendwie einerseits ein Auswuchs an Behörden/ Bürokratie und andererseits doch noch ein Lichtblick gegenüber dem, was du am Anfang schriebst: soziale Medien. Ich habe da auch langsam aber sicher den Rückzug angetreten, mir hilft es nichts/ bzw. kann ich niemandem was erzählen ohne mich praktisch nackig zu machen, man kriegt beim Lesen nur schlechte Laune (Twitter war da am schnellsten: zwei Minuten maximal und mir ist die Halsschlagader angeschwollen) und am Ende der Zeit ist es Zeitverschwendung. Ich weiß zwar nicht, wie ich das anderweitig kompensieren kann, da sich meine Freunde in den letzten Jahren in Luft aufgelöst haben (da bin ich selbst schuld, da ist die Entfernung und die Entfremdung beteiligt etc.) und die Kontakte aus sozialen Medien beschränken sich auf Sammlerkontakte (da wird nur konkret gesucht/ gefunden) – wobei selbst da mittlerweile die Spam/ Scam-Geschichte überhand nimmt und ich bereits eine FB-Sammlergruppe verlassen musste, weil es mir einfach zu viel Werbung (und v.a. themenfremde Werbung) war.

  2. wir hatten mal den autoschlüssel direkt nebemn dem auto verloren. Der finder brachte den schlüssel zum nächsten polizeiamt und hinterlies einen hinweis an der windschutzscheibe 😀

  3. @Holger: danke für deinen Kommentar – und herzlich willkommen! Habe dein Blog gesichtet: Wow, was für ein Bücher- und Sprachenfreund! Eine Frage hätte ich zu deinem Kommentar: „bzw. kann ich niemandem was erzählen ohne mich praktisch nackig zu machen“. Was meinst du damit? Ich kommentiere meist aktuelle Ereignisse, Medien etc. die auf X durchgereich werden, selten irgendwas Persönliches.

    @Gerhard: War vermutlich der richtige Weg, der über die Behörde. Glückwunsch!

  4. Solche Erlebnisse machen Mut. Toller Kerl! Man hört solche Geschichten ja zum Glück immer wieder.

    Deine Erfahrungen mit „dem Amt“ sind wohl deutschlandweit zu machen. Wenn dann noch ein schwerwiegender Cyberangriff stattgefunden hat (wie in NRW) und 70 Behörden über Wochen (sic?) betroffen sind, ist es ganz zu Ende. Wenn sich die Damen und Herren doch immer mal bewusst machen würden, dass sie unsere Angestellten sind, würde manches trotzdem noch einfacher zu ertragen sein. Aber davon sind wir noch weiter entfernt als von digitalisierten Behörden. Abgesehen davon hat man oft genug den Eindruck, dass die Beschäftigten in den Behörden solches Teufelszeug gar nicht wollen.

    Schön, dass du alles zurückbekommen hast. Es ist langwierig und nervenaufreibend, alle Aufgaben, die mit einem solchen Verlust zusammenhängen, zu erledigen.

  5. @Claudia: vielen Dank für deine Worte zum Blog, ich hoffe, ich kann irgendwann mal etwas lesbarer und für andere interessanter schreiben. Vielen Dank!

    Aber zur Frage: Nackig machen meine ich in dem Sinne, dass ich dort direkt und von viel zu vielen (auch mir oft nicht gutgesinnten) Menschen zu finden bin. Wer meinen Namen kennt, kann mich bei den großen Netzwerken suchen, kann Sachen über mich wissen, die sich nicht mehr löschen lassen/ die tausendfach gespiegelt sind etc. Ein Blog hingegen ist so derart speziell, da muss man erst mal suchen wollen und nicht aus Dumdideldei den Namen des Kollegen oder früheren Schul“kameraden“ eintippen. Man bekommt mit ein wenig Recherche so viele Informationen (gläsern/ ich sag halt nackig) über mich, dass ich es bereue, mich da jemals angemeldet zu haben.

  6. Respekt. Du hast einen Glücksengel. Sowas hatte ich nur einmal, als mir die Brieftasche auf der Musikmesse abhanden kam und selbst das war mit Schwierigkeiten verbunden.