Würde mich jemand fragen, wie es gerade läuft, würde ich sagen: Gut! Hab‘ eine lockere Phase, keinen Stress, nur zwei, drei kleine Projekte, die ich nicht wegen Geld mache, sondern eher als Hilfeleistung und Übungsfeld. Nichts, was mich auffrisst, hetzt, in schlechte Stimmung versetzt, im Gegenteil.
Das wäre nicht gelogen. Doch wenn ich mir im einzelnen ansehe, wie ich momentan arbeite, bzw. nicht arbeite, könnte ich das auch als „voll-in-der-Schaffenskrise kreisend“ beschreiben. Es wirkt nur harmlos, weil ich aktuell kein „Grosswerk“ in der Mache habe und kein Auftraggeber auf den Schuhspitzen wippt, wartend, dass SEINE SITE endlich auf dem Monitor erscheint. (Und weil auf dem Konto genug herumliegt, dass das noch ein bißchen so bleiben kann….)
Genau betrachtet werde ich lange schon von Vorhaben fast erschlagen. Meine Vorstellung vom Juni, mir meinen damaligen konfliktreichen Job vom Hals zu schaffen und hinterher die Ruhe, die unverplante Zeit, den Freiraum für spielerische Experimente zu geniessen, war verfehlt. Wirklich FREI vom Netz war ich keine drei Tage. Immer bearbeitete ich kleine Projekte, wickelte alte ab, plante neue mit lieben Freunden und Kollegen – das Daily NetLife geht unverdrossen weiter, in einer Form ohne roten Faden, den der Stressjob immerhin ein halbes Jahr geboten hat.
Neben den Vorhaben sind da auch eine Reihe Pflichten: Steuer 99, Zahnarzt, Ausweis neu machen lassen, Mahnungen zurückweisen, Rechnungen zahlen, und und und… Schlussendlich meine kleinteiligen Nebenaktivitäten über den Tag: Privatmail, Listenmail, ein mitreissendes Buch lesen, ein neues Design ausprobieren, Zimmer aufräumen – oder doch in die Sauna gehen? Nein, die Erdbeeren müssen zu Marmelade werden…
Alles völlig normal, ich weiss. Ich beschwere mich auch nicht, dass es etwa ZU VIEL wäre. Das ist es nicht, erstens könnte ich viel davon weglassen, es zwingt mich ja keiner, zweitens ist alles zusammen ein Lacher gegen das Eingespannt-sein, wie es zum Beispiel Eltern mit Kindern täglich erleben. (Immerhin wissen die aber, WO sie jetzt gerade eingespannt sind.).
Meine aktuelle Strategie ist offensichtlich falsch: Um nicht noch mehr VOR mir zu haben, tue ich nicht viel dafür, die Dinge HINTER MICH zu bringen. In kleine Aktivitätshäppchen aufgeteilt, ziehe ich Aufgaben über Tage und Wochen, und das quer durch alle Projekte und Pflichten. Lieber mache ich jeweils einen Schritt in 20 verschiedenen Dingen, als eines ruck-zuck fertig zu machen. Und keineswegs nur bei Brot-Jobs, sondern sogar bei Sachen, die die reine Freude wären, würde ich sie nur endlich mal wieder „at one sitting“ zu Ende bringen, bzw. überhaupt erst effektiv angehen.
Was ist nur mit mir los? Selbst wenn ich mich vom PC entferne, wird es plötzlich eine echte FRAGE, ob ich jetzt spazieren gehe, etwas koche, einkaufen fahre, die Blumen umtopfe, mal wieder nach den Hühnern sehe – oder vielleicht in den Wald, mit dem Pilzbuch in der Hand?
Während ich schreibe, merke ich, dass ich das Problem nicht fassen kann. Oder vielleicht doch: Mein Leben ist wie eine Website mit verschiedenen Bereichen und auf jeder Seite sind zu viele Links. Irritiert schaue ich drauf und weiss nicht, warum diesen klicken und nicht jenen. Also schalte ich lediglich zwischen den Rubrikseiten hin- und her – und bin immer neu entsetzt von den vielen Links…
Morgen mache ich einen Versuch: Ich trete an den PC mit EINEM Vorhaben, handle das ab und geh wieder weg: Mit einem ANDEREN Vorhaben, etwas, das physisch erledigt werden muss. Bin mal gespannt, was ich so wegschaffe, wenn ich das EINEN Tag lang durchziehe, konsequent von Aktion zu Aktion pendelnd, keine langen Grübeleien, keine Pausenfüller, keine Unterbrechung. Kung Fu heisst „vollständiges Handeln“, sagte mir ein Freund. Es meint nicht speziell die Fähigkeit, jemanden – zack wumm – wegzuhauen, sondern die Dinge GANZ zu erledigen.
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