Claudia am 02. Dezember 2023 —

Was tun mit dem Rest der Lebenszeit?

Sporadisch beschäftige ich mich damit, uralte Diary-Artikel, die noch in „antiken“ Webtechniken verfasst sind, in WordPress zu übertragen. Zum 25. Diary-Jubiläum am 3.3.2024 soll das endlich fertig sein! Grade bin ich im Jahr 2000, damals hab‘ ich noch fast täglich gebloggt.

Naturgemäß treffe ich bei dieser Arbeit auf mein „früheres Ich“ und manche Überlegung, die mir heute zu denken gibt, zum Beispiel diese:

Ich bin ‚erst‘ 46 und denke manchmal: War es das jetzt? Soll ich die restliche Lebenszeit, die – rein statistisch – noch einige Jahrzehnte umfassen könnte, einfach so weiterleben? ZUFRIEDEN altern? Ich kenne keine Zufriedenheit, das Wort hielt ich immer für ein Schwindel-Ettikett, gut dafür, elende Kompromisse schön zu färben. Wo früher meine Unzufriedenheit war, da ist jetzt einfach GAR KEIN Gefühl. Und je länger diese Abwesenheit andauert, desto öfter frage ich mich (immerhin ganz ohne Stress): Was noch tun im Rest der Zeit?

Der Beitrag heißt „Vom Wünschen und wollen“ und handelt von der seltsamen Abwesenheit konkreter Wünsche. Mein Exodus aus der Stadt aufs Land (2 Jahre Mecklenburg) hatte das mit sich gebracht – eine ungewohnte Verfassung. Nun bin ich alt und muss darüber schmunzeln – einerseits. Andrerseits – sonst hätte ich das gar nicht zitiert – frage ich mich heute ganz ebenso: Was tun mit dem Rest der Zeit? Einfach immer so weiter leben, als Brotjob über Gartenthemen schreiben und ansonsten „nix Besonderes“? Im Unterschied zum Jahr 2000 bin ich heute dankbar für den Status Quo, der mir „Zufriedenheit“ ermöglicht. Zwar reicht die Mini-Rente bei weitem nicht, aber meine Arbeit stresst mich nicht wirklich und die Vorstellung, gar nichts mehr zu tun, um irgendwo nützlich zu sein, reizt mich auch nicht.

Klar, ich könnte mich mit der Grundsicherung begnügen. Ein paar Bequemlichkeiten würden wegfallen, doch richtig abschreckend ist die Vorstellung nicht. Aber anders als in den Nullerjahren bin ich nicht voller Pläne und Projekte, von denen mich meine Brotjobs abhalten. Eher befürchte ich, dann in ein unverträgliches „Nichts“ abzugleiten, nurmehr Medien zu konsumieren und mich zu gar nichts mehr aufzuraffen.

Hier und Jetzt?

Immerhin: Drei Monate Fitness-Center, meist dreimal pro Woche, haben mein Befinden etwas verändert. Deutlich mehr Kraft und ein paar Kilo weniger machen schon einen Unterschied!  Meine Arbeit schaffe ich in kürzerer Zeit, liege aber auch häufiger auf der Couch: gefühlt als verdiente Regeneration von den Anstrengungen an den Kraftmaschinen. Das ist suboptimal, denn auch Regeneration sollte „aktiv“ stattfinden – und noch immer nicht habe ich es geschafft, alle Regale und Akten-Container auszumisten, um hier sowas wie „klar Schiff“ zu haben: Alles minimiert, transparent geordnet, quasi „übersichtlich“ für den Fall des plötzlichen Abgangs.

Statt dessen übertrage ich alte Diary-Artikel und vermeide wieder mal den Umgang mit der physischen Welt!

Zukunft? Die sieht eher düster aus, denn die Klimakatastrophe entwickelt sich dynamisch und wie es aussieht, werden uns die Folgen schon sehr bald deutlich mehr treffen. Der Film „Living in Times of Dying“ hat mich sehr berührt. Das ist mal eine Doku, die keinerlei Illusionen über den Stand der Dinge in Sachen Klima stützt und vom Leben in dieser Situation handelt. Die Diskrepanz zwischen der Weltlage und meinem realen Befinden im Hier&Jetzt könnte kaum größer sein! Und das wirft verstärkt die Frage auf: Was tun mit dem Rest der Lebenszeit? Sollte es nicht etwas Relevanteres, Hilfreicheres sein als das, was ich nun schon seit Jahren in fast immer gleicher Routine ableiste?

Eine Frage, die – jedenfalls heute – offen bleibt.

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Diskussion

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6 Kommentare zu „Was tun mit dem Rest der Lebenszeit?“.

  1. Wir sind ja beide im gleichen Alter, Claudia.

    Was mich betrifft, ist, dass ich das künstlerische in mir ernster nehme, zumal ich einem Studium seinerzeit ausweichen musste. Jemand aus dem Blogumfeld hatte mir gesagt, dass ich ja JETZT die Gelegenheit habe, das Versäumte nachzuholen.

    Was den Klimawandel anbetrifft, da stehen wir machtlos gegenüber.

  2. Dein Beitrag, Claudia, ging mir die ganzen letzten Tage nach einer Antwort suchend durch den Kopf, da mich die gleichen Gedanken beschäftigen. Derzeit neige ich zu folgender Betrachtung:

    Ich denke, dass es sich diesmal ähnlich verhält, wie seinerzeit in meiner midlife crisis, in die ich mit 45 Jahren geruscht bin. Damals habe ich die Frage: „War`s das jetzt“ mit Nein beantwort. Habe einen Strich gezogen, alles hinter mir gelassen und neu angefangen.

    Jetzt ist es eine Phase zwischen „alt werden“ und „alt sein“, in der sich wieder die gleiche Frage stellt: „War`s das jetzt“ , die ich für meine Person diesmal mit einem „Ja“ beantworten muss. Durch diese Zeit muss ich einfach durch und denke, danach wird alles besser. Ich sage mal so, es ist dem Gesetz der schwindenden Kräfte geschuldet, in der die realisierung von Wünschen keinem ausreichenden Willen zur Umsetzung mehr gegenüber steht.

    Wobei ich sehr daran zweifele, ob meine aktuellen Wünsche wirklich so stark sind, dass, selbst wenn ich es noch könnte, sie auch tatsächlich wahr werden lassen wollte.

  3. @Gerhard, und es gibt sie ja doch, die Telepathie :)) Haben wir tatsächlich annähernd gleichzeitig geantwortet. Und auch du warst die letzten Tage in meinen Gedanken, gerade wegen deiner Kunst, die du jetzt so lebst.

    Nun habe ich mich ja auch ein wenig in Kunst probiert, in der ich Musik mit alten Freunden mache. Aufgrund der räumlichen Entfernung funktioniert das aber nur über das Internet und die Lust und Liebe dabei weiterzumachen schwindet von Monat zu Monat mehr. Ich bin zu dem Ergebnis gekommen, dass Musik, wie ich sie mache, die direkte und reale Interaktion von Mensch zu Mensch braucht. Diese Interaktion ist wie ein Motor, der Kreativität erst richtig in Gang setzt.

    Aufgefallen ist mir bei diesen Gedanken, wie wichtig zwischenmenschliche und reale Begegnungen für uns Menschen, als soziale Wesen, sind und dass gerade im älter werden diese zwangsläufig immer weniger werden. Sicher, das Internet kann da ein wenig abfedern, aber es bleibt eine schlechte Krücke.

    Aber, um noch einmal darauf zurück zu kommen, ich denke, dass auch deine Kunst, selbst wenn du sie ganz alleine in deiner Werkstatt formst, immer in einem übergeordneten sozialen Kontext eingebunden ist. Ist das so?

  4. @Menachem, ich weiß ja von Deiner Musizierfreude. Da braucht es tatsächlich die direkte und reale Interaktion von Mensch zu Mensch. Und da solltest Du wieder hin. Auf die eine oder andere Weise.

    Der übergeordnete soziale Kontext ist z.b., daß ich gestern ein Doppelwandgefäss mit zwei Einblicken gebaut hatte. Eigenet sich ideal für einzelne Blumen. Und zugleich kommt das gut bei anderen an.
    Ich wollte eigentlich nie etwas wiederholen, aber wenn so etwas gut ankommt und Freude macht, dann mache ich es jetzt zweimal in Folge.
    Keramik ist ja nicht nur Geschirr und Tassen, sondern Objekte. Also Plastiken.
    Ich zeige damit nach aussen, was mit Ton alles möglich ist. Auch Objekte, die keinesfalls ästhetisch sein müssen, sondern für etwas stehen.

    Aber im wesentlichen mache ich das für mich, weil ich Nachholbedarf habe.

  5. @Gerhard: ja, ich hab schon immer die Menschen ein wenig beneidet, die so ein spezifisches Interesse, einen Daimon (Genius), der sie treibt, dabei immer tiefer zu dringen – sowas hatte ich einfach nie in dieser Nachhaltigkeit. Glückwunsch dir! Und toll, wie du das beschreibst!

    @Menachem: Es freut mich, dass dich meine Selbstbesinnung angeregt hat, auch darüber nachzudenken! Über diesen Neuanfang nach Midlife-Crisis – gibts da einen Blogpost dazu? Bei mir war das ja etwas krass, aber auch ich habe alles hinter mir gelassen und neu angefangen: eine EDV-Weiterbildung gemacht, auf Computer „abgefahren“, noch bevor ich selbst einen hatte!
    Kannst du nicht in räumlicher Nähe Menschen finden, die mit dir Musik machen? Mal über nebenan.de fragen – das gibts doch auch bei Euch, oder? Selbst wäre ich froh, wenn ich so ein Hobby hätte! Im Moment bin ich froh, dass mir das Fitness-Center weiterhin gefällt, das Üben nicht nervt und tatsächlich Fortschritte zu bemerken sind: Anstrampeln gegen das Schwächeln und den Verfall…

  6. @Claudia, selbstverständlich hattest Du diesen „Daimos“: Dein schier unermüdliches Schreiben all die Jahre, täglich, manchmal mehrmal, das hatte mich eingenommen.