Der Programmpunkt „Einnahmen“ für die Steuer ’99 ist erledigt – ja, das ist der kleinere, weniger arbeitsaufwendige Teil, ich weiß, aber es stimmt mich schon mal froh, daß ich überhaupt in diese lästige Arbeit ‚reingefunden habe. Und meine Laune ist deutlich besser: Sind doch alles nur Papiere, Zahlen…. Oder doch nicht?
So ein Thema wie „Steuererklärung“ paßt eigentlich gar nicht in ein „philosophisches Webdiary“, fällt mir sofort ein. Egal, es bewegt mich nun mal, und nicht nur dann, wenn ich es wirklich angehe, sondern eigentlich dauernd, es ist ein wichtiger Teil der dunklen Seite der Selbständigkeit. Dunkel, weil es ein Bereich ist, wo jeder mit sich, dem Staat und dem Steuerberater alleine ist und in der Regel auch gern alleine bleibt. Dunkel, weil Klarheit immer erst weit zeitversetzt eintritt. Es macht mir große Mühe, mich anhand von allerlei Unterlagen, die ich nicht gerade ordentlich sammle, an all die Vorgänge und Umstände eines lang vergangenen Jahres zu erinnern – ich muß mich aber erinnern, sonst entgehen mir Ausgaben, die ich hatte, oder ich kann sie nicht begründen und zahle womöglich viel zu viel.
Wäre das denn schlimm? Früher hätte ich gesagt, scheiß drauf, der Staat muß auch leben! Mittlerweile ist mir durch die Fakten und meine Erfahrungen dieser großzügige Impuls vergangen. Indem ich darum kämpfe, nicht zuviel Steuern zu bezahlen, kämpfe ich ja um meine Freiheit, nicht zuviel arbeiten zu müssen! Das war mir früher gar nicht so klar. Andere trifft das nicht in dieser Weise, das habe ich schon bemerkt. Sie arbeiten sowieso bis zum Anschlag (ich spreche jetzt von Brotarbeit!) und verwenden freie Zeit, falls vorhanden, zur Akquise. Ich dagegen arbeite meistens darauf hin, fertig zu werden und freie Zeit zu haben, freie Zeit für meine eigenen Projekte und auch für freie Zeit schlechthin.
Doch soviel „freier“ bin ich als Selbständige gar nicht, als Arbeitnehmerin könnte ich mir z.B. jederzeit eine Krankheit leisten oder mal eine Zeit lang innerlich kündigen. Ja, als Arbeitnehmer kann ich sogar richtig kündigen und arbeitslos werden, ohne deshalb verschuldet zu sein. Würde ich jedoch meine Selbständigkeit an den Nagel hängen, hätte ich zwar mit Glück gerade so die Steuer vom Vorjahr abgedrückt, nicht aber für das aktuelle Jahr. Wer ständig soviel Rücklagen bilden kann, um steuerlich „up to date“ sein zu können, muß schon deutlich mehr verdienen als ich und dazu noch ein verdammt ordentlicher und sicherheitsbewußter Mensch sein.
Bin ich nicht. Wie denn auch, hab‘ doch lange Zeiträume meines Lebens mit Minimaleinkommen wie Bafög oder Arbeitslosenhilfe verbracht und keineswegs darunter gelitten. Auch die Welt der Sozialhilfe ist mir nicht völlig fremd und würde es mich treffen, würde ich mich schon zurecht, bzw. schnell wieder ‚rausfinden, das weiß ich genau. Alle diese Strukturen, vom Angestelltenverhältnis bis zur monatlichen „Stütze“ haben jedenfalls den Vorteil, zeitnah abgerechnet zu werden. Als Selbständiger hat man dagegen langfristiger zu denken, Vorsorge zu treffen, alles abzusichern, tja, man muß ein anderer Mensch sein.
Bin ich nicht, bzw. zu wenig. Es kann gut sein, dass mir deswegen nochmal der Himmel auf den Kopf fällt. Dieses Mal allerdings, so entnehme ich meiner Arbeit mit „Steuer ’99“, wird der Kelch an mir vorübergehen. Ich habe die Summe der Einnahmen mal versuchsweise in einen Einkommenssteuerrechner eingegeben und siehe da: Die Steuerschuld, die sich ergäbe, ohne dass ich irgendwelche Ausgaben abziehe, könnte ich gerade so zahlen! Es würde sogar ‚was übrig bleiben, um noch ein paar Monate ohne zusätzliche Einkünfte zu überbrücken. Was will mensch mehr?
Ich kenne Kollegen, die noch nicht mal Steuer ’98 hinter sich gebracht haben und ein Bekannter, der mir gelegentlich einen Auftrag gibt, hat mal sechs Jahre ohne Steuererklärung zugebracht, die er dann auf einen Schlag nachholen mußte. Ich frage mich, wie das psychisch auszuhalten ist! Es scheint nicht unmöglich zu sein, denn diese Freunde wirken keineswegs belastet oder besorgt. Mir ist das unvorstellbar, denn je weiter ein Jahr zurückliegt, desto weniger könnte ich die dafür aufgelaufene Steuerschuld schätzen. Mehrere Jahre zunehmender Unklarheit addieren sich im Hinterkopf zu einer Summe X, deren Unbekanntheit mich krank machen würde, weil ich immer weniger wüßte, wie mein finanzieller Status Quo aussieht. Es wäre, als hätte mein Konto „hinten“ mehrere große Löcher, durch die es ‚rausrinnt und ich kann nicht mal sehen, wieviel.
Ist das eine Folge von Geiz? Ein Hängen am Geld? Gewiss nicht, ausnahmsweise kenne ich mich da gut: Arm sein ist ok, keine Probleme. Aber Schulden hasse ich wirklich, möchte leben ohne Kredite und Verbindlichkeiten, die in die Zukunft reichen und meine Freiheit, einfach AUFZUHÖREN beschränken. Ab dem nächsten Jahr werde ich vermutlich zu einer Einkommensteuervorauszahlung verdonnert, die den Realitäten entspricht. Dann habe ich endlich das, was Arbeitnehmer haben: die zeitnahe Abrechnung. Und muss mich „nur“ darum bekümmern, dass auch das Einkommen der Vorauszahlung entspricht…. :-)
Diesem Blog per E-Mail folgen…